Kempten: 20 Jahre der Sehnsucht fanden ein glückliches Ende

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Die rote Strickjacke ihrer verstorbenen Mutter: Für den Kreisboten zog Enkeloeda Eickhoff sie erstmals an. © Claudia Schöwe

Kempten – Wir alle haben sie: Stücke, die uns an etwas erinnern, die eine Verbindung zu unserer Vergangenheit, vielleicht auch zu unserer Heimat, in der wir nicht mehr leben, darstellen. Der Kreisbote Kempten hat sich aufgemacht, eben solche Stücke und ihre Besitzer zu finden und die Geschichte dahinter zu erfahren.

„Ich bin nicht zu meinem Gegenstand gekommen, sondern er ist quasi zu mir zurückgekommen“, sagt Enkeloeda Eickhoff und kann ein Lächeln nicht unterdrücken, als sie die rote Strickjacke auf ihrem Schoß betrachtet. Diese gehörte einst ihrer leiblichen Mama, die verstorben ist, als Eda acht Jahre alt war, wie die heute 29-Jährige erzählt.

„Wenn ich mich an meine Mama erinnere, dann erinnere ich mich immer an diesen Cardi­gan und die Stickerei darauf“, sagt sie und ergänzt, dass ihre Mutter die Strickjacke oft und gerne getragen hat.

Rückkehr nach zwei Jahrzehnten

Allerdings verschwand das Kleidungsstück nach dem Tod der Mutter spurlos. „Wahrscheinlich hat ihn irgendwer irgendwo hingetan und dann vergessen“, so Eickhoff. Ganze zwei Jahrzehnte blieb die Strickjacke verschollen und all die Jahre hatte Eda Sehnsucht nach ihr, wie sie sagt. Doch dann, im 20. Todesjahr ihrer Mutter, schickte ihr leiblicher Vater ihr und ihren zwei Geschwistern einige Gegenstände der Mutter. Neben Fotos und anderen Kleinigkeiten befand sich auch der rote Cardi­gan in dem Paket.

„Meine Schwester und mein Bruder waren so lieb und haben ihn mir überlassen. Ich bin die Älteste von uns dreien und habe die meisten Erinnerungen an unsere Mama“, erzählt sie rückblickend und ergänzt, dass ihre Geschwister dafür mehrere Fotos der Mutter erhalten haben.

Vom Kosovo auf die Schwäbische Alb

Wenn man der jungen Frau und der Geschichte ihres Gegenstandes lauscht, so merkt man schnell, dass sie eine leichte Sprachfärbung hat – allerdings keine aus dem Allgäu. „Ich bin Schwabe“, sagt sie und es schwingt ein gewisser Stolz in diesem Satz mit. Allerdings ist sie kein Ur-Schwabe, denn ursprünglich stammt Eda Eickhoff aus dem Kosovo, in dem zwischen 1991 und 2001 die Jugosla­wienkriege geführt wurden. Im Jahr 1996 hat sich laut ihrer Aussage die Situation im Land so hochgeschaukelt, dass ihre leibliche Mutter mit ihr nach Deutschland auf die Schwäbische Alb geflüchtet ist.

„Nach Kempten gekommen bin ich im September 2022. Davor habe ich zwei Jahre in Rumänien gelebt und gearbeitet“, so die 29-Jährige und ergänzt, dass ihre Adoptivmutter, eine alte Freundin ihrer leiblichen Mutter, ursprünglich aus dem südosteuropäischen Land stammt.

Von Rumänien nach Kempten

Doch als der Ukraine-Krieg ausbrach und auch wegen der Corona-Pandemie, hat sie die Entscheidung getroffen, nach Deutschland zurückzukehren und da ihr Freund gebürtiger Kemptener ist, fiel ihre Wahl auf die Allgäu-Metropole. „Und seitdem bin ich in Kempten und mir geht es hier sehr, sehr gut“, sagt sie und lächelt dabei.

Im Kosovo hat sie nach wie vor Familie, mit der sie auch in Verbindung steht – vor allem über Social Media. Doch sie erklärt auch, dass die Verbindung nicht sehr eng ist, „weil ich die Sprache einfach nicht so beherrsche, wie wenn ich bei meinen leiblichen Eltern aufgewachsen wäre.“ Und zudem lebt jeder sein eigenes Leben, ergänzt sie. Aber für sie sei es okay, so wie es ist.

Heimat kann überall sein

Auf die Frage, wo sie ihre Heimat verortet, antwortet Eickhoff: „Ich bin mal so frech und behaupte, dass ich Weltbürgerin bin. Ich kann mich mit vielen Sachen identifizieren oder versuche es zumindest.“ Sie versuche immer, verschiedene Kulturen zu verstehen und hat dadurch für sich die Erkenntnis gewonnen, dass wir im Endeffekt alle gar nicht so unterschiedlich sind und dass es die Gemeinsamkeiten sind, die uns Menschen dauerhaft zusammenhalten.

„Ich glaube, dass das eigentlich für mich Heimat ist. Der Wille, miteinander zu wollen und zu können und dann ist die Heimat eigentlich überall.“ Für sie ist ihre Familie ihre Heimat, ihr Rudel und das ist nun Kempten, aber auch verteilt in unterschiedlichen Ländern. „Und das finde ich eine coole Sache und wünsche es jedem.“

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