Der Mann, der Gott wurde: Eric Clapton ist 80
Mit dem Blues bekämpft er seine Komplexe: Die streitbare Gitarren-Legende Eric Clapton wird am Sonntag 80 Jahre alt.
Eric Clapton war 21 Jahre alt, als er Gott wurde. Und, wie sein Kollege Keith Richards einmal sagte: Bis heute versucht er, sich davon zu erholen. Im Jahr 1966 prangte erstmals der Schriftzug „Clapton is God“ in einer Londoner U-Bahn-Station. Der schüchterne, immens talentierte Gitarrist, dem damit gehuldigt wurde, hatte freilich so gar nichts Gottgleiches an sich. Hat er bis heute nicht, wo er ein millionenschwerer, gleich dreimal in der Rock’n’Roll Hall of Fame verewigter Star ist. An diesem Sonntag wird Clapton 80 Jahre alt.
In der Rückschau scheint sein Leben eher ein ständiger Kampf mit Dämonen gewesen zu sein. Ein Kampf, den er mit Heroin ausfocht, mit Humpen voll Brandy, mit zahllosen Affären, vor allem aber mit seinem Instrument, dem er einen Ton entlockt, der ihn unter allen Gitarristen herausstechen lässt. Claptons Therapie heißt Blues.
Der ungewollte Eric identifizierte sich mit der Musik, die Jahrzehnte zuvor im Mississippi-Delta
Zu sagen, das Leben des jungen Eric stand unter keinem guten Stern, wäre maßlos untertrieben. Er war ein „Unfall“ seiner Mutter mit einem kanadischen Soldaten – im prüden Nachkriegsengland ein Unding. Sie wanderte aus, Erics Großeltern gaben sich als Eltern aus. Er selbst erfuhr davon erst mit neun Jahren. Kein Wunder, dass der ungewollte junge Mann sich mit einer Musik identifizieren konnte, die Jahrzehnte zuvor im Mississippi-Delta von der bitterarmen schwarzen Bevölkerung gespielt worden war. Es war eine Verbindung zwischen Underdogs. Besonders Robert Johnson und seine Zwölftakt-Moritaten hatten es ihm angetan. Der „Crossroads Blues“ wurde Claptons Schlüsselstück, das er immer wieder aufnehmen sollte: „In Johnsons Musik kommt eine Angst zum Ausdruck, die ich in meinem eigenen Leben auch erfahren habe“, sagte er.
Eric Clapton spannte Beatle George Harrison dessen Frau aus – und verlor dann das Interesse an ihr
Clapton selbst erkannte die Ablehnung durch seine Mutter als Ursache für seine mangelnde Bindungsfähigkeit. Vor allem, was Frauen angeht, die er reihenweise schlecht behandelte. Patti Harrison etwa, die Gattin seines Freundes, des Beatles George, umgarnte er hartnäckig, widmete ihr die Hymne „Layla“ – und schien das Interesse an ihr zu verlieren, als er sie für sich gewonnen hatte.
Auch musikalisch hielt Clapton es nie lange an einem Ort. In den Sechzigern war er ein Innovator, ein Wunderkind – aber eben auch ein Komplexhaufen und penibler Blues-Purist, bei dem der Gott-Vergleich eine Mischung aus Arroganz und Selbsthass auslöste. So verließ er die Yardbirds, weil sie ihm zu poppig wurden. In der Supergruppe Cream mit den Alphatieren Ginger Baker und Jack Bruce machte er zwar seine beste Musik, lernte aber vor allem, dass er kein Bandleader sein wollte.
Der Mann, der sich als Seelenverwandter der schwarzen Bluesmänner begriff, pöbelte sturzbesoffen rassistische Tiraden von der Bühne
Doch je mehr Gott an den Bühnenrand rückte, desto mehr forderten die Fans ihn zurück in den Lichtkegel. Claptons Solokarriere nahm in den Siebzigern rasant Fahrt auf – genauso wie sein Drogenkonsum. Tiefpunkt: Der Mann, der sich als Seelenverwandter der schwarzen Bluesmänner begriff, pöbelte sturzbesoffen rassistische Tiraden von der Bühne.
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Clapton fing sich wieder – nach den Achtzigern, die er als Langweiler im Armani-Anzug verbracht hatte. Schuld war sein wohl größter Schicksalsschlag: Sein Sohn Connor stürzte aus einem New Yorker Hochhausfenster zu Tode. Der Song ihm zu Ehren, „Tears in Heaven“, wurde der größte Hit des Gitarristen, sein Auftritt mit akustischen Blues-Interpretationen bei MTV zur prägenden Episode der „Unplugged“-Serie des Senders.
Wegen Corona verlor Clapton die Nerven – und schwurbelte via Telegram
Seither verwaltet Eric Clapton seinen Status als lebende Legende. Überwiegend in Würde – nur manchmal kommt der alte Angstbeißer in ihm hoch: So verglich er während der Corona-Pandemie die angeordneten Maßnahmen mit der Sklaverei. Er nahm bei sich selbst Impf-Nebenwirkungen in den Händen wahr und reagierte via Telegram unwirsch: „Die Propaganda sagte, die Impfung sei für alle sicher!“ Im eigens komponierten Lied „This has gotta stop“ singt er pathetisch: „Sie wollen meine Seele haben – da müsst ihr schon kommen und meine Tür einreißen!“ Sogar auf seinem jüngsten Album „Meanwhile“ vom vergangenen Herbst wetterte er noch gegen die Corona-Politik.
Claptons Verhalten sorgte für Kopfschütteln. „Fruitcake“ nannte ihn Queen-Gitarrist Brian May, frei übersetzt: „Spinner“. Robert Cray sagte Konzerte mit Clapton ab. Und selbst hartgesottene Fans schrieben, er solle sich um Himmels willen nicht so anstellen.
Mit einigem Abstand kann man die Reaktion des komplexbeladenen Künstlers milder betrachten. Er wähnte die begnadeten Finger in Gefahr – da können einem schon mal die Nerven durchgehen. Die „Washington Post“ mutmaßt derweil, Clapton habe tatsächlich Nervenschäden in Händen und Beinen und verliere sein Gehör. Er wolle deshalb so viel Musik machen wie noch möglich. Schon im von ihm interpretierten Song „Stand and deliver“ heißt es ja: „I just wanna do my Job/ Playing the Blues for Friends.“ Der Blues ist sein Therapeut. Clapton selbst sagt: „Er ist ein Zustand. Wenn du herausfindest, dass Geld, Ruhm und Erfolg nichts bedeuten, was bleibt dir dann noch?“
Womöglich kann er heute sogar über den Gott-Schriftzug lachen. Dessen vermeintlicher Urheber gestand Jahre später der Zeitschrift „Guitar Player“, er habe damals in aller Eile beim Sprühen des letzten Wortes nur das zweite „o“ vergessen. „Clapton is good“. Wer wollte das bestreiten?