Massiver Wohnungsmangel – Wie Homeoffice-Regelungen Wohnraum schaffen sollen
In Deutschland fehlen hunderttausende Wohnungen. Experten richten den Blick nun auf leerstehende Büros. Homeoffice-Regelungen sollen Wohnraum schaffen.
Berlin – Laut der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in deutschen Großstädten rund 1,9 Millionen Wohnungen. Das Pestel-Institut wirft der Politik vor, den „sozialen Wohnungsbau über Jahrzehnte“ hinweg vernachlässigt zu haben. Allein über 900.000 Wohnungen seien für den sozialen Wohnungsbau notwendig. Über den „dramatischen Mangel“ im Wohnungsbau sind sich Wirtschaft und Politik einig, nicht jedoch über die Methoden zur Bekämpfung dieses Mangels. Homeoffice-Regelungen sollen einen Teil des Problems lösen können.
Wohnraum in leerstehenden Büros – Umbau statt Neubau
In leer stehenden Büros liegt ein höheres Wohnraumpotenzial als bislang gedacht. Neue Berechnungen des Immobilienspezialisten Jones Lang LaSalle (JLL) zeigten, dass ungenutzte Büroflächen in den sieben deutschen Metropolen genug Raum für etwa 11.300 Wohnungen bieten können. „Der aktuelle Wohnungsbedarf in den sieben Metropolen könnte mit der Umwandlung von Büros zu rund einem Fünftel gedeckt werden“, erklärte Helge Scheunemann, Research-Experte bei JLL Deutschland, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Dabei schwankt die Zahl der leerstehenden Büros je nach Stadt. In Düsseldorf zum Beispiel sollen diese Büros 57 Prozent des Bedarfs decken können, in Frankfurt sind es 34 Prozent. Und das mit einem deutlichen Trend nach oben. Laut dem ifo-Institut hat sich die Zahl ungenutzter Büroflächen seit 2019 grob verdreifacht. Teils stehen riesige Gebäudekomplexe hinter den Zahlen.
Homeoffice-Boom durch Pandemie
Durch die Entwicklungen am Arbeitsmarkt, was Homeoffice-Regelungen angeht, gehen Experten davon aus, dass dieser Leerstand keineswegs zurückgehen wird. Im Gegenteil: Er könnte sich weiter verschärfen. Vor der Coronavirus-Pandemie hatte die Homeoffice-Quote noch rund zehn Prozent betragen, 2022 waren es 24,2 Prozent.
Prognosen zufolge soll sich die Quote langfristig bei 25 Prozent einpendeln. 84 Prozent aller vom ifo-Institut im November 2023 befragten Unternehmen wollen ihre gegenwärtigen Homeoffice-Regeln beibehalten. Zum Teil stoßen Konzerne ihre Büroflächen aktiv ab, um die Mietkosten zu sparen, und schicken ihre Mitarbeiter gleich ins Homeoffice.
Vorteile beim Umbau von Büroflächen
Mit der größte Vorteil dieser Umbauten ist der Kostenfaktor. JLL teilte dazu mit, dass der Umbau von Büros zu Wohnraum nur etwa die Hälfte von dem kostet, was ein Neubau verlangen würde. Die CO₂-Emissionen seien ebenfalls geringer. Außerdem braucht ein Umbau keine neue Fläche. Matthias Günther, einer der Experten vom Pestel-Institut, gab auf Ippen-Anfrage an, dass er ohnehin von einer Verlagerung des Wohnungsbaus in den Bestand ausgehe.
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„Nachverdichtungen, Aufstockungen oder Umnutzungen etwa von Büro- oder Einzelhandelsflächen sollten ausreichend Raum bieten, um den notwendigen Wohnungsbau zu schaffen“, sagte der Experte, wobei er sich rein auf die Sozialwohnungen bezog. Ihr Bau müsse keineswegs nur auf „frischen“ Baulandflächen passieren. Neben dem Umbau von Bürogebäuden zieht er außerdem den Abriss von alten Gebäuden auf wenig bis nicht genutzten Grundstücken in Betracht. Der Neubau an diesen Stellen würde eine bessere Grundstücksausnutzung erreichen.
Die Bundesregierung hat ihr Auge bereits auf leerstehende Büros gerichtet. Mittels des Programms „Gewerbe zu Wohnen“ bezuschusst sie den Kauf und Umbau von Gewerbegebäuden mit 120 Millionen Euro. „Wir haben heutzutage sehr viele leer stehende Büros, sehr viele leer stehende Ladenlokale, und das ist ein gutes Potenzial, was man auch ohne Nachverdichtung von zusätzlicher Fläche geben kann“, sagte Bauministerin Klara Geywitz (SPD) dazu. Die Regierung will mindestens 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen.
Hürden für den Umbau – das steht dem Wohnraum im Weg
Aber ist der Umbau von Büroflächen in Wohngebäude überhaupt möglich? Experten sehen hier einige Hürden, die es zu nehmen gilt. Tobias Just, Volkswirt an der Universität Regensburg und Leiter des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft, gab gegenüber dem Bayerischen Rundfunk an, dass zum Beispiel die Flucht- und Nutzungswege einem Umbau bedürfen. Ähnlich sieht es bei Belichtung, Belüftung und den Sanitärsystemen aus.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Lage der Neuwohnungen. Viele der leerstehenden Büros liegen in Gegenden, in denen eine Anbindung an die nächste Schule oder wichtige Infrastruktur sowie Einkaufsmöglichkeiten nicht unbedingt gegeben sei. Nahe gelegene Autobahnen und die direkte Nachbarschaft im Industriegebiet könnten potenzielle Mieter verschrecken. Zuletzt sind auch die Eigentümer eine Hürde, zumindest dann, wenn sie nicht auf die (meist höheren) Mieten für Gewerbekunden verzichten wollen und sich möglicherweise gegen den Umbau sperren.
Abseits der Bürogebäude hatte das Pestel-Institut auch leerstehende Wohngebäude in Ostdeutschland als mögliche Umbauprojekte genannt. Um den Wohnungsmangel zu bekämpfen, forderte das Bündnis „Soziales Wohnen“ ein Sondervermögen über 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau.
Mit Material von dpa