2024 war ein Erfolgsjahr für die Energiewende – Deutschland braucht die Atomkraft nicht

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Die Energiewende ist eine Herausforderung, daran gibt es keinen Zweifel. Und noch ist der Weg bis zur Klimaneutralität lang. Trotzdem war 2024 ein Erfolgsjahr.

Berlin – Wenn man sich die Debatten um die Energiewende im letzten Jahr anschaut, würde man meinen, es läuft alles falsch. Seit dem Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie wird mehr Strom importiert als exportiert, die Unternehmen ächzen unter hohen Energiepreisen und es droht eine Abwanderung energieintensiver Industrien. Dann kamen im November und Dezember zwei Dunkelflauten, also Tage, an denen die regenerativen Energien keinen Strom produzieren konnten und die Preise in die Höhe schossen.

Doch die Debatten täuschen – und führen teilweise in die Irre. Dass Deutschland Strom importiert, ist kein Zeichen von Versorgungsengpässen, zum Beispiel. Und auch das Klagen der Unternehmen über die Strompreise trifft nicht das ganze Bild. 2024 war auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung nämlich im Großen und Ganzen ein Erfolgsjahr.

Mehr Strom aus erneuerbaren Energien als jemals zuvor

2024 kam 62 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland aus erneuerbaren Quellen. Das berichtet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zu Jahresbeginn 2025. Darin eingeschlossen ist neben dem eingespeisten Strom auch die Energie, die Haushalte und Kraftwerke, die zur Eigennutzung verwendet haben. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Kohle am Strommix und lag 2024 bei 23 Prozent.

Damit steht fest: Der deutsche Atomstrom wird nicht vermisst. Es hat keine nennenswerten Engpässe gegeben und die Preise sind nicht in die Höhe geschossen, als die Atomkraftwerke vom Netz gingen. An dieser Stelle wird von einigen Akteuren gerne erwähnt, dass seit dem Atom-Aus die Nettostromimporte in Deutschland gestiegen sind. Das stimmt auch: 2024 hat Deutschland 9,2 Terrawattstunden mehr importiert als exportiert.

Überhöhte Preise und Knebel-Vertragslaufzeiten: Noch bis Ende Dezember können Betroffene von bestimmten Gas- und Stromanbietern Geld zurückfordern.
Die Stromerzeugung in Deutschland wird immer grüner. (Archivbild) © Hu Huhu/dpa

Das liegt aber nicht daran, dass hierzulande nicht genug Strom erzeugt werden konnte, sondern daran, dass der Strom in den europäischen Nachbarländern schlicht günstiger erzeugt wurde. Anstatt in Deutschland mehr Kohle zu verbrennen, wurde also günstigerer und häufig erneuerbarer Strom aus Frankreich, Dänemark, der Schweiz und Norwegen importiert. Im Gegenzug exportiert Deutschland auch erneuerbaren Strom in die Nachbarländer, 2024 waren die Annahmeländer vor allem Österreich, Polen, Luxemburg und Tschechien. Dadurch wurde dort also auch weniger Kohle verbrannt.

Im Winter exportiert Deutschland mehr als im Sommer, da sich die fossilen Energien in den Wintermonaten eher rentieren – und wir davon viele haben. „Deutschland hat im Gegensatz zu seinen Nachbarländern (Österreich, Schweiz, Frankreich) auch im Winter genügend Kraftwerkskapazitäten, um Strom für den Export zu produzieren“, so das ISE.

Strompreise sinken für die Industrie auf das Vorkrisenniveau – Netzentgelte belasten

Der Handel mit Strom über die Grenzen hinweg ist also insgesamt eine gute Sache, die dazu dient, Verbrauchern und Unternehmen immer das beste Angebot machen zu können. Trotzdem sind die Energiepreise in Deutschland hoch, das beklagen vor allem Unternehmen. So ganz richtig ist diese Erzählung aber nicht, denn die Strompreise für die Industrie sind 2024 wieder auf das Niveau von 2017 gesunken, wie Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BEW) zeigen:

Die Steuern und Abgaben, die die Industrie 2024 für Strom leisten musste, sind auf den niedrigsten Stand jemals gesunken. Machten diese 2014 noch 8,37 Cent pro Kilowattstunde aus, waren es 2024 nur noch 1,49 Cent/kWh. Der Wegfall dieser Abgaben sorgt also dafür, dass die Unternehmen in erheblichem Maße entlastet werden. Großstromverbraucher und energieintensive Betriebe sind eher die Leidtragenden: Für sie sind die Beschaffungskosten und die Netzentgelte ein Problem.

Solar auf Rekordjagd: Weltweit gibt es weit mehr Strom aus PV-Anlagen als aus Atomkraft

Die Netzentgelte werden auch erstmal nicht so schnell sinken – die Bundesregierung könnte aber mit staatlichen Zuschüssen helfen. Denn der Ausbau der erneuerbaren Energien bedeutet auch, dass die Strominfrastruktur im Land massiv ausgebaut werden muss. Stromtrassen müssen gebaut, Leitungen gelegt, Speicherkapazitäten ausgebaut werden. Die Kosten dafür werden auf alle Verbraucher und Verbraucherinnen umgelegt.

2024 wurde die Solar-Ziele der Bundesregierung wie auch schon im Vorjahr übertroffen. Wie das ISE schreibt, waren 13 Gigawatt PV-Anlagen geplant, tatsächlich dürften es 15,9 GW gewesen sein. Allein bis Ende November waren 13,3 GW eingerichtet. Bei der Windenergie bliebt Deutschland aber hinter den Zielen zurück: Statt den geplanten 7 GW wurden nur 2,4 GW an Land errichtet. Trotzdem war die Windkraft die wichtigste Stromquelle im Land mit einem Anteil von 33 Prozent. Solarenergie machte 14 Prozent aus.

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist auch kein allein deutsches Phänomen. Der Ausbau von Solarenergie allein übertrifft die Atomenergie mittlerweile bei Weitem. Wie die Denkfabrik Environment America im September berichtete, waren Mitte 2024 weltweit 367 GW Atomenergie installiert, während Ende 2023 1600 GW PV am Netz waren. Knapp 600 GW mehr sollen es im Jahr 2024 sein. Der Ausbau der Atomenergie schreitet nicht annähernd so schnell voran, wie PV und Wind. Das hat natürlich ganz praktische Gründe: Der Bau eines Atomkraftwerks kostet ein vielfaches mehr, als der Bau von PV-Anlagen oder Windrädern.

Herausforderungen für 2025: Gebäude müssen saniert werden, Verkehr auf E-Autos umsteigen

Trotzdem gibt es natürlich noch Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität. So ist die Wärmeversorgung noch ein Problem, vor allem in privaten Haushalten. 30 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen stammen aus dem Gebäudebereich. Um das zu mindern, müssen Millionen Gebäude saniert und modernisiert werden – was auch nicht unerhebliche Investitionen bedeuten wird. Weitere Herausforderung ist der Verkehr: Anders als in Norwegen, wo 2025 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden, sind in Deutschland die Elektroautos noch eher rar gesät. Auch der Schwerlastverkehr dekarbonisiert nur schleppend.

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