Wirtschafts-Verbände schlagen Alarm: „Selten war die Lage so besorgniserregend“

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Mit deutlichen Worten fordern deutsche Verbände für 2025 eine wirtschaftspolitische Wende – der Zustand am Standort Deutschland sei besorgniserregend und eine „Bankrotterklärung“.

Berlin – Die neue Bundesregierung dürfte es nach der Wahl im Februar nicht so leicht haben: Zahlreiche große Branchenverbände blicken dem Wirtschaftsjahr 2025 in Deutschland skeptisch entgegen. 31 der 49 vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Befragten blickt sogar noch pessimistischer in die Zukunft als noch vor einem Jahr. Gerade einmal vier Verbände aus den Branchen Entsorgung, Versicherungen, Messen und Immobilien rechnen im kommenden Jahr mit einer besseren Wirtschaftslage.

Bürokratie, Energiekosten und politisches Chaos: „Selten war die wirtschaftliche Lage so besorgniserregend“

„Selten war die aktuelle wirtschaftliche Lage so besorgniserregend. Aus den vergangenen 100 Jahren kennen wir etliche Krisen, aber keine war so vielschichtig mit so vielen Ursachen wie die, in der wir jetzt stecken“, resümiert Michael Hüther, Direktor des IW, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Dabei seien besonders die teuren Bedingungen für Arbeit, Material und Energie ein Faktor, allerdings auch Bürokratie, die unsichere Export-Lage auf dem Weltmarkt sowie der aus dem politischen Chaos im Inland resultierenden Mangel an Investitionen. Laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) liege die Investitionsquote sechs Prozentpunkte unter dem Vor-Corona-Niveau. Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), schätzt gar, dass ein Drittel der Unternehmen 2025 plant, seine Investitionen zu reduzieren. „Das sind keine guten Aussichten für zukünftiges Wachstum“, erklärte er gegenüber Reuters.

Wirtschaftsstandort Deutschland: Das Top-Image bröckelt.
Wirtschaftsstandort Deutschland: Die Aussichten für 2025 sind noch trüber als im Vorjahr. © Rolf Vennenbernd/dpa

Zwar rechnen 29 der befragten Verbände darüber hinaus mit einer gleichbleibenden (13) beziehungsweise einer wachsenden Produktion (16). Doch 20 erwarten für 2025 einen Rückgang. In Bezug auf Stellenabbau sind sich knapp mehr als die Hälfte der Befragten sicher, dass die deutsche Wirtschaft 2025 einen branchenübergreifenden Stellenabbau erleben wird.

Automobil, Eisen- und Stahlindustrie im Blickpunkt: Verbandschefin fordert sofortige Wirtschaftswende

Besonders davon betroffen seien jene Branchen, die bereits 2024 zu kämpfen hatten, darunter die Eisen- und Stahlindustrie, die Maschinenbau sowie die Auto-Industrie. Nur in der Pharmaindustrie sowie dem Luft- und Raumfahrzeugbau oder einzelnen Dienstleistungsgewerben sehen sieben der Branchenverbände einen Zuwachs der Beschäftigten.

Den Negativtrend rund um Deutschlands Wirtschaft sieht Jandura bestätigt: „Die Großunternehmen verlagern, der Mittelstand leidet oder macht dicht. Das ist eine Bankrotterklärung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Für 2025 erwartet der BGA-Chef aufgrund deutlich zu hoher Kosten eine zunehmende Abwanderung von Industrieunternehmen ins Ausland, darunter die Branchen Chemie, Metall oder auch Maschinenbau. Auch die Verbandspräsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, sieht besonders in energieintensiven Branchen sowie dem verarbeitenden Gewerbe großen Stillstand. Beide Sektoren hätten mit „hohen Kosten und regulatorischen Hürden“ zu kämpfen. Deshalb fordert Ostermann nach der Bundestagswahl eine sofortige Wirtschaftswende.

Vertrauen in Standort Deutschland auf einem Tiefpunkt: Bitkom-Präsident rät zur „digitalpolitischen Wende“

DIHK-Präsident Peter Adrian kritisiert die Einflussnahme der Politik deutlich: „Die Unternehmen hierzulande müssen in den letzten Jahren viele neue Belastungen und zu viele staatliche Eingriffe verkraften.“ Dadurch sei das Vertrauen in den Standort auf einen Tiefpunkt gesunken. „Um Unternehmen zu halten und Investitionen anzuregen“ brauche es konkrete politische Maßnahmen, resümiert Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst. Er fordert einen „digitalpolitischen Boost“, um etwa den Abbau von Bürokratie und überbordenden Regulierungen sowie die Digitalisierung von Verwaltungen und Maßnahmen gegen den IT-Fachkräftemangel voranzubringen. Doch zu einer solchen Entwicklung gehöre auch, dass die Energiepreise künftig wieder sinken – gerade im Hinblick auf dringend benötigte Rechenzentren. Diese brauche Deutschland für eine „verlässliche und sichere digitale Infrastruktur“. (mit Material von dpa und Reuters).

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