Traditionsunternehmen stellt Ultimatum: Abkehr von Deutschland – wenn Politik nicht handelt
Der Kettensägenhersteller Stihl fordert von der Politik eine Standortreform in Deutschland bis 2030. Sollte dies nicht geschehen, erwägt das Unternehmen den Bau eines geplanten Werks in Ausland zu verlagern.
Berlin – Der Kettensägenhersteller Stihl stellt ein Ultimatum an die Politik: Bis 2030 hat sie Zeit, den Standort in Deutschland zu reformieren. Schafft sie das nicht, erwägt das baden-württembergische Familienunternehmen Investitionen im Ausland. „Wenn die Standortbedingungen in Deutschland unter der neuen Regierung besser werden, sind wir bereit, eine neue Fertigung hier in der Region aufzubauen“, erklärte Aufsichtsratschef Nikolas Stihl in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen. Eine Option hat er bereits im Sinn, und diese ist günstiger als Deutschland.

„Toxische“ Standortbedingungen: Entscheidung zu neuem Stihl-Werk in Deutschland steht bis 2030 aus
„Der deutsche Standort hat innerhalb kürzester Zeit massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Wir müssen in Deutschland dringend umdenken. Deutschland steht mit dem Rücken zur Wand“, sagt Stihl im Interview. Die zunehmenden Baukosten, die ausufernde Bürokratie und die hohen Arbeitskosten belasten den Standort und erschweren es, Investitionen zu tätigen.
Stihl hatte geplant, ein neues Werk in Ludwigsburg zu errichten, in das die Schienenfertigung aus dem Stammwerk in Waiblingen verlagert werden sollte. Wegen der „toxischen“ Standortbedingungen hat sich der Hersteller jedoch zunächst dagegen entschieden. Die Entscheidung wurde auf 2030 verschoben. Sollten sich die Standortbedingungen bis dahin nicht verbessern, werde der Hersteller in einem anderen Land investieren.
Zehn Prozent weniger pro Arbeitsstunde: Das ist für Stihl aktuell die günstigere Alternative zu Deutschland
Als Alternative zum deutschen Standort nennt Stihl die Schweiz. Trotz der höheren Löhne sei die Arbeitszeit dort länger, und die Bürokratie weniger aufwendig. Alles zusammengerechnet könne das Unternehmen so pro Arbeitsstunde etwa zehn Prozent einsparen. Vor zehn Jahren sei das noch anders gewesen. Da kostete die Arbeitsstunde in der Schweiz noch drei Prozent mehr als in Deutschland, erklärt Stihl. Seit 50 Jahren stellt das Unternehmen seine Kettensägen bereits in der Schweiz her.
„Wir investieren weiterhin deutlich in die Produktion in Deutschland“, betont Stihl. „Wir erweitern aber die Produktion nicht. Wir investieren hierzulande vor allem in Rationalisierung, also in eine weitere Automatisierung der Produktion. Schließlich steigen die Kosten am Standort derart rasant an, dass wir die Produktivität immer mehr erhöhen müssen.“
Ende letzten Jahres gab der Kettensägenhersteller bekannt, mehr als hundert Stellen streichen zu müssen. Betroffen ist vor allem die überbesetzte Verwaltung, die während der hohen Nachfrage nach Kettensägen während der Corona-Pandemie aufgestockt wurde. Der Stellenabbau soll durch eine Erweiterung des Angebots an Altersteilzeit erfolgen.