Neue Bürgergeld-Sanktionen: Wiederholung der „Fehler der Hartz-Gesetzgebung“
Die Bundesregierung plant verschärfte Sanktionen beim Bürgergeld. Für Wohlfahrtsverbände sei damit weder den Menschen, noch dem Arbeitsmarkt geholfen.
Berlin – Nicht mehr nur der Ton in der Debatte ums Bürgergeld verschärft sich. Die Bundesregierung plant härtere Sanktionen für Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfänger. Wer Termine oder zumutbare Arbeit versäumt, soll rigoroser sanktioniert werden. Das beschloss das Kabinett der Ampel-Koalition jüngst und brachte eine Gesetzesvorlage auf den Weg. Für Wohlfahrtsverbände ist dieser Schritt ein fatales Signal. Sie beklagen Symbolpolitik, die weder die Betroffenen, noch den Arbeitsmarkt voranbringe.
Sanktionen beim Bürgergeld: Nur gut für die Statistik
Der Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht unter anderem vor, nun schon bei leichten Verstößen gegen Auflagen das Bürgergeld um 30 Prozent zu senken. Wer etwa einen Termin im Jobcenter misst, bekommt das Geld gekürzt. Derzeit beträgt das durchschnittlich ausgezahlte Bürgergeld 563 Euro pro Monat. Für Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sind die abermals verschärften Sanktionspläne ein fataler Fehler.
„Die Bundesregierung plant, wirksame und notwendige Maßnahmen für die Beschäftigungsförderung dramatisch zu kürzen und das Sanktionssystem drastisch zu verschärfen. Das ist ein doppelter Irrweg. Damit treibt sie Menschen aus der Statistik, hilft ihnen aber nicht nachhaltig in Arbeit“, sagt Rock gegenüber IPPEN.MEDIA. Das eigentliche Versprechen des Bürgergelds, Menschen durch bessere Förderung und Weiterbildung in eine langfristige Arbeit zu bekommen, steht Rock zufolge auf der Kippe.
Abkehr vom Förderversprechen des Bürgergelds – Rückkehr zu Hartz IV
„Mit den geplanten Änderungen vollzieht die Bundesregierung eine Rolle rückwärts und eine Abkehr von den Zielen, für die das Bürgergeld einmal stehen sollte. Die aktuellen Pläne würden bedeuten, die Fehler der Hartz-Gesetzgebung zu wiederholen“, sagt der Geschäftsführer und verweist auf die Notwendigkeit von Förderungen der Menschen im Bürgergeld. „Gerade dort soll es zu zusätzliche Einsparungen kommen, während die Sanktions- und Prüfungsbürokratie massiv ausgebaut werden soll. Dass das Existenzminimum schon bei einfachen Meldeversäumnissen um 30 Prozent gekürzt werden kann, ist maßlos und wird die Situation der Betroffenen, ihrer Familien und Kinder erheblich spürbare verschlechtern. Damit wird kein einziges Problem gelöst, es werden viele neue geschaffen.“

Rock fordert von der Bundesregierung höhere Investitionen in Beschäftigungsförderung und „noch mehr positive Anreize“ für Weiterbildungen und, um „in existenzsichernde Erwerbsarbeit zu kommen.“ Rock kritisiert dabei auch die Debatte rund ums Bürgergeld, die in den letzten Wochen vermehrt Neiddebatten hervorrief. „Das muss der Fokus auch für die Jobcenter sein. Die Kürzung der Karenzzeiten und die Einführung zusätzlicher Sanktionen lenkt davon ab. So zu tun, als ob die Menschen im Leistungsbezug nicht arbeiten wollten, ist irreführen und falsch.“
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Sozialverband: Bundesregierung widerspricht eigenem Ziel
Ebenfalls kritisch sieht Michaela Engelmeier die Pläne der Bundesregierung. Engelmeier ist Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD) und verweist gegenüber IPPEN.MEDIA ähnlich wie Rock auf die Grundidee hinter dem Bürgergeld. Es „sollte Leistungsbeziehende entstigmatisieren und durch Förderung in den Arbeitsmarkt integrieren – derzeit wird jedoch fast ausschließlich über Sanktionen gesprochen, was diesem Ziel widerspricht.“
Engelmeier beklagt Unwahrheiten in der Debatte ums Bürgergeld: „Die Behauptung, viele Bürgergeldbezieher würden sich der Arbeit verweigern, ist schlichtweg falsch. Nur ein verschwindend geringer Teil fällt durch Versäumnisse auf, wie auch unsere SoVD-Sozialberatungsstellen bestätigen.“
Totalverweigerer beim Bürgergeld unter einem Prozent
Statt auf nachhaltige Ergebnisse zu setzen, rücken der SoVD-Vorsitzenden zufolge damit „scheinbar schnelle Erfolge und Statistiken in den Vordergrund“. Engelmeier plädiert, auf die Zahlen zu blicken: „Regeln sind wichtig, um Missbrauch zu verhindern, aber der Anteil der ‚Totalverweigerer‘ liegt unter einem Prozent. Deshalb brauchen wir keine schärferen Sanktionen, sondern eine bessere finanzielle Ausstattung der Jobcenter für effektive Betreuung und Weiterbildung.“
Die Sozialverbands-Vorsitzende fordert bessere Rahmenbedingungen für Angestellte in Jobcentern und, „an der ursprünglichen Zielsetzung des Bürgergeldes festzuhalten, um Entstigmatisierung, Förderung und langfristige Integration in den Arbeitsmarkt zu gewährleisten.“