„Autoritär und undemokratisch“: Ex-Schriftführer verlässt AfD Miesbach

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Gabriel Sack ist aus der AfD Miesbach ausgetreten. © THOMAS PLETTENBERG

Gabriel Sack trat nach 20 Monaten aus der AfD aus. Der Grund: Die Partei dulde Rechtsextremismus, Homophobie und Antisemitismus.

Miesbach/Landkreis – Der Kreisverband der AfD ist eine stille Vereinigung, von der kaum etwas in die Öffentlichkeit dringt. Bei dieser Personalie ist das anders: Schriftführer Gabriel Sack (31) aus Miesbach hat Ende November sein Amt niedergelegt und ist aus der Partei ausgetreten. Der Grund: Er musste feststellen, dass die Kritik an der AfD gerade hinsichtlich Rechtsextremismus, Homophobie, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit zu einem großen Teil stimme. Im Interview spricht er über die AfD im Landkreis und das zentrale Problem auf Bundesebene.

Herr Sack, Sie haben Ihr Amt niedergelegt, sind ausgetreten. Was ist passiert?

Ich habe festgestellt, dass vieles stimmt, was Verfassungsschutz und Politikwissenschaftler über die AfD sagen. Dabei ist nicht das Programm das Problem, sondern dass ein großer Teil der Mitglieder Rechtsextremismus und Homophobie, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit duldet. Es sind Sachen vorgefallen, die die eigene Satzung innerparteilich brechen. Und ich sollte mundtot gemacht werden.

Inwiefern?

Auslöser war die niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete Vanessa Behrendt. Sie hat auf Instagram einen verachtenden Beitrag über ein schwules Paar veröffentlicht, das ein Kind hat. Diese Elternrolle hat sie sehr negativ kommentiert. In der Folge habe ich für den Kreisverband Miesbach Stellung dagegen bezogen. Daraufhin gab es eine Frage zu meinem Post – wie man gegen Leute vorgehen soll, die Hetze verbreiten. Ich habe generell geantwortet, dass ein Parteiausschlussverfahren angemessen wäre.

Und dann?

Dann hat sich der Landesverband Schleswig-Holstein bei unserem Kreisverband gemeldet, und unser Vorstand hat mich in unserer Gruppe diskreditiert. Er forderte die Löschung des Posts und untersagte mir weitere, wenn ich diese nicht vorher mit ihm abspreche. Auch sollte ich die Login-Daten herausgeben – ohne Beschluss. Er hat dann einen Umlaufbeschluss gestartet, und alle haben zugestimmt. Das war sehr autoritär und undemokratisch. Auch wurde im Nachgang die Löschung des von mir angelegten Accounts beantragt. Der ist jetzt gelöscht.

Hat Sie das überrascht?

Ich hätte nicht gedacht, dass der rechte Flügel um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke so einflussreich ist. Gegen den Flügel darf man nichts sagen. Der Flügel beherrscht den Großteil der Partei. Und wer gegen ihn redet, wird schnell attackiert. Aber es sind einige Punkte, die mir als Demokrat nicht gefallen haben. Die AfD versucht, möglichst viele Mitglieder zu bekommen. Da schaut man nicht so genau hin, wer kommt. Ein Anhänger der Partei hat im Kreisverband einmal sogar mit „Sieg Heil“ gegrüßt – und nichts ist passiert. Die Kreisverbände mögen autonom sein. Das gilt aber nicht, wenn es um den Flügel geht.

Sie sagen, Sie sind Demokrat. Und Sie kannten die öffentlichen Vorbehalte gegen die AfD. Wieso wurden Sie AfD-Mitglied?

Ich habe die AfD immer wegen des Grundsatzprogramms verteidigt. Aber das ist für einige nur Fassade, um Leute zu fangen. Ich habe anfangs geglaubt, die anderen Parteien wollen nur gezielt ihre Macht gegen die AfD verteidigen. Es gibt auch Demokraten bei der AfD – wie den Landtagsabgeordneten Ingo Hahn und Jurij Kofner im Kreisverband. Aber das sind weniger als die Hälfte. Ich habe die AfD schon gewählt, bevor ich im März 2024 meinen Mitgliedsantrag abgegeben habe. Ich bin im Kreisverband schnell in Positionen gekommen, weil ich reden kann. Heute weiß ich: Der Flügel in der AfD will nur die Demokratie untergraben. Deshalb muss die Brandmauer so lange bleiben, bis dieser extreme Teil die Partei nicht mehr dominiert.

Welche AfD-Positionen haben Sie angesprochen?

Ich war Euro-kritisch, EU-kritisch, habe damals die Massenmigration nicht befürwortet und auch nicht das Soziale wie Steuer-, Renten- und Familienpolitik. Und ich habe vor allem Kanzlerin Angela Merkel nicht vertraut. Das war der Grund, warum die Union für mich keine Anlaufstelle war – zumal ich fand, dass die auf Bayern begrenzte CSU zu klein war. Aber eigentlich bin ich ein wertkonservativer Mensch und Christ. Und ich bin ganz klar gegen Antisemitismus.

Hatten Sie Pläne für die Kommunalwahlen 2026?

Eigentlich wollte ich auf die Liste für den Miesbacher Stadtrat. Aber das ist jetzt hinfällig. Wobei ich mir eine Mitarbeit bei der CSU durchaus vorstellen kann. Einen Mitgliedsantrag habe ich schon ausgefüllt.

2024 standen Sie vor Gericht wegen Volksverhetzung.

Das stimmt, aber ich wurde freigesprochen. Aber durch dieses Thema ist meine Loyalität zur AfD größer geworden. Die Partei hat mich damals unterstützt, mir rechtliche Unterstützung vermittelt. Dafür bleibe ich auch dankbar. Aber ich muss zugeben: Ich habe in der Folge zu sehr weggesehen und weggehört.

Und Sie waren als Schriftführer Sprachrohr der AfD.

Mein Ziel war es, Positives im Sinne des Grundsatzprogramms zu bewirken. Aber jetzt, nach 20 Monaten Mitarbeit, kann ich nicht mehr dahinterstehen. Im Gegenteil: Ich will aufklären, wie Teile der AfD arbeiten. Deshalb musste ich jetzt, auch wenn es nicht leicht war, die Partei verlassen. Das soll kein Nachtreten sein. Es gibt gute Leute bei der AfD, nur müssen diese endlich zusammenstehen und dem Flügel die Stirn bieten. Sonst kann die AfD nie in eine Regierungsverantwortung. So lange braucht es auch die Brandmauer.

AfD plant Listen für Kreistag und Tegernsee

AfD-Kreisvorsitzender Thomas Widmann wollte sich auf Nachfrage unserer Zeitung zum Parteiaustritt von Gabriel Sack nicht äußern und verwies auf Interna. Nur so viel: Sack habe sich „Dinge geleistet“ und dafür eine „Rüge vom Bezirksvorstand“ erhalten. „Das hat er nicht verkraftet.“ Insgesamt habe sich Sack „parteischädigend geäußert“. Die Posts im Namen des Kreisverbands habe er im Alleingang gemacht. „Jetzt tritt er nach.“

Der AfD-Kreisverband mit seinen knapp 50 Mitgliedern will laut Widmann eine Liste für den Kreistag aufstellen. Auch in der Stadt Tegernsee will die AfD antreten. Nominiert werde am Sonntag, 14. Dezember, in Miesbach.