Die promovierten Chirurgen Thomas und Martin von Ahnen arbeiten als Zwillinge am selben Krankenhaus. Wie sie Verwechslungen vermeiden und warum Farben dabei helfen.
Sie haben nicht nur den gleichen Beruf und Arbeitgeber, sondern sehen auch sehr, sehr ähnlich aus: Die promovierten Viszeralchirurgen und Oberärzte am Krankenhaus Agatharied, Thomas und Martin von Ahnen sind Zwillinge. Wir sprachen mit den beiden 41-Jährigen, die mit ihren Familien in Miesbach leben, über ihren Klinik-Alltag im Doppelpack.
Zunächst mal: Wer ist wer?
Thomas von Ahnen: Ich bin der mit den blauen Klamotten, mein Bruder der mit den grünen. Das haben wir vor 15 Jahren als Unterscheidungsmerkmal eingeführt. Wobei unser Team so familiär und konstant ist, dass unsere Kollegen uns ohnehin nicht verwechseln.
Martin von Ahnen: Die erkennen uns sogar am Telefon. Trotz der optischen Ähnlichkeit gibt es ja Unterschiede.
Welche?
Thomas von Ahnen: Mein Bruder ist der Entschlossenere von uns beiden. Martin arbeitet sehr zielstrebig und mit beeindruckender Schnelligkeit. Ich arbeite etwas ruhiger, das ist mir besonders wichtig. Am Ende zählt für uns beide dasselbe: höchste Präzision und die Sicherheit der Patienten. Übrigens gibt es auch im Privatleben keine Verwechslungen: Für unsere Kinder ist völlig klar, wer ihr Papa ist.
Wie unterscheiden Ihre Patienten Sie?
Thomas von Ahnen: Wir kommunizieren das von vornherein. Wir sagen beispielsweise bei der Visite: Morgen übernimmt mein Bruder, der sieht genauso aus wie ich.
Martin von Ahnen: Wobei viele Patienten schon wissen, dass es uns gibt, bevor sie kommen. Die haben das auf der Website gesehen oder vom Hausarzt gesagt bekommen.
Thomas von Ahnen: Im Studium war das anders. Da hat die Uni bei der Gruppeneinteilung nach der Immatrikulation tatsächlich die elektronische Akte meines Bruders mit der meinigen überschrieben. Die kamen überhaupt nicht auf die Idee, dass es sich um Zwillinge handeln könnte. Martin von Ahnen: Ein Viertel Jahr war ich deshalb ein Geister-Student (lacht). Als später klar war, dass wir Zwillinge sind, wurden unsere Prüfungstermine überlappend angesetzt, damit nicht einer zwei Mal zur Prüfung gehen kann. Thomas von Ahnen: Ich erinnere mich noch an die Musterung. Da stand auf der Akte: Achtung Zwilling! Das fand ich schon ein bisschen stigmatisierend. Aber die Bundeswehr hatte wohl auch die Sorge, der eine könnte sich als der andere ausgeben.
Sie haben sogar den gleichen Arbeitgeber. Wie kam das?
Thomas von Ahnen: Wir stammen aus Miesbach, und so haben wir beide während des Studiums ein Praktikum hier im Krankenhaus absolviert. Unser Chef hat uns sehr begeistert. Auch die Pflegeleitung der Station und die gesamte Atmosphäre fanden wir toll. Wir haben natürlich auch in anderen Häusern Erfahrung gesammelt. Aber nirgendwo hat es so gut gepasst, wie hier. Martin von Ahnen: Glücklicherweise gab es zum Zeitpunkt unserer Bewerbung zwei freie Stellen, sodass wir nicht miteinander konkurrieren mussten.
Thomas von Ahnen: Trotzdem muss man sich das gut überlegen. Der Umgang mit Kollegen ist sachlicher, als mit dem Bruder. Gerade, wenn man dann doch mal anderer Meinung ist (lacht).
Wie lösen Sie das?
Thomas von Ahnen: Am Ende hat der Recht, der an dem Tag Dienst hat. Durch diese Regel haben wir unser Konfliktpotenzial deutlich reduziert. Bei Operationen haben wir ohnehin andere Schwerpunkte. Die proktologischen Operationen macht mein Bruder, Leisten- oder Nabelbrüche mache ich lieber. In der Onkologie haben wir aber auch einen gemeinsamen Schwerpunkt.
Hat es auch Vorteile, wenn man so vertraut ist?
Martin von Ahnen: Klar! Wenn ich zum Beispiel eine fachliche Frage habe, kann ich meinen Bruder auch nachts um zwei Uhr oder im Urlaub anrufen. Die Hemmschwelle ist da niedriger. Thomas von Ahnen: Zum Leidwesen der Ehefrauen (lacht). Wir fahren auch einmal im Monat gemeinsam Notarzt. Da ist es besonders von Vorteil, dass wir so gut eingespielt sind. Denn im Rettungsdienst ist das Team viel variabler, als im Krankenhaus. Wobei es bei notärztlichen Einsätzen vorkommen kann, dass wir als Zwillinge verstörend auf Patienten wirken. Insbesondere im Moment der Narkose oder wenn jemand an einer Psychose leidet. Das kann Patienten dann richtig durcheinander würfeln. Aber in der Regel bringt die Routine, die wir in den vergangenen zehn Jahren beim Notarztfahren entwickelt haben, viel Ruhe rein. Wir müssen bei kritischen Fällen nicht erst besprechen, wer sich um die Beatmung und den Kreislauf kümmert.
Martin von Ahnen: Telepathie funktioniert allerdings nicht (lacht).
Man sagt, die Geschwisterrivalität sei bei Zwillingen oft ausgeprägter...
Thomas von Ahnen: Das ist bei uns nicht so. Wir freuen uns, wenn der andere was erreicht. Wir sind als Team durch Schul- und Studienzeit gegangen.
Wer hatte das bessere Examen?
Martin von Ahnen: (an seinen Bruder gerichtet) Da war nicht viel Unterschied, oder? Ich war mündlich ein bisschen besser als du.
Thomas von Ahnen: Im Schriftlichen waren wir ziemlich gleich auf, weil wir uns gemeinsam vorbereitet haben. Im Mündlichen hattest du den entspannteren Prüfer.
Martin von Ahnen: Das weißt Du doch gar nicht, du warst doch nicht dabei!
Thomas von Ahnen: Na gut, dann ist das halt so.
Waren Sie je über längere Zeit getrennt?
Martin von Ahnen: (an seinen Bruder gewandt): Du kennst Deine Frau schon länger, als ich meine. In der Zeit haben wir vielleicht weniger gemeinsam unternommen. Wir haben auch mal ein paar Monate unterschiedliche Praktika gemacht. Aber über längere Zeit getrennt, das gab es nicht.
Thomas von Ahnen: Vielleicht fehlt uns da was, Martin?