Bürgergeld sollte abgeschafft werden – Das ist die gerechtere Lösung

Der Staat muss handeln. Das wissen alle, daher wurde Rot-Grün abgeschafft und Schwarz gewählt. Allerdings ist die neue Regierung mit dem Erbe der rot-grünen Koalition belastet und sitzt zudem mit einer zu einflussreichen SPD auf der Regierungsbank. 

Nicht nur die Erhöhung der Lebensarbeitszeit, um die Einnahmenseite zu verbessern, wie von Bundeswirtschaftsministerin Katerina Reiche und vielen Stimmen aus Wirtschaft und Bevölkerung gefordert, ist notwendig, sondern auch eine Reform der Ausgabenseite des Sozialstaates. Das Bürgergeld wurde viel diskutiert und ist für die Gesellschaft, Wirtschaft und den Sozialstaat äußerst schädlich.

Wer arbeitet, ist der Dumme

Die soziale Idee hinter dem Bürgergeld mag einst ehrenwert gewesen sein. Wer arbeitet, ist der Dumme. Das offensichtlich konzeptionell nicht eingepreiste Anreizproblem des Bürgergelds 
In der Praxis ist ein System entstanden, das Arbeit entwertet und Stillstand belohnt. Ein Rechenbeispiel macht das deutlich. Ein Alleinstehender ohne Einkommen erhält ohne Zulagen etwa 563 Euro monatlich zur Deckung des Grundbedarfs. Hinzu kommen Wohnkostenübernahmen, Zuschläge und Sachleistungen. Insgesamt liegt die staatliche Leistung somit oft bei 900 bis 1100 Euro pro Monat. Wer keinen Anspruch auf Bürgergeld hat.

Christian Hansen ist Rechtsanwalt in München. Er ist Gründungspartner der Kanzlei Steinpichler, die sich auf Wirtschaftsrecht spezialisiert hat.

Entscheidet sich dieselbe Person, einen Vollzeitjob zum Mindestlohn anzunehmen, was etwa 1370 Euro netto pro Monat bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden entspricht, bleiben nach Wegfall staatlicher Leistungen oft nur 200 bis 400 Euro zusätzlich. Eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) zeigt anhand realistischer Haushaltsrechnungen, dass Vollzeitjobs zum Mindestlohn bis zu 500 Euro zusätzlich pro Monat bringen. Somit gibt es zumindest theoretisch ein höheres Einkommen als beim Bezug von Bürgergeld, unabhängig vom Haushaltstyp und den regionalen Mietkosten.

Mehrverdienst von 3 bis 5 Euro zu wenig

Das entspricht einem effektiven Mehrverdienst von lediglich 3 bis 5 Euro pro Arbeitsstunde. Die Studie lässt jedoch außer Acht, dass die betroffene Person täglich acht Stunden arbeiten, Kleidung benötigen, sich organisieren, pünktlich erscheinen, sich einordnen und Verantwortung tragen muss. Und eben keine bezahlte Freizeit mehr hat. 

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat dieses Phänomen wiederholt kritisiert. In seinem Gutachten vom 21. Februar 2023 warnt er, das Bürgergeld setze „zu geringe Arbeitsanreize“, insbesondere für Menschen mit geringer Qualifikation. 

Bürgergeld als Wachstumshelfer für Schattenwirtschaft

Ein weiteres Problem ist das Nebeneinander von Transferbezug und Schwarzarbeit. Zwar belegen Studien, wie die des IDW, dass Schwarzarbeit häufiger im Umfeld von mittleren und höheren Einkommen stattfindet. Gerade im Bereich haushaltsnaher Dienstleistungen und in der Gastronomie ist jedoch der Anreiz für Bürgergeldempfänger groß, „privat aufzubessern“.

Diese „graue Parallelwelt“, in der das Bürgergeld als Sockeleinkommen dient und durch steuerfreie Nebenjobs ergänzt wird, richtet nicht nur einen Steuerschaden und Verluste auf der Einnahmenseite an, sondern schadet auch der „normalen“ Beschäftigungswelt. Sie ist vor allem auch moralisch: Für die „Normalverdiener“ wird sichtbar, dass diejenigen, die sich regelkonform verhalten, gegen das System verlieren. Und der Staat verliert das Vertrauen seiner immer weniger werdenden Leistungsträger.

Bereits in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren wurden mit dem Mainzer Modell und dem Hamburger Modell erste Kombilohnprojekte erprobt. Doch die Ergebnisse fielen ernüchternd aus. Mitnahmeeffekte, geringe Nachhaltigkeit und komplizierte Förderstrukturen verhinderten echte Durchbrüche. Dieser Befund wird durch Studien des IAB und des Bundestages bestätigt.

Kombilohnprojekte nicht zielführend

Eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2003 kommt zu dem Ergebnis, dass die Förderung niedriger Einkommen über Kombilohnprojekte nur zu einem minimalen Anstieg der Erwerbsbeteiligung führt. Gleichzeitig entfalten solche Programme Mitnahmeeffekte und verursachen hohe fiskalische Kosten. 

Auch die Hans-Böckler-Stiftung warnt in ihrem Böckler Impuls „Schlecht kombiniert“ ausdrücklich: Kombilöhne können dazu führen, dass Unternehmen das System der Grundsicherung nutzen, um Löhne zu drücken, da der Staat die Löhne ohnehin aufstockt. Der Anreiz zur Weiterbildung und Qualifikation wird so systematisch geschwächt. 

Der Anreiz zur dringend erforderlichen weiteren Qualifikation sinkt. Leistung lohnt sich nicht. Das ist das klare Signal sowohl des Bürgergeldes als auch des Kombilohns. 

Über den großen Teich geschaut: Die negative Einkommensteuer...

Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist ein Modell, das einfach, gerecht und leistungsfreundlich ist: die negative Einkommensteuer. Ursprünglich von Milton Friedman konzipiert, wurde sie in den USA in Form des „Earned Income Tax Credit“ (EITC) eingeführt – mit großem Erfolg. Wer arbeitet, erhält automatisch über die Steuerveranlagung eine staatliche Gutschrift, sofern das Einkommen unter einer bestimmten Schwelle liegt.

In Deutschland wurde das Modell der negativen Einkommensteuer bisher vor allem theoretisch diskutiert. Das Prinzip ist fair und einfach: Wer nichts verdient, erhält eine staatliche Zahlung, aber jede zusätzliche Arbeitsstunde erhöht das Gesamteinkommen. So entsteht ein kontinuierlicher Anreiz zur Erwerbstätigkeit. Kein Leistungssprung, kein Transferentzug, keine Bürokratie.

...ersetzt das Bürgergeld

Besonders charmant: Die dafür nötige Infrastruktur existiert bereits. Die Finanzämter könnten die Berechnung und Auszahlung im Rahmen der Lohnsteuerabrechnungen über die Arbeitgeber übernehmen. Falsche Angaben würden dann auch als Steuervergehen strafrechtlich verfolgt. Es entstünde keine neue Behörde und auch keine neue Grauzone.

Die negative Einkommensteuer ersetzt das Bürgergeld, nicht jedoch die Sozialhilfe und das Arbeitslosengeld. Es handelt sich um sinnvolle Einzelunterstützungen. Leistungen wie das an reale Mietkosten angepasste Wohngeld oder die Kindergrundsicherung können erhalten bleiben und sogar in das System der negativen Einkommensteuer integriert werden. So entsteht ein transparentes, gerechtes und leistungsfreundliches Transfersystem.

An eigenen Ambitionen gescheitert

Das Bürgergeld war ein gut gemeinter Versuch, das Sozialstaatsprinzip zu modernisieren und die Trennung von Sozialhilfe und ALG I/II aufzuheben. Es ist jedoch an seinen eigenen Ambitionen gescheitert. Wer Gerechtigkeit will, muss Arbeit belohnen und nicht Untätigkeit alimentieren. Die negative Einkommensteuer bietet genau das: einen klaren, kontinuierlichen Anreiz zur Erwerbstätigkeit. 

Besonders bemerkenswert ist die begriffliche Entwicklung: Der Ausdruck „Bürgergeld” war lange ein liberales Schlagwort der FDP. Damit war ein steuerliches Modell gemeint, das dem Prinzip der Negativen Einkommensteuer entspricht – ein radikal vereinfachtes Transfersystem, das alle Sozialleistungen bündeln und über das Finanzamt abwickeln sollte. 

„Bürgergeld” lediglich Weiterentwicklung von Hartz IV

Mit dem von der Ampel-Koalition eingeführten Bürgergeld hat dieses Konzept jedoch nichts zu tun. Heute bezeichnet „Bürgergeld” lediglich die Weiterentwicklung von Hartz IV: eine Sozialleistung für Arbeitsuchende, die durch Jobcenter mit höheren Regelsätzen und milderen Sanktionen verwaltet wird. Der schöne Name kaschiert somit vor allem eines: dass die eigentliche liberale Idee eines transparenten und leistungsfreundlichen Bürgergelds bislang unversucht geblieben ist.

Was fehlt, ist der politische Wille zu einer Maßnahme, die bei den Wählern der Sozialdemokraten sicher nicht gut ankäme. Der Staat wird also von einer Minderheit gezwungen, zugunsten von 15 Prozent der Wahlberechtigten (Anteil der SPD-Wähler) Milliarden nicht zu investieren, sondern zu verschenken, wodurch ihm Stück für Stück die Zukunft entzogen wird.