Countdown für neue "Grundsicherung": Womit Bürgergeld-Empfänger rechnen müssen

Die Spitzen von CDU und SPD hoffen, am Mittwochabend endlich eine Einigung in Sachen Bürgergeld-Reform zu erzielen. Ab 17 Uhr tagt der Koalitionsausschuss beider Parteien. Die Unstimmigkeiten zwischen den Hauptverhandlern, der Arbeitsministerin Bärbel Bas und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, sollen dort beigelegt werden. 

Koalitionskrach: SPD mit Abwicklung des Bürgergelds unzufrieden

Erst nach einer Einigung im Koalitionsausschuss kann das Vorhaben im Bundeskabinett und danach im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Momentan ist das Bundesarbeitsministerium von Bärbel Bas beauftragt, einen Entwurf für die Verhandlungen zu erarbeiten. Dessen Eckpunkte seien bereits auf höchster Ebene zwischen CDU und SPD abgestimmt worden. Nach Informationen von FOCUS online lag bei den Verhandlern bis Ende vergangener Woche noch kein Referentenentwurf des Ministeriums vor.

Die Zeit drängt: Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Interview auf n-tv eine erste Einigung noch in dieser Woche angekündigt. Möglicherweise gebe es noch einige Nacharbeiten in der kommenden Woche. Dafür müssten die beiden Bundestagsfraktionen noch einbezogen werden. „Spätestens nächste Woche“ stehe die neue "Grundsicherung". So soll das Bürgergeld künftig heißen. Unklar ist, wie die bisherige Grundsicherung in das System implementiert wird.

Doch vor allem die SPD-Fraktion sei mit den Plänen nicht einverstanden, heißt es aus Verhandlungskreisen. "Ich hätte mir schon vorstellen können, dass wir manche Entscheidungen früher getroffen hätten", sagte Merz am Sonntag bei n-tv. Schon jetzt ist klar, dass sich das Gesetzgebungsverfahren bis in den Winter hinzieht.

Bürgergeld-Reform: Diese Punkte sind bisher bekannt

Ein paar Eckpunkte, wie die neue Grundsicherung aussehen soll, kursieren aber bereits. Wer wiederholt nicht im Jobcenter erscheint oder ein zumutbares Arbeitsangebot ablehnt, wird sich auf ein deutlich strengere Regeln einstellen müssen. Das soll in Zukunft häufiger bis zum völligen Entzug des Bürgergelds gehen. Das berichtet der Dienst Table Media.

Bisher hatte das Bundesverfassungsgericht die kompletten Sanktionen nur in Ausnahmesituationen zugelassen. Die Hürden waren dementsprechend zu hoch. Von März 2024 bis heute wurde nur bei einer geringen zweistelligen Anzahl von Bürgergeldempfängern die Leistung komplett gestrichen. Ansonsten bleib Leistungsminderung bisher bei 30 Prozent gedeckelt. Das geht aus Unterlagen des Bundesrechnungshofs hervor, die FOCUS online vorliegen.   

Auf schnellere und komplette Kürzungen bei Verweigerern will sich die SPD nun doch einlassen. Die Kosten der Unterkunft, ebenfalls ein finanziell erheblicher Posten, sollen von Sanktionen unberührt bleiben.

Die neue Grundsicherung wird außerdem nicht erhöht: Für einen Single bleibt die Leistung bei 563 Euro wie bisher und wird auch 2026 nicht steigen. Der Staat übernimmt darüber hinaus die Miete und die Heizkosten, allerdings nur bis zu einer gewissen Höhe, die je nach Wohnort unterschiedlich ist.

Neue "Grundsicherung": Das ändert sich bei der Wohnung

Das sogenannte Schonvermögen eines Leistungsempfängers soll von 15.000 Euro herabgesetzt werden. Bisher gilt: Wer ins Bürgergeld rutscht und noch Geld auf dem Sparkonto hat, muss dieses Geld nicht für den Lebensunterhalt ausgeben und kann es behalten. Die Obergrenze liegt bisher bei 15.000 Euro pro Person. Sie soll nun heruntergeschraubt werden. Auf welchen Betrag ist unklar.

Künftig soll außerdem gelten: Wer als Empfänger der neuen Grundsicherung eine Miete zahlt, die über der amtlichen Obergrenze liegt, bekommt nur noch ein halbes Jahr bekommen, um eine günstigere Wohnung zu suchen. Noch gilt die Bürgergeld-Regel, womit Empfänger ein Jahr Zeit haben.  

CDU und SPD planen künftig, dass Leistungsempfänger jede zumutbare Arbeit annehmen müssen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Bisher galt beim Bürgergeld ein Qualifizierungsvorrang. Die Menschen sollten sich erst qualifizieren und dann auf neue Jobs bewerben. Künftig soll genau das wegfallen. Bei der geplanten neuen Grundsicherung soll ein Vermittlungsvorgang gelten, der Leistungsempfänger wieder schnell in die Jobs bringt.

Der unabhängige wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums wird am Donnerstag einen Bericht vorstellen, in dem er einige Bestandteile der neuen Grundsicherung bewertet. Darin kritisiert er laut der SZ beispielsweise den Vermittlungsvorrang. Es lohne sich, mit Qualifikationsmaßnahmen in Arbeitslose zu investieren. Das sei sinnvoller, als sie in den erstbesten Job zu zwingen. Der Beirat kommt auch zu dem Schluss, dass harte Sanktionen zwar sinnvoll seien. Diese bewirken demnach aber ebenso, dass Empfänger das Jobcenter aus Angst eher meiden würden. 

Die Reform sollte allen betroffenen Ministerien weggenommen werden, schlägt der Beirat vor. Denn damit würden die Eigeninteressen der Häuser keine Rolle mehr spielen. Die Federführung sollte stattdessen an „eine neutrale Stelle“ übergehen,