Hanni Münzers „Honigstaat“: Eine Reise durch die braune Ära
Hanni Münzer erweitert ihr „Hanni-Versum“ mit „Honigstaat“. Die Geschichte führt die Leser durch die Anfänge des Dritten Reichs, verwebt dabei Fiktion und Geschichte.
Wolfratshausen – Auf Honigtot (und Marlene) folgten im Herbst 2023 Honigland und jetzt ganz frisch Honigstaat. Das „Hanni-Versum“ von Erfolgsautorin Hanni Münzer ist damit um 574 Seiten angewachsen und löst endlich die Spannung, die im ersten Band der zweiteiligen Saga mit einem dramatischen Cliffhanger endete. Der präzise recherchierte Zweiteiler um die ungleichen Freundinnen Marguerite „Daisy“ von Tessendorf und Küchenmädchen Hermine „Mitzi“ Gotzlow nimmt ordentlich Fahrt auf, gleicht zwischenzeitlich eher einem Spionagethriller als einem historischen Roman, und er versteht es, Emotionen zu wecken. Die Wolfratshauser Spiegel-Bestseller-Autorin lässt gekonnt fiktive und echte Personen der Zeitgeschichte miteinander agieren und meistert mit ihrem mitreißenden Erzähltalent wieder einmal die Kunst, dass sich der Roman flüssig lesen lässt, obwohl das Sujet alles andere als einfach ist.
Pageturner bis zur letzten Seite
Wem die Protagonistinnen bereits im ersten Teil ans Herz gewachsen sind, der fiebert wieder bis zur letzten Seite mit. Die Ereignisse, die sich auf dem fiktiven Pommerschen Gut Tessendorf sowie in Berlin, Paris und Rom zu Beginn der braunen Ära abspielen, machen das Buch zu einem Page-Turner. Die junge und unangepasste Daisy baut sich ein unabhängiges Leben auf und arbeitet als Assistentin für Hitlers Architekt Albert Speer, mitten im innersten Schaltkreis der Macht. Als Daisy dem brillant-charmanten Henry Prudhomme Roper-Bellows begegnet – der sich als britischer Spion entpuppt –, erkennt sie ihre wahre Bestimmung. Unterstützt wird sie von ihrer französischen Mutter Yvette, die selbst ein Geheimnis hütet.
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Sorgenvoller Blick auf die aktuelle Situation
Den Zeitrahmen hat die Autorin bewusst auf den Beginn der nationalsozialistischen Ära gelegt: „Wir wissen alle, wie das Dritte Reich geendet hat. Aber mich bewegt, wo es seinen Anfang nahm. An welchem Punkt hätte es noch aufgehalten werden können?“ Dieses Frühstadium des rechten Diktats sieht sie mit sorgenvollem Blick auf die aktuelle politische Situation. Diesbezüglich zitiert sie in Kapitel 16 Marcus Aurelius: „Das Ziel im Leben ist nicht, aufseiten der Mehrheit zu stehen, sondern aus den Reihen der Wahnsinnigen auszubrechen.“ Und meint damit: „Wir brauchen mehr Zivilcourage, um den Mund aufzumachen, damit wir nicht wieder als schweigende Mehrheit enden und uns schlussendlich vor den falschen Karren spannen lassen.“
Es ist inzwischen wohl Hanni Münzers Markenzeichen, dass jedem Kapitel ein Zitat vorangestellt ist. Und auch hier mischt sie, wie in einem Großteil ihrer Romane, munter historische und erfundene Figuren als Zitatgeber. So bemerkt beispielsweise Zsa Zsa Gabor vor Kapitel 2: „Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf zu nehmen.“ Adolf Hitler wird vor Kapitel 8 zitiert mit „Gebt mir vier Jahre Zeit, und ihr werdet Deutschland nicht wiedererkennen.“ Daisys kauziger Onkel Waldo von Tessendorf tönt: „Dummheit ist keine Meinung.“
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Münzer sammelt Zitate auch aus der Heimatzeitung
Jedes Zitat schwingt im nachfolgenden Kapitel mit, und die Auswahl erfolgt seitens der „Meisterin der Zitate“ aus einem reichen Fundus. „Zitate sammle ich schon, solange ich denken kann“, verrät sie im Gespräch, und freut sich unter anderem bei der täglichen Zeitungslektüre über die Seite 2 unserer Zeitung, auf der es auch immer wieder mal ein Zitat in ihre „Schatzkammer“ schafft. Ebenso lesenswert ist in Honigstaat am Ende ihr Interview mit Dominik von Ribbentrop, Enkel von Joachim von Ribbentrop, der unter Adolf Hitler Außenminister war und als Architekt des geheimen Hitler-Stalin-Pakts von 1939 in die Zeitgeschichte eingegangen ist. Auch er spielt in Honigstaat eine Rolle. Hier spürt man wieder einmal, wie akribisch Münzer die historischen Fakten recherchiert, bevor sie sie in ihrem Roman zu einer lesenswerten Geschichte verwebt. Honigstaat ist als Klappenbroschur bei Piper erschienen und kostet 17 Euro.