Das lange Warten des Thomas Krauß
Thomas Krauß berichtet Füssener Mittelschülern bei einer Infoveranstaltung zum Thema „Organspende“ über sein Leben als Herzpatient.
Füssen – Dass sie zu einer Abrundung des Info-Vormittags „Organspende“ als Interviewpartner der Fernsehjournalistin Zoe Wiesner ein kurzes Statement abgeben konnten, war für die Jugendlichen der Mittelschule der Höhepunkt von „Leben 2.0“. Das ambitionierte Veranstaltungsprojekt entstand nach der Idee von Kathrin Neubauer, die als Intensiv-Krankenschwester in Kaufbeuren arbeitet. Bei Besuchen in Schulen verfolgt sie gemeinsam mit Fachärzten und Patienten das Ziel, Zuhörer zum Nachdenken anzuregen.
Im voll besetzten Musikzimmer der Grundschule – die Mittelschule ist bekanntlich im Bau – schickte Neubauer voraus: „Uns geht es nicht darum, euch zu überreden, dass ihr Organspender werden sollt. Lasst die Vorträge auf euch einwirken, denkt nach und redet mit der Familie oder mit euren Freunden über das Thema.“
Die Frage „Organspende – ja oder nein?“, betonte die Referentin, solle nicht erst in schwierigen Lagen auf einer Intensivstation aufkommen. „Wir wollen auch junge Menschen darauf aufmerksam machen.“
Unterstützung bei ihren Vorträgen in Allgäuer Schulen bekommt Kathrin Neubauer von Thomas Krauß. Der 47-Jährige Maschinenbau-Techniker aus Kammlach, der wieder in Teilzeit arbeiten kann, wartet bereits seit fünf Jahren auf ein Spenderherz. Ein Kunstherz hält ihn derzeit am Leben, sein eigenes hat nach einer verschleppten Bronchitis und einer Herzmuskelentzündung nicht mehr die Kraft dafür.
In freier Rede berichtete er den Jugendlichen, dass er 36 Jahre alt war, als die Leistung des eigenen Herzens immer schlechter wurde. Erstickungsanfälle, Herz-Rhythmus-Störungen, Herzkammerflimmern und plötzliches Organversagen machten ihn zu einem schwerkranken Menschen. „2018 war mir dann klar: so geht es nicht weiter. Ich brauche ein neues Herz.“
Warten auf den Anruf
Was ihm inzwischen im Alltag hilft, demonstrierte er ganz offen: Von einer kleinen Tragetasche führt ein Schlauch zu seinem Bauch und der Pumpe im Inneren des Körpers. Krauß hebt sein Hemd hoch, um die Stelle zu zeigen.
Die Zuhörer erfahren von ihm: In der Tasche sind das Steuerungsgerät und die Akkus für das Kunstherz aufbewahrt. Auf die Fragen von Schülerseite gibt er klare Antworten: „Ohne diese Tasche funktioniert die Pumpe nicht. Und ohne die Pumpe kann ich nicht lange überleben.“
Meine news
Jeden Tag hoffe er auf den einen entscheidenden Anruf aus der Uniklinik und dass „München“ ihm die Mitteilung mache: „Wir haben ein Spenderherz für Sie!“ Für die Ärzte ist der Herzpatient aus dem Unterallgäu derzeit rund um die Uhr erreichbar, weil bis zu jeder Herz-OP die Zeit immer drängt.
Kardiologe Dr. Christoph Müller aus dem Klinikum München-Großhadern hatte Krauß und die engagierte Klinikschwester nach Füssen begleitet und ergänzte deren Ausführungen aus fachärztlicher Sicht. Dabei erfuhren das junge Publikum und ihre Lehrer: Viel zu wenige Menschen in Deutschland entscheiden sich für den Organspenderausweis.
Dabei könne die noch zu Lebzeiten gegebene Antwort den Angehörigen helfen und eine schwierige Entscheidung im Ernstfall abnehmen. Schwester Neubauer unterstrich: richtig und falsch gebe es bei dieser Frage nicht. „Wichtig ist die dokumentierte persönliche Entscheidung des gesunden oder schon schwer erkrankten Menschen.“
In anderen europäischen Ländern, wie Dr. Müller außerdem berichtete, gelte zumeist die Widerspruchslösung. Damit ist die Organentnahme an Verstorbenen zulässig, wenn diese Menschen nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen haben. In Österreich, wo die so genannte Widerspruchslösung gelte, sei die Wartezeit auf ein Spenderorgan deutlich kürzer als in Deutschland. Krauß allerdings schließt einen Umzug ins nahe Nachbarland aus. Aus gutem Grund: denn er vertraue „seinen Münchener Ärzten“ und ihrer Kunst.