Sie ist gerade einmal 65 Zentimeter lang, also so groß wie ein Baguette. Wie aus einem Bericht des britischen "Telegraph" hervorgeht, hat das estnische Startup "Frankenburg Technologies" eine kleine Rakete entwickelt, die entscheidend für die europäische Drohnenabwehr werden könnte.
Sie heißt "Mark 1" und soll künftig in Massen und ohne menschliches Zutun die Ostgrenze der Nato verteidigen. "Wir haben keine Angst zu sagen, dass wir diese Raketen herstellen, um russische Langstreckendrohnen abzuschießen", sagte CEO Kusti Salm dem "Telegraph".
Er werde sich nicht dafür entschuldigen, "dass das in den nächsten fünf bis zehn Jahren die am dringendsten benötigte Fähigkeit in der westlichen Welt sein wird". Das Thema "Drohnenabwehr" ist ohne Zweifel brandaktuell.
"Mark 1" soll lediglich "gut genug" sein
In den vergangenen Monaten wurden immer wieder Drohnen und Kampfjets in Nato-Luftraum gesichtet - über Dänemark, Polen, Estland, aber auch Deutschland. Der Betrieb am Münchner Flughafen wurde im Oktober infolge der Beobachtungen sogar kurzzeitig eingestellt.
Schnell kam der Verdacht auf, dass Russland etwas damit zu tun haben könnte. Aus dem Kreml folgten Dementi. Vor allem die Länder an der Nato-Ostgrenze sind verunsichert. Sie wollen sich mit einer „Drone Wall“ (deutsch: "Drohnenwall") gegen feindliche Flugobjekte schützen.
Die "Mark 1" könnte den Durchbruch bei dem Thema bringen. Denn: Die Raketen in den westlichen Verteidigungsarsenalen sind typischerweise "exquisit", ist im "Telegraph"-Artikel zu lesen. Das bedeutet: selten, teuer und hochleistungsfähig.
Genauigkeit soll auf 90 Prozent steigen
Die Mini-Rakete des estnischen Startups soll im Gegensatz dazu gerade "gut genug" sein. Einfach, mit geringer Reichweite, aber hoher Trefferchance. Einen genauen Preis für die Waffe nannte Salm gegenüber dem "Telegraph" nicht.
Unklar ist, wann die "Mark 1" tatsächlich zum Einsatz kommen wird. Wie die britische Zeitung weiter berichtet, hat sie Schwierigkeiten, in der Hitze der Wüste oder der Kälte des Polarkreises zuverlässig zu funktionieren. Die Genauigkeit des Flugkörpers ist außerdem ausbaufähig.
"Frankenburg Technologies" möchte sie dem "Telegraph"-Bericht zufolge auf 90 Prozent steigern. Das war bisher noch nicht in allen Tests der Fall. Das Team experimentiere mit "der Form, der Position der Flügel und dem Schwerpunkt, dem Druckzentrum, all diesen Dingen", um die Genauigkeit zu maximieren, sagte Salm der Zeitung.
Raketenexperte weist auf Herausforderungen hin
Dass es mit Blick auf die "Mark 1" noch einige Herausforderungen gibt, liegt auf der Hand. Raketenexperte Fabian Hoffmann sagte dem "Telegraph", dass es viele Experten gebe, die Sprengköpfe, Sensoren oder Triebwerke bauen können.
"Aber nur sehr wenige, die all diese Teilsysteme zu einer funktionierenden Rakete integrieren können – wahrscheinlich ein paar Dutzend." "Frankenberg Technologies" gibt sich dem Anschein nach alle Mühe, möglichst kluge Köpfe zusammenzustellen.
Chefingenieur des Projekts ist Andreas Bappert, der das Luftabwehrsystem Iris-T entwarf. Es kommt unter anderem im Ukraine-Krieg zum Einsatz. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) sagte er im Oktober, dass sich eine Drohne freilich auch mit einer Iris-T-Rakete abschießen ließe. "Aber das ist sauteuer!"
Estlands Industrie beobachtet den Ukraine-Krieg sehr genau
Dass Estlands Industrie das Kriegsgeschehen in der Ukraine sehr genau beobachtet und für sich Konsequenzen zieht, ist nichts Neues. Laut "FAZ" hat sich das Land auf Drohnen, deren Abwehr sowie ferngesteuerte Fahrzeuge und Cyberabwehr spezialisiert.
Das Blatt sprach ebenfalls mit "Frankenburg Technologies"-CEO Salm. "Man muss Masse mit Masse beantworten", sagte er. Die Drohnenabwehr der Zukunft besteht in seinen Augen aus Schwärmen kleiner, einfacher Raketen ohne große Reichweite - aber mit hoher Treffgenauigkeit.