Verzögerte Waffenlieferung: Ex-Botschafter kritisiert USA – Putins „rote Linien“ überschätzt

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Auch bei der Lieferung der F-16 Kampfjets an die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin eine „rote Linie“ gezogen (Montage) © IMAGO / Eibner, IMAGO / SNA

Im Ukraine-Krieg hat Putin schon viele „rote Linien“ gezogen. Ein ehemaliger US-Botschafter in Russland wirft den USA vor, sich Putins Drohungen zum Hemmschuh gemacht zu haben.

Washington D.C./Moskau – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt immer wieder vor den Folgen im Ukraine-Krieg im Falle von Verzögerungen westlicher Waffenlieferungen. Anfang August sagte Selenskyj in einer Videoansprache: „Für uns ist es wichtig, dass zwischen der Ankündigung der Pakete und ihrem Einsatz an der Front ein Minimum an Zeit vergeht.“ Immer wieder wartet die Ukraine dennoch auf Lieferungen ihrer Unterstützer. Zwischen Ankündigung und Auslieferung der F-16 verging beispielsweise mehr als ein Jahr – nicht zuletzt aufgrund der Vorbereitung und Ausbildung der Piloten.

Für den Westen waren die Entscheidungen für einige Waffenlieferungen, wie die der F-16, immer wieder eine Abwägung – zwischen der Unterstützung der Ukraine und Wladimir Putins „roten Linien“. Der russische Präsident betonte in der Vergangenheit oftmals seine „roten Linien“, die von der Ukraine und dem Westen nicht überschritten werden dürften. Auch die F-16 Lieferungen zählten dazu. Der ehemalige US-Botschafter in Russland, John J. Sullivan, kritisierte nun die USA dafür, Waffen aus diesem Grund zu spät an die Ukraine geliefert zu haben.

Putins „rote Linien“ im Ukraine-Krieg: Ex-Botschafter macht USA Vorwürfe für verzögerte Waffenlieferungen

„Ob es sich um M1A1-Panzer, F-16 oder Raketen handelt, es gab nur Verzögerungen, Verzögerungen, Verzögerungen“, kritisierte Sullivan gegenüber Newsweek. Über die verzögerten Waffenlieferungen an die Ukraine sagte er: „Es war ein Versagen der Vereinigten Staaten, den Ukrainern das zu liefern, was sie über ihren heldenhaften Widerstand hinaus brauchten.“ Der ehemalige Botschafter betonte, dass „die Sorge um eine rote Linie von Putin“ kein Faktor der USA bei Entscheidungen über Waffenlieferungen sein sollte. Die USA seien aus Putins Sicht, so Sullivan, ohnehin „Feind der Russischen Föderation“.

Kursk-Offensive in Russland: „Zeigt wieder einmal, dass Putins ‚rote Linien‘ nur Worte sind“

Putins selbstbezogene Grenzen im Ukraine-Krieg haben Kiew und die westlichen Unterstützer im Laufe es Ukraine-Kriegs immer wieder überschritten. Zuletzt hat die Ukraine mit ihrer Kursk-Offensive in der russischen Grenzregion im wörtlichen und übertragenen Sinne eine von Putins Grenzen überschritten.

Infolge des Einmarschs der ukrainischen Soldaten in die Grenzregion Kursk sagte die Ukraine-Expertin und Forschungsstipendiatin am King‘s College London, Jade McGlynn, gegenüber Guardian: „Als militärische Strategie bleibe ich ein wenig ratlos, aber als politische Strategie war sie sehr erfolgreich. Es zeigt wieder einmal, dass Putins ‚rote Linien‘ nur Worte sind und dass Russland nicht so stark ist, wie manche behaupten.“

Putins „rote Linien“ als Druckmittel gegen den Westen – Russische Drohung mit Atomwaffen

Über Putins rote Linien, schrieb auch das Institue for the Study of War im Mai: „Russland hat […] wiederholt bewiesen, dass die Berufung auf vermeintliche ‚rote Linien‘ eine reflexartige Kontrolltechnik ist, die den Westen dazu zwingen soll, von sich aus keine weitere militärische Hilfe für die Ukraine zu leisten.“

Der Kreml-Chef drohte teils kryptisch mit den Folgen des Überschreitens seiner Linien. So sagte Putin im Juni, nachdem der Westen der Ukraine zugesagt hatte, mit westlichen Waffen in Russland angreifen zu dürfen, die Unterstützer müssten mit einer „asymmetrischen Antwort“ rechnen. Einige Drohungen Putins waren deutlicher. Im Mai sagte der Kreml-Chef angesichts des russischen Atomwaffenarsenals: „Unsere strategischen Kräfte sind immer kampfbereit.“

Ehemaliger US-Botschafter in Russland: Putin wolle „keinen Atomkrieg mit den Vereinigten Staaten“

Dass Putin Russlands Atomwaffen im Krieg einsetzen könnte, habe der ehemalige US-Botschafter „immer für äußerst unwahrscheinlich“ gehalten, erklärte er gegenüber Newsweek. Über Putin sagte Sullivan, er wolle, „keinen Atomkrieg mit den Vereinigten Staaten – niemand, der bei klarem Verstand ist, würde das tun, und er ist nicht verrückt“.

„Es ist leicht für mich zu sagen: ‚Die Russen werden keine Atombombe einsetzen‘, aber wenn ich derjenige bin, der die Politik bestimmen muss, dann ist das ein ziemlich großes Risiko, wenn auch nur ein geringes, weil die Folgen so schwerwiegend wären“, sagte Sullivan mit Blick auf den US-Präsidenten. Der ehemalige Botschafter betonte, die USA hätten „das Risiko überbewertet“.

US-Hilfen haben sich in der Vergangenheit auch aufgrund einer Blockade der Republikaner im Kongress verzögert. Monatelang blockierten sie ein Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar. Selenskyj hatte in diesem Zuge immer wieder über die Bedeutung der US-Unterstützung für die Verteidigung der Ukraine gesprochen. Die Verzögerung der US-Hilfe für die Ukraine hatte im April zu einem kritischen Munitionsmangel geführt.

Die Abwägung zwischen der Unterstützung des ukrainischen Militärs bei dessen Verteidigung des Landes und der Gefahr, Putins rote Linien zu überschreiten, ist auch in Deutschland Thema. Immer wieder wird diskutiert, ob Deutschland mit weiteren Waffenlieferungen und Zugeständnissen bei der Nutzung der Waffen zur Kriegspartei würden. (pav)

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