Bauern und Letzte Generation – wieso der Protest so unterschiedlich bewertet wird
Bauern blockieren deutschlandweit Autobahnzufahrten. Der Protest ähnelt dem der Letzten Generation. Bewertet wird er aber ganz anders. Das steckt dahinter.
Berlin – Schon am frühen Montagmorgen blockierten Landwirte in ihren Traktoren Autobahnzufahrten in ganz Deutschland. Die Bauernproteste sind auf dem bisherigen Höhepunkt angelangt. Die Stimmung ist angespannt. Beachtlich dabei: Trotz einigen gewaltbereiten Protestierenden ist die Unterstützung der Bauern in Bevölkerung und Politik weiterhin groß, für die Straßenblockaden wird viel Verständnis gezeigt. Anders als bei der Letzten Generation, die mit ähnlichen Protesten Hass ernten. Protestforscher Simon Teune erklärt, wieso das öffentliche Bild der Bauern so viel besser ist als das der Aktivisten und, wann Protest übers Ziel hinausschießt.
Teune ist Forscher am Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung und sagt unserer Redaktion: „Man kann an dem Beispiel gut sehen, dass die Beurteilung von Protest nicht alleine von der Form abhängig ist. Beide Gruppen nutzen Blockaden und Verkehrsbehinderung, um Aufmerksamkeit zu generieren.“ Teune verweist auf die Deutungshoheit der jeweiligen Gruppe. „Die Letzte Generation ist bis in die Grünen hinein als naiv und arrogant dargestellt worden, Landwirt*innen haben dagegen kein schlechtes Image.“
Bauernproteste machen Existenzsorgen deutlich – den Letzten Generation gelingt das nicht
Bei den Protesten geht es also darum, in der medialen Landschaft gut dazustehen. Den Landwirten gelingt das bisher gut, sagt der Experte. „Sie waren mit ihrer Deutung, dass die Maßnahmen der Regierung für sie existenzbedrohend sind, ziemlich erfolgreich. Dass es bei den Klimaprotesten auch um Existenzfragen geht – und zwar nicht nur für eine betroffene Gruppe, sondern für die Menschheit insgesamt – ist zuletzt in den Debatten zur letzten Generation untergegangen.“

Die am Montag gestartete Aktionswoche von Landwirten findet deutschlandweit statt und richtet sich gegen von der Bundesregierung geplante Kürzungen der Agrar-Subventionen. Trotz jüngster Zugeständnisse der Regierung, die Kürzungen weitgehend zurückzunehmen, halten Bauern und Angestellte aus dem Transportsektor an ihren Protestplänen fest.
Angriffe auf Robert Habeck: Ab wann ist Protest nicht mehr legitim?
Wie tief der Hass bei manchen gegenüber der Bundesregierung sitzt, zeigte sich vor einigen Tagen am Nordseehafen von Schlüttsiel, als Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) per Fähre aus dem Urlaub zurück ans Festland kommen wollte. Einige aufgebrachte Bauern wollten auf die Fähre und Habeck konfrontieren. Die Polizei griff ein. Die Fähre trat schließlich den Rückzug wieder aufs Meer an.
Während dieser persönliche Angriff auf den Vizekanzler weitestgehend verurteilt wurde, gelten andere Bauernproteste wie Straßenblockaden bei vielen Menschen nach wie vor als legitim. Wo liegt also die Grenze zwischen akzeptablem Protest und dem, der übers Ziel hinausschießt?
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„Was legitim ist, wird immer wieder gesellschaftlich ausgehandelt. Generell kann man sagen, dass die Legitimität von Protest immer wieder an Grenzüberschreitungen festgemacht wird“, sagt Forscher Teune und macht deutlich, wie unterschiedlich diese Grenze bei jeweiligen Gruppen ausgelegt wird. „Vertreter*innen von AfD, Union und Freien Wählern haben sich unterstützend auch zu Blockadeaktionen von Bauern geäußert, während sie gleichzeitig Blockaden von Klimaaktivist*innen, die auf die Menschen ähnliche Effekte hatten, zurückgewiesen haben.“
Protestforscher: Organisatoren müssen für Proteste klare Grenzen setzen
Eine in der Vergangenheit feststehende Grenze für Protest gibt es laut Teune trotz unterschiedlicher Wahrnehmung aber doch. „Wenn Proteste als gewalttätig wahrgenommen werden, wird ihnen schnell die Legitimität abgesprochen.“ Außerdem ist es dem Experten zufolge vor dem Hintergrund der Angriffe für den Verlauf von Protesten wichtig, welche Regeln die Organisatoren für sich selbst aufstellen. „Wenn man schwammig ist oder mit Grenzüberschreitungen spielt, setzt man damit auch Signale für den Ablauf von Protesten und dafür, wer sich als Teilnehmende*r angesprochen fühlt und wer nicht.“