Gold-Rausch in der Schweiz: Gedenkmünze sorgt für Wut und Wertexplosion
Es sollte der große Tag für Sammler und Anleger werden - doch am Ende hagelte es Ärger, Beschimpfungen und Rekordpreise: Am 1. Juli hat die staatliche Prägestätte der Schweiz, die "Swissmint" die streng limitierte Jubiläumsausgabe des 100-Franken-Goldvrenelis herausgebracht - exakt 100 Jahre nach der legendären Erstausgabe von 1925.
Schon der Ausgabepreis von 3.500 Franken ließ aufhorchen, denn die 32,3 Gramm schwere Goldmünze bringt immerhin fast 29 Gramm reines Gold auf die Waage. Doch der wahre Wert lag offenbar nicht im Edelmetall, sondern im kollektiven Begehr: Binnen Minuten war die Auflage von nur 2500 Stück restlos vergriffen.
Über Sebastian Wieschowski
Sebastian Wieschowski ist Münzensammler seit Kindertagen und Experte für Numismatik und Edelmetalle. Er schreibt seit 2012 für deutsche und internationale Fachmedien. Mit seinen eigenen Buchprojekten (z.B. die „Bullion-Bibel“ oder der „Raritäten-Radar“) und Multimedia-Inhalten (als „Coinosseur“ bei YouTube) bearbeitet er Trend- und Zukunftsthemen für Sammler und möchte seine Leidenschaft weitertragen – als Hobby, aber auch als Wertanlage.
Ein Verkaufs-Desaster im Netz - „mehr als peinlich“
Wer am 1. Juli pünktlich um 9 Uhr den virtuellen Einkaufswagen füllen wollte, schaute erstmal in die Röhre. Massive IT-Probleme legten den Webshop der Swissmint lahm, Teile der Website waren stundenlang „down“. Trotz Vorbereitungen auf mehrere hunderttausend Zugriffe brach die Infrastruktur schlicht zusammen.
Erst gegen Mittag konnte der Verkauf überhaupt starten - zu spät für viele enttäuschte Interessenten, zumal der Verkauf in Rekordzeit wieder abgeschlossen war. Auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) und in Google-Rezensionen entlud sich der Frust: Von „völlig unprofessionell“ bis „mehr als peinlich“ reichten die Kommentare.
Swissmint selbst bekam nach eigenen Angaben sogar Hass-Mails - und muss sich nun die Frage gefallen lassen, ob der mutmaßliche Server-Crash nicht vermeidbar gewesen wäre. Ohnehin bleiben nun zehntausende oder gar hunderttausende Interessenten zurück, die pünktlich zum Verkaufsstart dabei waren und jetzt "in die Röhre gucken".
Preis-Explosion: Von 3500 auf 40.000 Franken in wenigen Stunden
Kaum waren die letzten Münzen virtuell über den Tresen gegangen, startete der Run auf den Zweitmarkt. Experten hatten bereits vorab prophezeit: „Der Preis wird sich rasch erhöhen, womöglich sogar verdoppeln.“ Tatsächlich landete ein Exemplar noch am selben Tag bei Ricardo (einer Auktionsplattform, die besonders in der Schweiz verbreitet ist) für 9.999 Franken - fast dreimal so viel wie der Ausgabepreis.
Ein weiteres Angebot setzte noch eins drauf: 40.000 Franken im Sofort-Kauf, also das Elffache des Goldwerts. Zum Vergleich: Das historische Original von 1925 erreicht bei Auktionen Preise zwischen 20.000 und 25.000 Franken - doch die neue Auflage ist mit nur 2500 Stück sogar seltener. Auf "Ricardo.ch" sind inzwischen rund 20 Angebote gelistet und die Gebote liegen einen Tag nach dem Verkaufsstart bei 9.000 bis 10.000 Franken - allerdings sind die Auktionen noch nicht beendet, der Preis kann also noch deutlich steigen. Auch in Deutschland tauchen die ersten Angebote beim Auktions-Platzhirsch eBay auf - bereits kurz nach dem Start ist die erste Auktion auf über 8.500 Euro hoch geschossen.
Das Vreneli - Kult, Mythos, Wertanlage
Das Goldvreneli ist in der Schweiz weit mehr als ein Stück Metall. Ab 1897 als offizielles Zahlungsmittel eingeführt, avancierte es rasch zum beliebten Kulturgut und Traditionsgeschenk - ob als „Gotti-Münze“ zur Taufe oder als Dankeschön für verdiente Mitarbeiter. Besonders während der Abwertung des Franken 1936 bewährte es sich als Krisenwährung: Der Goldwert überstieg den Nennwert, Millionen Münzen wanderten in Schubladen und Tresore. Bis heute gilt das Vreneli als Symbol für Stabilität und Wertbewahrung – gerade in unsicheren Zeiten.
Das Porträt der jungen Helvetia, entworfen von Fritz Ulysse Landry und inspiriert von der Berner Wirtin Rosa Tännler, hat längst Ikonenstatus erreicht und wurde 2025 zum 100. Geburtstag neu interpretiert. Die "Swissmint" hatte eigens für dieses Jubiläum sogar die Rolle des Ehrengastes auf der größten Münzenmesse der Welt, der "World Money Fair" in Berlin, angenommen und die neue Münze spektakulär in Szene gesetzt - doch die sympathische Präsentation der Eidgenossenschaft, die bislang in der Welt der Münzen eher unauffällig agierte und sich um einen Imagewandel bemüht, dürfte für viele neue Schweiz-Sammler einen faden Beigeschmack bekommen.
Wenn Münzen zu Hypes werden
Das Gold-Vreneli aus der Schweiz ist jedoch nur eines von vielen Beispielen in der jüngeren Zeit für extrem limitierte Sonderprägungen, bei denen bereits im Vorfeld klar ist, dass die geplante Auflage die Nachfrage nicht decken wird. Dieses künstlich erzeugte Ungleichgewicht - wenige Münzen, viele Interessenten - in Verbindung mit technischen Problemen beim Online-Verkauf sorgt zwar zunächst für einen rasanten Wertzuwachs auf dem Zweitmarkt. Der rasche Wiederverkauf zu überhöhten Preisen weckt bei Anlegern den Eindruck, es handle sich um eine nachhaltige Wertentwicklung.
Doch je mehr Prägestätten, Nationalbanken und private Anbieter dieses Rezept kopieren, desto größer wird die Flut an vermeintlichen Top-Raritäten. Besonders in Trend-Sammelgebieten wie den 2-Euro-Gedenkmünzen oder modernen Gold- und Silberausgaben erscheinen jedes Jahr zahlreiche streng limitierte Editionen - auch von renommierten, meist sogar offiziellen staatlichen Verkaufsstellen. Tatsächlich jedoch relativiert sich der Effekt der Limitierung, wenn der Markt insgesamt mit immer neuen „besonderen“ Ausgaben überschwemmt wird.
Preiseinbruch nach dem Hype
In vielen Fällen folgt auf den anfänglichen Boom die Ernüchterung: Sobald die ersten Exemplare zu Fantasiepreisen verkauft sind und der Hype abebbt, sinken die Marktpreise häufig rapide. Käufer, die in der Erwartung rascher Wertsteigerungen hohe Summen investiert haben, müssen dann mit Verlusten rechnen. Während klassische Numismatik - etwa historische Goldmünzen mit jahrzehntelanger Sammlerbasis - vergleichsweise stabil bleibt, zeigen Trend- und Eventprägungen oft eine hohe Volatilität.
Demotivation und Rückzug aus dem Hobby
Für die Sammlergemeinschaft hat diese Entwicklung eine gefährliche Nebenwirkung: Immer mehr Sammler kapitulieren vor der unüberschaubaren Fülle an Ausgaben und dem Gefühl, ständig mit rasenden Kursbewegungen und künstlicher Verknappung konfrontiert zu sein.
Was früher ein langfristiges Hobby war, das Geduld, Fachwissen und Freude am Aufbau einer Kollektion vereinte, wird für viele zu einem hektischen Wettlauf um die vermeintlich nächste große Chance. Enttäuschung und finanzielle Verluste führen nicht selten dazu, dass Sammler ihr Hobby ganz aufgeben - ein Trend, der langfristig auch den Wert etablierter Sammelgebiete schwächen kann.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.