Paradoxon in der Krise - Edelmetall-Profi analysiert: Darum trennen sich Deutsche von ihrem Gold

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    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Getty Images/OsakaWayne Studios Statt sich in das sichere Gold-Nest zu kuscheln, eilen die Deutschen zum Goldhändler, um ihre Schätze zu verhökern.
Mittwoch, 30.10.2024, 16:18

Gold gilt als sicherer Hafen in Krisenzeiten, doch ausgerechnet jetzt verkaufen die Deutschen ihre Goldbestände in Rekordhöhe. Was steckt hinter diesem paradoxen Verhalten? Edelmetall-Profi Sebastian Wieschowski beleuchtet die Hintergründe dieser Entwicklung.

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Gold ist die gute, alte, treue Konstante in einer sich stetig wandelnden Welt. Wenn die Märkte schwanken, die Aktienkurse taumeln und das Vertrauen in Papiergeld bröckelt, ist das edle Metall plötzlich wieder en vogue – ein sicherer Hafen, der Stabilität verspricht. Doch was beobachten wir derzeit? Statt sich in das sichere Gold-Nest zu kuscheln, eilen die Deutschen zum Goldhändler, um ihre Schätze zu verhökern. Warum? Die Aussicht auf stattliche Gewinne verführt offenbar mehr, als der Gedanke an eine langfristig sichere Basis für stürmische Zeiten.

Es klingt fast wie eine Ironie des Schicksals: Während Gold wieder seine Stärke als krisenfeste Anlage beweist, trennen sich gerade in Deutschland auffällig viele Menschen von ihren Reserven. Eine Entscheidung, die man als widersprüchlich ansehen könnte – verkaufen, wenn das Gute offensichtlich funktioniert? Doch die Verlockung des hohen Preises, der in den Medien nicht selten betont wird, scheint über dem Sicherheitsgedanken zu thronen. Das schnelle Geld gewinnt die Oberhand über die strategische Absicherung.

Über Sebastian Wieschowski

Sebastian Wieschowski
Privat Sebastian Wieschowski

Sebastian Wieschowski ist Münzensammler seit Kindertagen und Experte für Numismatik und Edelmetalle. Er schreibt seit 2012 für deutsche und internationale Fachmedien. Mit seinen eigenen Buchprojekten (z.B. die „Bullion-Bibel“ oder der „Raritäten-Radar“) und Multimedia-Inhalten (als „Coinosseur“ bei YouTube) bearbeitet er Trend- und Zukunftsthemen für Sammler und möchte seine Leidenschaft weitertragen – als Hobby, aber auch als Wertanlage. Hier geht es zu seiner Webseite: www.coinosseur.de

Kein Tag ohne schlechte Nachrichten aus der Wirtschaft

Vielleicht schwingt bei vielen die Hoffnung mit, dass die Krisen bald überstanden sein könnten - ernsthaft? Ist es nichts als Naivität, die uns glauben lässt, die turbulenten Zeiten könnten nun einem neuen Aufschwung weichen? Oder ist es Verdrängung? Wer glaubt, dass die Wirtschaft in Kürze wieder ihren früheren Glanz erreicht, scheint sich selbst allzu gerne in die Tasche zu lügen. Aber was soll’s: Die Menschen handeln nun mal nicht immer rational, vor allem nicht, wenn das Funkeln von schnellem Geld lockt.

In diesen unsicheren Zeiten könnte man meinen, dass ein wenig Verwirrung verständlich ist. Doch warum holen die Leute gerade jetzt ihre letzten Schätze aus Schubladen und Kisten, die lange vergessen schienen. Plötzlich wird wieder nach Feingehalt und Gewicht gefragt, die Bewertung von Altgold hat Hochkonjunktur. Die Folge: Bei Edelmetallhändlern werden derzeit massenhaft Münzen und Barren eingeschmolzen, die in ruhigen Zeiten noch lange nicht als Altgold gelten würden. Doch auch die Händler wollen - oder müssen - die angekaufte Ware so schnell wie möglich in frisches (Papier)-Geld umwandeln.

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Wenn ein Klassenraum eine Theaterbühne wäre, welche Rolle hätten dann die Lehrkräfte inne? Und spielt diese eine Rolle dabei, ob die Kinder und Jugendlichen ihre Lehrkräfte respektieren und bestenfalls sogar mögen? Bildungs-Spezialistin Claudia Rehder klärt auf.

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Kasse machen vor der nächsten Krise

Der Gedanke ist verlockend: die alten Schätze in bares Geld verwandeln und das Konto aufbessern. Wer weiß, vielleicht erfüllt man sich davon ja noch einen lang gehegten Wunsch, bevor die nächste Krise einsetzt. Doch was, wenn uns diese Unentschlossenheit eines Tages zum Verhängnis wird? Wovon zehren die Menschen, wenn nichts mehr geht, wenn das Bargeld versagt und der Börsenrausch endet?

Denn genau das ist es, was das Gold auszeichnet: Es bewährt sich dann, wenn nichts anderes mehr funktioniert. In einer Zeit, in der Euro oder Dollar so umstritten sind wie nie zuvor seit der Erfindung des Papiergeldes, und in der die Zinsen Achterbahn fahren, kann Gold der ruhige Pol sein, der uns durch die dunklen Stunden bringt. Doch dieser Gedanke scheint im Angesicht des möglichen Gewinns in Vergessenheit zu geraten – die Gier überstrahlt das Bedürfnis nach Stabilität?

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Rückkehr in die Vor-Krisen-Idylle

Sind wir so optimistisch, dass wir das Ufer, das uns Sicherheit gibt, verlassen, nur um auf einem aufgedunsenen Rettungsboot den vermeintlich goldenen Gewinn zu jagen? Die Geschichte lehrt uns eigentlich, dass die Sicherheit von Gold nie eine Garantie für Gewinne war, sondern ein Puffer für den Fall der Fälle. Wer dieses Polster jedoch mit einem freudigen Grinsen aufgibt, glaubt offenbar an eine nahtlose Rückkehr in die Vor-Krisen-Idylle.

Der Wert des Goldes, so scheint es, wird für viele erst dann spürbar, wenn man ihn in der Hand hält und sich die Option bietet, ihn gegen Papier zu tauschen. Doch sollten wir nicht lieber nachdenken, bevor wir handeln? Die Entscheidung, ob man das Wertvolle für den kurzfristigen Profit eintauscht oder das Metall als Versicherung für düstere Tage behält, ist eine, die uns letztlich selbst definiert.

In gewisser Weise erleben wir im Jahr 2024 nicht nur den größten Goldrausch aller Zeiten, den bei nüchterner Betrachtung keiner der Gold-Bullen hat kommen sehen, sondern auch ein Paradoxon der Verwirrung: Der Goldkurs steigt, die Nachfrage nach Bewertungen nimmt zu, doch die Leute trennen sich trotzdem von ihren Beständen. Vielleicht ist das menschliche Streben nach Sicherheit doch nur ein Mythos, der angesichts des greifbaren Profits einfach zerrinnt. Die Frage bleibt bestehen: Was ist uns mehr wert – der schnelle Euro? Oder der Wert des Unerschütterlichen?

Content stammt von einem Experten des FOCUS online EXPERTS Circles. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.