Wegen Melonis knallhartem Asyl-Kurs? Mittelmeer-Migration geht stark zurück

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Giorgia Meloni hat mehrere Asyl-Abkommen mit anderen Staaten geschlossen. Erstmals seit Amtsantritt zeigt sich das nun in der Migrationsstatistik.

Rom/Lampedusa – Wer sich die monatlich erscheinenden Berichte der EU-Grenzschutzorganisation Frontex durchliest, stellt fest: Die Zahl der illegalen Einreisen nach Europa geht im Jahr 2024 deutlich zurück. Frontex meldete bis September 2024 rund 166.000 illegale Grenzübertritte. Das waren 42 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum – und liegt vor allem am Rückgang auf zwei Routen. Über den Westbalkan gelangten 79 Prozent weniger Migranten nach Europa, über das Mittelmeer 64 Prozent.

Von Januar bis September 2024 registrierte Frontex 47.710 illegale Grenzübertritte über die zentrale Mittelmeerroute. Sie ist damit nach wie vor die Hauptroute für Geflüchtete. In der Vergangenheit waren die Zahlen aber deutlich höher. Die rechte Regierung Italiens um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni jubelt entsprechend. Der Asylkurs wirke, heißt es dieser Tage im Lager der rechten Meloni-Partei Fratelli d‘Italia. „Finalmente“, dürften sich die bisweilen als Post-Faschisten bezeichneten „Brüder Italiens“ gedacht haben: „Endlich“. Noch vor einem Jahr schien man weniger zufrieden.

Meloni zu Beginn ihrer Amtszeit unter Druck: Migration erreichte 2016er-Niveau

Giorgia Meloni, seit zwei Jahren im Amt, war mit einem zentralen Versprechen angetreten: harte Hand gegen die illegale Migration in Italien. Wirklich aufgegangen sind die populistischen Versprechen zunächst nicht. 2023 schoss die Zahl der illegalen Einreisen rapide nach oben und erreichte mit 158.000 den höchsten Wert seit 2016. Bilder von überfüllten Flüchtlingslagern auf Lampedusa gingen abermals um die Welt. Melonis Regierung geriet in die Bredouille. In Umfragen gaben mehr als 70 Prozent der Italiener an, Meloni habe weniger getan, als sie in Bezug auf die Einwanderung versprochen hatte.

Die rechte Koalition aus Fratelli d‘Italia, rechtspopulistischer Lega und konservativer Forza Italia beschloss eine ganze Palette an Migrationsmaßnahmen; darunter härtere Strafen für Schleuser, strengere Verfahren zur Gewährung von humanitärem Schutz oder längere Haftzeiten für abgelehnte Asylbewerber und insbesondere auch Abkommen mit anderen Staaten. Ein Jahr später sieht sich die Regierung bestätigt: Die Zahl der in Italien ankommenden Geflüchteten geht deutlich zurück.

Links: In Tunesien startet ein Boot mit Menschen aus der Sub-Sahara. Ihr Ziel: Italien um Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (rechts). © IMAGO/ZUMA Press Wire//Bernd Elmenthaler (Collage)

Migration in Italien geht zurück: Rückgang „politisch erklärbar“

Von 1. Januar bis 15. Oktober waren es 54.129 registrierte Migranten, wie das italienische Innenministerium auf Anfrage von IPPEN.MEDIA erklärt. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum 2023 waren es noch 140.000, 2022 75.000. Die Frontex-Zahlen weichen etwas von denen aus Rom ab, bestätigen aber den Trend: Italien erreichen derzeit weniger Geflüchtete.

Laut Innenministerium ist der Rückgang vor allem auf der von Tunesien nur knapp 190 Kilometer entfernten italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa bemerkbar. Es gab in diesem Sommer Tage, da kam kein einziges Boot aus Afrika in Italien an.

Doch ist der Rückgang tatsächlich auf Melonis Asylkurs zurückzuführen? Er sei zumindest „politisch erklärbar“, sagt der Migrationsforscher Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung. „Meiner Beobachtung nach liegt das vor allem an der intensivierten Zusammenarbeit zwischen Italien und Tunesien“, so Engler im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Meloni-Abkommen mit Tunesien und Albanien: „abschreckendes Signal“

Tunesien ist für viele Geflüchtete aus Afrika der Startpunkt der Mittelmeerüberquerung. Italien will das eindämmen. Die Regierung hat in Brüssel ein Abkommen mit Tunesien vorangebracht. Im Kern läuft es wie folgt: Italien und die EU geben Tunesien Geld, damit weniger Geflüchtete nach Europa aufbrechen.

2023 kündigte die EU 105 Millionen Euro für Tunesien an, Italien wollte zusätzliche Mittel bereitstellen. Menschenrechtsorganisation kritisieren, dass Tunesien Geflüchtete teils mit Gewalt an der Weiterreise hindert. „Tunesien kooperiert, mit sehr viel Druck aus Europa“, sagt Engler.

Meloni und Italiens harter Asyl-Kurs: „Nicht nachhaltig“

Der Migrationsexperte blickt insgesamt skeptisch auf Italiens harten Asylkurs. „Die harte Strategie der italienischen Regierung, die von der EU-Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mitgetragen wird, führt kurzfristig dazu, dass die Ankunftszahlen etwas zurückgehen“, so der Experte. „Sie ist jedoch nicht nachhaltig.“ Mit Blick auf das Abkommen mit Tunesien sagt er: „Zum einen ist Europa sehr abhängig vom Handeln des autokratischen tunesischen Präsidenten Kais Saied. Zum anderen beschädigt die auf extreme Gewalt basierende Kontrollpolitik das Ansehen Europas und die normenbasierte internationale Ordnung.“

Seit Anfang Oktober gibt es auch einen Migrationsdeal mit Albanien. Italien lagert seine Asylverfahren in das Nicht-EU-Land aus, um so EU-Recht zu übergehen. Wie das konkret aussieht, erklärte Albaniens Ministerpräsident Edi Rama im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Das betrifft sowohl die Registrierung und Versorgung der Geflüchteten, als auch die Entscheidung über deren Status“, so Rama. Ziel sei auch, „Menschen ohne Bleibeperspektive durch das abschreckende Signal von der Überfahrt abzuhalten“.

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