Moment mal – der Zwischenruf von Saina Cortez - Ausgerechnet eine Karriere-Frau schockiert mich beim Thema Gleichberechtigung
Als Gründerin von *Sheciety* und aktive Kämpferin für die Gleichstellung der Frau setzte ich mich für Female Empowerment ein. In diesem Zusammenhang führte ich über neun Monate lang knallharte Verhandlungen mit einer der größten Wirtschaftskanzleien, um ein Programm für Frauenförderung zu implementieren.
Viele Mitarbeiterinnen hatten uns kontaktiert, weil sie sich über die patriarchalen Strukturen im Unternehmen beschwerten. Also arbeitete ich mich Instanz für Instanz vor. Dieses Programm hätte das Unternehmen lediglich 99 Euro pro Jahr und Mitarbeiterin gekostet.
Nach neun anstrengenden Monaten hatte ich die Unterschrift der zwei männlichen Vorstände eingeholt. Nach weiteren zwei Monaten Wartezeit durfte ich endlich bei der weiblichen Vorständin vorsprechen.
Ich ging zuversichtlich, mit dem sicheren Gefühl, endlich am Ziel angekommen zu sein, in ihr Büro. Sie grüßte mich kühl, schob den Vertrag, der auf ihrem Schreibtisch lag und auf dem ihre Unterschrift fehlte, in meine Richtung und sagte nur: „Meine kriegen Sie nicht.“
„Warum genau soll ich es den Frauen nach mir leichter machen?“
Ich kapierte gar nichts mehr. „Wieso nicht?“, stammelte ich unbeholfen. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit der Verweigerung ihrer Unterschrift. Noch dazu von einer Frau, für ein Frauenprogramm.
Sie zog ihre kleine rote Lesebrille ab, platzierte sie sorgfältig auf dem Schreibtisch und fragte mich nach einer unnötig langen Pause: „Wissen Sie eigentlich, wie schwer ich es hatte, hier nach oben zu kommen? Warum genau soll ich es den Frauen nach mir leichter machen?“ Knock-out. Ich verließ wie ein begossener Pudel den Raum. Im Augenwinkel konnte ich noch sehen, wie sie den Vertrag zerriss.
Über die Kolumnistin
Saina Cortez (ehem. Bayatpour) ist eine mehrfach ausgezeichnete Unternehmerin, Uni-Dozentin, Autorin und Speakerin. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Markt- und Werbepsychologie in München und gründete bereits mit 27 Jahren ihr erstes Unternehmen. Mit "SHECIETY" unterstützt Bayatpour Frauen auf dem Weg zum Erfolg. Sie war außerdem Jury-Mitglied des „Constructive World Award" 2024.
Der Weltfrauentag als Symbol – aber nicht als Lösung
Diese Begegnung ist Jahre her, aber sie beschäftigt mich noch heute. Weil sie eine der bitteren Wahrheiten zeigt: Es reicht nicht, nur auf die Männer zu schauen, wenn es um Gleichberechtigung geht. Auch wir Frauen müssen uns hinterfragen. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen, statt uns zu bekämpfen. Konkurrenzdenken, Neid und Missgunst haben in der Emanzipationsbewegung nichts verloren.
Der Weltfrauentag wurde 1911 von der deutschen Sozialistin Clara Zetkin ins Leben gerufen. Ursprünglich als Kampftag für das Frauenwahlrecht gedacht, ist er heute eine Mischung aus Symbol, Marketinginstrument und Feiertag.
Ja, wir haben Fortschritte gemacht: Frauen dürfen wählen, arbeiten, studieren. In Deutschland gibt es inzwischen eine Frauenquote in Aufsichtsräten, mehr Männer nehmen Elternzeit, Gewalt gegen Frauen wird gesellschaftlich geächtet. Aber es reicht nicht.
Einmal im Jahr Blumen zu verteilen oder inspirierende Zitate auf LinkedIn zu posten, wird uns nicht weiterbringen. Denn die Realität sieht so aus: Frauen verdienen in Deutschland immer noch durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Sie leisten den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Sie sind in Führungsetagen unterrepräsentiert, in der Politik oft nur eine Alibi-Quote und erleben täglich Sexismus – online und offline.
Der Weltfrauentag reicht nicht aus, um all das zu ändern. Er ist ein Mahnmal, ein Weckruf. Aber echte Veränderung passiert an den restlichen 364 Tagen im Jahr.
Wir brauchen mehr Frauen, die andere Frauen fördern
Wir können nicht erwarten, dass Männer alles für uns lösen. Ja, viele Männer müssten umdenken. Das steht außer Frage und auch politische und gesellschaftliche Strukturen müssen veröden werden. Aber auch wir Frauen müssen unsere Rolle hinterfragen. Sind wir wirklich solidarisch miteinander? Fördern wir uns gegenseitig? Oder stehen wir uns manchmal selbst im Weg?
Die Vorständin, die mein Projekt blockierte, hatte sich mit Mühe und Kampf ihren Platz erarbeitet. Vielleicht glaubte sie, Frauen müssten eben leiden, um Erfolg zu haben, so wie sie es tat. Vielleicht hatte sie Angst, dass „einfacher“ bedeutete, dass ihre eigene Leistung weniger wert sei. Doch genau das ist das Problem. Gleichstellung bedeutet nicht, dass irgendjemand verliert – sondern dass wir alle gewinnen.
Wir brauchen mehr Frauen, die andere Frauen fördern. Die sich nicht von der Angst leiten lassen, ersetzbar zu sein. Die einander Türen öffnen, anstatt sie zuzuschlagen. Denn wir können uns nicht gleichzeitig über männliche Seilschaften beschweren und uns dann gegenseitig Steine in den Weg legen.

Es liegt an uns. An allen von uns.
Der Weltfrauentag ist wichtig. Er erinnert uns daran, wie weit wir gekommen sind – und wie weit wir noch gehen müssen. Aber wahre Gleichstellung ist nicht an einem Tag im Jahr zu erreichen.
Sie passiert in den kleinen Momenten: Wenn wir Frauen in Meetings nicht unterbrechen. Wenn wir die Leistung anderer Frauen anerkennen, statt sie kleinzureden. Wenn wir unbezahlte Arbeit neu verteilen. Wenn wir uns gemeinsam gegen Ungerechtigkeit stellen, statt uns im Stillen über sie zu ärgern.
Ja, es gibt noch viel zu tun. Aber wenn wir aufhören, uns als Konkurrentinnen zu sehen, wenn wir uns als das begreifen, was wir sind – eine Gemeinschaft, die stark ist, wenn sie zusammenhält – dann können wir alles schaffen. Nicht nur am 8. März. Sondern jeden Tag. Gleichstellung ist kein Privileg. Es ist ein Recht.
Sheciety Create Festival zum Weltfrauentag
Sofitel Hotel Bayerpost München
9.00 Uhr Beginn, 20.30 Uhr Ende
Über 42 namhafte Speaker, Masterclasses, Workshops und vieles mehr
Mit dabei unter anderem:
Lars Amend, Ildiko von Kürthy, Amira Aly, Karin Kuschick, Manuel Cortez, Milka Loff-Fernandez, Annahita Esmailzadeh, Tatajana Kiel und viele mehr
Themen: Business, Persönlichkeitsentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft.