Kolumne von Ana-Cristina Grohnert - Liebe Männer, wir Frauen sind eure Partner - wir brauchen keine Trump-Männlichkeit

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Montag, 16.12.2024, 17:24

Seit dem Jahr 1918 dürfen Frauen in Deutschland wählen. Das Grundgesetz aus dem Jahr 1949 stellte sie vor dem Gesetz grundsätzlich den Männern gleich. Theoretisch. Denn erst seit 1977 dürfen Frauen beispielsweise auch ohne Genehmigung ihres Ehemannes arbeiten.

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Und im Jahr 2015 ist das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Kraft getreten.

Wir alle kennen diese Daten. Und auch wenn es immer noch viele Hindernisse auf dem Weg zu einer echten Geschlechtergerechtigkeit gibt, zum Beispiel den Gender Pay Gap oder das Ehegattensplitting, so müssen wir doch anerkennen, dass in der Politik und in der Wirtschaft einiges für eine Gleichstellung zwischen den Geschlechtern getan wird.

Wird der Graben zwischen Männern und Frauen tiefer?

Aber während wir uns immer mehr um gesellschaftliche Rahmenbedingungen bemühen, die eine Geschlechtergerechtigkeit ermöglichen, habe ich dennoch den Eindruck, dass der Graben zwischen Männern und Frauen tiefer wird.

Viele Männer fühlen sich beispielsweise durch die Quote benachteiligt. Der bereits zum Klischee gewordene „alte weiße Mann“ fühlt sich plötzlich in unserer Gesellschaft nicht mehr richtig willkommen. Er steht unter Generalverdacht, gestrig zu sein und ständig jemanden zu diskriminieren – teils aus Unwissenheit bzw. fehlender Sprachsensibilität. Der aktuelle Kinofilm „Alter weißer Mann“ zeigt dieses Dilemma auf humorvolle Weise auf.

Viele Männer fühlen sich von der Frauenförderung bedroht, sehen ihre Karrierepläne durchkreuzt. Mittlerweile haben zahlreiche Männer den Eindruck, sie müssten überdurchschnittlich performen, um überhaupt für höhere Positionen in Betracht gezogen zu werden. Ein Gefühl, das viele Jahrzehnte den Frauen vorbehalten war.

Trump und Merz setzen auf die Abschaffung von Quotenregelungen in der Wirtschaft

Mit diesen Gefühlen lässt sich Politik machen. So hat Trump bereits im Wahlkampf und auch jetzt als designierter Präsident angekündigt, Quotenregelungen in der Wirtschaft wieder abzuschaffen.

Der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, scheint auf eine ähnliche Karte zu setzen. Der Geschlechterparität in der Regierung hat er bereits eine Absage erteilt. Denn das sei seines Erachtens schiefgegangen in der letzten Bundesregierung, er verweist auf die zurückgetretene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

Merz fügte hinzu: „Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen.“ Das zeigt ein fragwürdiges Weltbild, in dem Frauen mit politischen Ämtern eben doch teilweise überfordert sind – und Männer sie ziemlich gönnerhaft vor ihren eigenen Ambitionen schützen müssen.

Über die Kolumnistin

Ana-Cristina Grohnert ist eine deutsche Top-Managerin. Sie war Personalvorständin bei der Allianz Deutschland und Mitglied der Geschäftsführung bei Ernst & Young. Die studierte Betriebswirtin engagierte sich zehn Jahre als Vorstandsvorsitzende der „Charta der Vielfalt“ für Gleichberechtigung und ein neues Verständnis von wertschöpfendem und wertschätzendem Wirtschaften. Kürzlich hat Grohnert die Score4Impact gGmbH gegründet, ein Match-Making Netzwerk, das Hilfsprojekte mit dem sozialen Investitionspotenzial von Unternehmen zusammenbringt.

 

Antifeminismus – konservative Frauenbilder haben Konjunktur

Und während sich manche Männer vielleicht in die Zeiten von „It´s a Man´s World“ (übrigens ein beliebter Wahlkamp-Song von Trump) zurücksehnen, scheinen auch einige Frauen das Rad der Zeit zurückdrehen zu wollen.

In den USA greift das Phänomen der „Tradwives“ um sich: Frauen, die sich bewusst für ein traditionelles Rollenmodell entscheiden, bei dem der Mann die Familie ernährt und sich die Frauen um Kinder und Haushalt kümmern.

Auch in Deutschland propagieren antifeministische Influencerinnen ihren tradierten Lebensstil und erreichen damit ein junges Publikum. Auf TikTok, wo dieser Trend besonders sichtbar ist, tummeln sich hauptsächlich Menschen zwischen 13 und 34 Jahren, und 62 Prozent von ihnen sind weiblich.

Die Rückkehr in die „gute alte Zeit“ verspricht einfache Lösungen

Diese Rückkehr zu einem konservativen Frauenbild erklärt auch, warum der Sexist und Sexualstraftäter Donald Trump so gut bei weiblichen Wählerinnen abgeschnitten hat. Fast jede zweite Frau hat ihn gewählt.

„Make America Great Again“ ist auch ein Versprechen, die tiefgespaltete Nation wieder in die „gute alte Zeit“ zurückzuführen. Als die Welt noch einfach zu verstehen und Gut und Böse klar voneinander getrennt waren.

Janina Kugel, die ich sehr schätze, hat in ihrer äußerst lesenswerten Kolumne „Menschenskinder“ im Manager Magazin aufgezeigt, dass Menschen besonders in Krisenzeiten gern an Heilsbringer glauben, die einfache Lösungen versprechen. Die unbequeme Wahrheiten verschweigen und Stärke symbolisieren. Und das, sorry Mädels, wird häufig mit dem sogenannten „starken Geschlecht“ in Verbindung gebracht.

Wir brauchen keine neue Maskulinität à la Trump

Wir brauchen keinen Kampf der Geschlechter und vor allem keine neue Maskulinität à la Trump. Wir brauchen aber auch keine Politik, die versucht, traditionelle Rollenverhältnisse zu zementieren.

Das Festhalten am Ehegattensplitting oder die nach wie vor unzureichende Kinderbetreuung behindern immer noch zu viele gut qualifizierte Menschen, meist Frauen, dabei, ihre Karrierechancen voll zu nutzen.

Da reicht es auch nicht, wenn Friedrich Merz von seiner Frau bescheinigt bekommt, er könne auch bügeln und Spaghetti kochen – das macht noch keine moderne Gender-Politik aus.

Das zeigen auch die schlechten Zustimmungswerte des Kanzlerkandidaten bei jungen Frauen. Nur 9 Prozent der Frauen zwischen 18-29 würden Merz wählen, und von denen zwischen 30 und 45 Jahren auch nur 13 Prozent, wie eine Analyse des Forsa-Instituts für das Magazin stern zeigt.

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Frauen dürfen nicht an den Rand gedrängt werden

Frauen sind zu wichtig für unsere Gesellschaft, als dass wir sie an den Rand drängen bzw. sie sich auf traditionelle Aufgaben rückbesinnen sollten! Diesen Appell richte ich an Frauen wie an Männer.

Die Herausforderungen, vor denen wir wirtschaftlich, gesellschaftlich und politisch stehen, sind so gewaltig, dass wir jede und jeden dafür brauchen. Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist weiblich – da ist es schlicht grob fahrlässig, diese Mehrheit nicht hundertprozentig für voll zu nehmen.

Wir haben immer noch rund 700.000 unbesetzte Stellen in Deutschland, viele davon sind anspruchsvolle Positionen. Und dass eine überwiegend männlich dominierte Politik und Gesellschaft nicht unbedingt ein Erfolgsmodell ist, zeigen die vielen Krisen dieser Welt – in der Vergangenheit und heute.

Kriege, Klimakrise und Kolonialismus sind drei Ks, die überwiegend von Männern verzapft wurden, während sich die Frauen um Kinder, Küche und Kirche kümmern durften.

Jeder gegen jeden führt ins Aus, jeder mit jedem hingegen zum Ziel

Ich verstehe nicht, warum es immer ein Gegeneinander sein muss. Warum erst Männer Frauen über Jahrhunderte klein halten und sich jetzt ein häufig ungesunder Wettbewerb zwischen den Geschlechtern breit macht.

Liebe Männer, betrachtet uns Frauen doch nicht als Konkurrenz, sondern als Partner – gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Sowohl in der Partnerschaft wie auch im Berufsleben, der Politik und Gesellschaft. Wir brauchen jetzt jede und jeden, wenn wir den Karren aus dem Dreck ziehen wollen, in dem wir aktuell stecken.

Mir ist bewusst, dass die meisten Männer das genauso sehen wie ich – und darunter auch viele so genannte alte weiße Männer. Hier ist längst ein Typ neuer Maskulinität entstanden, der keine Angst vor weiblicher Konkurrenz hat und vollkommen vorurteilsfrei mit allen Menschen unserer Gesellschaft zusammenwirken möchte.

Wenn wir Hand in Hand unsere Herausforderungen angehen, haben wir deutlich bessere Chancen, vielfältige Lösungsansätze zu finden. Dafür müssen wir einander richtig zuhören, auch ungewohnte Perspektiven ernsthaft in Betracht ziehen und gemeinsam neue Wege ausprobieren.

Das würde uns nachhaltiger und erfolgreicher machen, und ganz nebenbei auch das Demokratiebewusstsein und den Zusammenhalt in unserem Land stärken. Jeder gegen jeden führt ins Aus, jeder mit jedem hingegen zum Ziel.