Erdinger Gynäkologinnen klären über Gebärmutterhalskrebs auf

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Die Dysplasiesprechstunde in Erding leitet Eveline Clocuh (l.), Assistenzärztin Yvonne Lautenbacher unterstützt sie. © Vroni Macht

„Der beste Schutz ist die Impfung“ – das ist eine Botschaft aus unserem Interview mit der Leiterin der Dysplasiesprechstunde, Eveline Clocuh, und ihrer Kollegin Yvonne Lautenbacher.

Nach Zahlen der Initiative „Entschieden. Gegen Krebs“ bekommen in Deutschland pro Jahr etwa 4600 Frauen die Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Dass es nicht noch mehr sind, liegt auch an der guten Vorsorge. Ist der Zellabstrich vom Muttermund auffällig, folgt eine genauere Untersuchung in der sogenannten Dysplasiesprechstunde.

Am Klinikum Erding wurde diese vor gut einem Jahr von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert – ein Beweis für die hohe Qualität. Was aber passiert dort genau? Wie geht's danach weiter? Welche Ursachen hat Gebärmutterhalskrebs? Und wie kann man sich schützen? Darüber sprachen wir mit der Leiterin der Dysplasiesprechstunde, Gynäkologin Eveline Clocuh, und ihrer Kollegin Yvonne Lautenbacher.

Was ist die Dysplasiesprechstunde?

Eveline Clocuh: Das ist eine Spezialsprechstunde für Frauen, die im Rahmen der Krebsvorsorge beim Frauenarzt ein auffälliges Ergebnis beim sogenannten Pap-Abstrich bekommen haben: Es wurden Veränderungen der Schleimhaut㈠schicht gefunden, sogenannte Dysplasien, die zu Krebs führen können.

Wie sieht die Krebsvorsorge aktuell aus?

Clocuh: 2020 hat sich Vorsorgerichtlinie geändert. Von 20 bis 34 Jahren erfolgt einmal im Jahr eine zytologische Untersuchung, also der Abstrich. Frauen ab 35 Jahren bekommen alle drei Jahre ein kombiniertes Screening aus zytologischer Untersuchung und HPV-Test. Erst damit wurde die Untersuchung in der Dysplasiesprechstunde, die Abklärungskolposkopie, für viele Menschen offensichtlich.

Und trotzdem wissen viele Frauen nicht, was sich dahinter verbirgt.

Clocuh: Richtig. Die meisten Frauen, die zu uns kommen, sind nicht nur sehr besorgt und aufgeregt, sondern oft auch nicht informiert. Wir betreiben also erst einmal viel Aufklärung darüber, was hinter HPV steckt und was der Befund bedeutet.

Wie läuft die Untersuchung ab?

Clocuh: Wir fragen nach Medikamenten, Vorerkrankungen, ob die Frau eine HPV-Impfung hat und ob sie raucht, denn das ist ein hoher Risikofaktor. Danach werden die äußeren Genitalien betrachtet und dann der Gebärmutterhals unter Vergrößerung. Mit Essigsäure kann man Zellveränderungen sichtbar machen, und wenn nötig, entnehmen wir eine Biopsie. Die Patientin kann alles über einen Bildschirm mitverfolgen, was bei vielen für mehr Verständnis sorgt.

Yvonne Lautenbacher: Nach knapp einer Woche ist das Ergebnis da. Wir rufen die Frauen dann an, gehen die Befunde durch und sprechen eine Therapieempfehlung aus.

Wie viele Frauen kommen im Jahr zu Ihnen?

Lautenbacher: 2022 waren es 200. Heuer kommen wir wahrscheinlich auf 300, denn im ersten Halbjahr waren es um die 150.

Clocuh: Der Bedarf wird mehr, was sicher verbunden ist mit der Vorsorge an sich, aber auch damit, dass es nicht überall angeboten wird. Im Landkreis sind wir die einzige zertifizierte Dysplasiesprechstunde.

Lautenbacher: Deswegen ist sie immer ziemlich voll, aber wir vergeben die Termine nach Dringlichkeit: Bei Verdacht auf ein Karzinom kommt die Patientin gleich in der nächsten Sprechstunde.

Kommt dieser Befund häufig vor?

Clocuh: Bei uns sehr selten. Gebärmutterhalskrebs ist eine Infektionskrankheit, die durch HPV verursacht wird. Von der Infektion bis zum Krebs vergehen in der Regel zwischen zehn und 30 Jahre. Geht man also regelmäßig zur Vorsorge, findet man irgendwann Vorstufen. Ziel ist es, sie frühzeitig zu therapieren, damit kein Krebs daraus wird.

Wie sieht die Therapie aus?

Clocuh: Bei leichten Veränderungen wartet man eher ab und kontrolliert häufiger. In anderen Fällen ist eine Operation nötig. Bei der sogenannten Konisation werden die veränderten Zellen aus dem Gebärmutterhals herausgeschnitten, oder man entfernt Veränderungen an der Vulva, die ebenfalls auftreten können.

Wie oft ist eine OP nötig?

Clocuh: Von den rund 150 Frauen in diesem Halbjahr mussten 24 operiert werden.

Und wenn es doch ein Karzinom ist?

Clocuh: Dann wird die Frau in einer Tumorkonferenz vorgestellt, um gemeinsam die beste Therapie für sie zu finden. Wir arbeiten dabei mit dem Klinikum rechts der Isar zusammen.

Wie alt sind die Frauen, die zu Ihnen kommen?

Clocuh: Das ist sehr gemischt, von 80 bis 25 Jahre. Davor eigentlich nicht, denn die Vorsorge beginnt erst ab dem 20. Lebensjahr.

Lautenbacher: Der Großteil ist älter als 35, eben weil es ab da den Abstrich in Kombination mit dem HPV-Test gibt.

Kann man sich schützen?

Clocuh: Der beste Schutz ist die Impfung gegen HPV, die es seit 2007 gibt. Die Ständige Impfkommission empfiehlt sie für Mädchen und Jungs ab 9 Jahren. Wir können nur an die Eltern plädieren, ihre Kinder impfen zu lassen. Je jünger, desto besser schlägt sie an.

Lautenbacher: Aber auch Frauen nach der Konisation empfehlen wir die Impfung als Rezidivprophylaxe. Studien zeigen, dass die Häufigkeit, dass es wieder zu einer Zellveränderung kommt, dadurch geringer ist – unabhängig vom Alter.

Übernehmen das die Krankenkassen?

Clocuh: Wir schreiben nach einer OP immer eine Empfehlung zur Vorlage bei der Kasse, denn nach der Konisation wären viele bereit, sich impfen zu lassen, wenn es übernommen würde. Leider tun das die meisten Kassen nicht, und die drei Impfungen sind mit rund 600 Euro sehr teuer.

Lautenbacher: Wir haben viele Patientinnen, die nach einer OP eher aufgeschlossen sind, dass ihre eigenen Kinder geimpft werden, weil sie wissen, welche Konsequenzen die Infektion mit sich bringen kann.

Gibt es auch Vorsorge für Männer?

Clocuh: Nein, dabei können auch Männer an bestimmten HPV-bedingten Krebsarten erkranken. Deshalb ist auch für Jungs die Impfung empfohlen und wichtig. Leider ist die Bezeichnung „Gebärmutterhalskrebsimpfung“ im allgemeinen Sprachgebrauch irreführend, weil man meinen könnte, dass sie nur für Frauen ist.

Lautenbacher: Da muss sich noch mehr tun, dass es auch eine Vorsorge für Männer gibt.

Was ist HPV?

Humane Papillomviren, kurz HPV, treten sowohl bei Frauen als auch bei Männern auf. Laut Robert Koch-Institut (RKI) wird davon ausgegangen, dass HPV-Infektionen zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen gehören.
Die meisten sexuell aktiven Menschen infizieren sich mindestens einmal im Leben. Die Ansteckung erfolgt nicht durch Körperflüssigkeiten, sondern über engen Haut- und Schleimhautkontakt. In den meisten Fällen heilt die Infektion innerhalb etwa eines Jahres ohne gesundheitliche Probleme wieder ab. Betroffene wissen daher oft gar nicht, dass sie eine HPV-Infektion haben oder hatten.
Bisher sind mehr als 200 Virustypen bekannt. Einige wenige sind sogenannte Hochrisiko-HPV-Typen, die zu bösartigen Tumoren führen können. Andere, die Niedrigrisiko-HPV-Typen, sind für Genitalwarzen verantwortlich.

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