Nach dem Trump-Selenskyj-Gipfel kommt auf Merz eine entscheidende Frage zu
Immerhin, es soll jetzt ein direktes Treffen geben von Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj. Danach stößt Donald Trump dazu. Das kann viel sein, es kann wenig sein. Falls es denn überhaupt stattfindet. Bleiben wir lieber skeptisch – Frieden ist noch weit weg, ein „gerechter Frieden“ ist noch weiter weg.
Für die Ukraine zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig
Er wird sich jedenfalls gegen Russland nicht erzwingen lassen, Stand der Dinge jetzt. Die Amerikaner wollen raus, die Europäer wollen nicht richtig rein – für die Ukraine heißt das: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.
Donald Trump hat nun herausgefunden, dass der Krieg in der Ukraine kompliziert ist. Man sollte darüber nicht spotten, vor allem nicht die Europäer. Sie haben bislang so gut wie gar nichts zustande gebracht. Will man unbedingt positiv sein, dann kann man sagen: Wenn es das Ziel der Europäer war an diesem Abend zu verhindern, dass Washington Kiew den Russen ausliefert, dann haben sie das einstweilen erreicht. Immerhin. Aber Zweifel sind auch hier angebracht.
Russen wollen keine europäische Sicherheitstruppe in Ukraine
Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz ordnete es so ein: Die Europäer seien so schwach, dass ihnen nichts anderes übrig geblieben sei, als sich „mit dem Management der fragilen Persönlichkeit von Donald Trump zu beschäftigen“.
Vom Zustand der „strategischen Souveränität“, den Frankreichs Präsident seit Jahren als Ziel vorgibt, sind die Europäer weiter weg als die Entfernung von Brüssel bis zum Mond.
Traurig, aber wahr: Wenn es ein greifbares Ergebnis gibt, dann, dass es kein greifbares Ergebnis gibt. Die Russen ließen tief in der Nacht wissen, dass sie eine aus Nato-Mitgliedsländern gemischte europäische Sicherheitstruppe zur Überwachung eines Friedens nicht hinnehmen werden. Und die Ukrainer sind zu Gebietsabtretungen an Russland nicht bereit.
Ob einem das gefällt oder nicht: Beides hat seine innere Logik.
Europäer können keine Mediatoren sein
Die Europäer sind Partei auf der Seite der Ukraine, Mediatoren können sie glaubhaft kaum sein. Üblicherweise ist die erste Adresse für die Sicherung eines Friedens eine UN-Truppe mit robustem Mandat. Doch die Ukraine will die Europäer in der Ukraine sehen, am liebsten mit deren eigenen Soldaten. Und die Russen lehnen ein robustes Mandat für eine Friedenstruppe an.
Die Wahrheit nach diesem Washingtoner Gipfel lautet: Beide Seiten, sowohl Ukraine wie auch Russen, sind noch nicht reif für die entscheidenden Konzessionen. Trotz zehntausender toter Soldaten – die Kämpfe werden erst einmal weiter gehen.
Wem soll man das anlasten: Jedenfalls kaum Trump, dem gerade alle Europäer attestiert haben, mit seiner Krisendiplomatie Bewegung in die vertrackte Sache gebracht zu haben. Wie sagte es der finnische Präsident Alexander Stubb, das Nato-Neumitglied: „In den letzten zwei Wochen haben wir mehr Fortschritte gemacht, diesen Krieg zu beenden, als in den letzten dreieinhalb Jahren.“
Trump hat für Bewegung gesorgt
Was auch nur heißt: Trump hat für Bewegung gesorgt, die Europäer haben es nicht geschafft, überhaupt nur einen Gesprächskanal mit dem imperialistischen Aggressor Wladimir Putin hinzubekommen. Diplomatie ist aber nicht die Kunst mit Freunden zu reden, sondern mit Feinden klarzukommen.
Im Moment ist die Lage so – mit Nico Lange: Über Europas Sicherheit wird weniger in Europa und von den Europäern als in Washington und Moskau entschieden.
Dazu passt eine Meldung, die die Financial Times am frühen Morgen verbreitete:
Zur Absicherung eines Friedens darf die Ukraine für 100 Milliarden Dollar Waffen in den USA kaufen – die die Europäer bezahlen.
Es war eine Idee von Selenskyj, offenbar hat Trump sie frohgemut aufgegriffen. Es wäre jedenfalls ein Deal nach seinem Geschmack: Ein gleich doppelter Erfolg: Die Amerikaner müssen gar nichts mehr liefern, haben also keine weiteren Kosten. Und machen stattdessen ein grandioses Rüstungsgeschäft, für das die Europäer zahlen – ein Konkurrent also.
Entscheidende Frage stellt sich
Ist eigentlich von der europäischen Idee, eine europäische Rüstungsindustrie aufzubauen, die dann mit europäischen Waffen die Ukraine beliefert, überhaupt noch etwas übrig geblieben?
Und – gar nicht nebenbei: Auf Deutschland allein kämen dann 25 Milliarden Euro an Kosten zu. Darüber wird es eine große innenpolitische Debatte geben – müssen.
Genauso wie über die Frage, ob deutsche Soldaten in der Ukraine womöglich einen Frieden absichern. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul sprach sich klar dagegen aus, der Bundeskanzler hielt es an diesem frühen Dienstmorgen weiter offen.
Womöglich wird das die Frage aller Fragen für die deutsche Innenpolitik: Wenn Merz eine Führungsrolle in Europa für Deutschland – und auch für sich reklamiert – muss er den Deutschen beibringen, das dies nicht nur materiell einen hohen Preis hat.