"Das sollte Schule machen" - Jetzt bauen deutsche Unternehmen schon ihre eigenen Windräder
Das einstige DDR-Vorzeigeunternehmen Carl Zeiss aus Jena hat seit der Wende seinen Hauptsitz in Oberkochen bei Aalen im Osten der Schwäbischen Alb. Mit Niederlassungen in 50 Ländern gilt das Unternehmen weltweit als Spezialist für hochwertige Kamera-Objektive, Zielfernrohre oder Mikroskope. Allein an den 16 Standorten in Deutschland arbeiten 22.000 Beschäftigte, weltweit sind es 46.000. Jetzt will das Unternehmen auch in der Energiewende eine führende Rolle einnehmen.
100 Millionen Euro für die Windkraft sind ein "starkes Bekenntnis"
Zusammen mit dem Ellwanger Windkraftanlagenbauer „Uhl Windkraft“ will Carl Zeiss am Entwicklungs- und Produktionsstandort in Aalen-Ebnat zehn Windkraftanlagen bauen. Jedes einzelne Windrad erzeugt 6,8 Megawatt, der jährliche Stromertrag soll bei rund 120 Gigawatt liegen. Neben dem Windpark plant Carl Zeiss auch eine riesige Freiflächen-Photovoltaik-Anlage mit einer Leistung von 40 Megawattpeak, die 55 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugen kann.
Insgesamt will das Technologieunternehmen ein Viertel seines Stroms für die 16 Standorte in Deutschland selbst produzieren. Am Hauptsitz im baden-württembergischen Oberkochen möchte der Konzern seinen Strombedarf sogar bis zu 50 Prozent mit seinen eigenen Erneuerbaren Energien decken.
Damit das Unternehmen unabhängig vom öffentlichen Netz ist, will die Carl Zeiss AG ein eigenes Umspannwerk bauen, über das sie den grünen Strom nicht nur in die Produktionsstandorte nach Oberkochen und Aalen, sondern auch nach Jena oder Göttingen liefern will.
100 Millionen Euro investiert die Carl Zeiss AG in die Anlagen für die Erneuerbaren Energien bei Oberkochen. „Ein starkes Bekenntnis zum Standort Baden-Württemberg“ sei dies, sagt der Landesverbands-Geschäftsführer des Bundesverbandes WindEnergie (BWE), Dimitri Vedel-Wackerhagen (47), zu FOCUS online Earth. Anlässlich der Ankündigung der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel, alle Windanlagen „niedermähen“ zu wollen, weil die sich nicht rechneten, berief der Landesverband in der vergangenen Woche eine Landes-Pressekonferenz ein. Die Äußerungen von Weidel seien „unsäglich furchtbar“ und widersprächen „jeglicher wirtschaftlicher Realität und Vernunft“, sagt Vedel-Wackerhage.
Windpark von Carl Zeiss gibt Sicherheit in unsicheren Zeiten
Der Windpark von Carl Zeiss sei ein „Leuchtturmprojekt“, sagt Matthias Pavel vom Projektierer Uhl Windkraft, der andere mitziehen könnte. Tatsächlich gibt es in Baden-Württemberg weitere Firmen, die sich für Strom aus eigenen Windkraftanlagen interessieren, sich aber bislang „nicht aus der Deckung trauten oder sich hinter den Genehmigungsverfahren der Kommunen versteckten“, sagt Vedel-Wackerhagen.
Die Fischer Group aus Achern im Ortenaukreis, weltweit führender Anbieter von längsnahtgeschweißten Edelstahlrohren, traut sich indes genauso wie Carl Zeiss aus der Deckung. Die Genehmigung vorausgesetzt, will das Unternehmen im kommenden Jahr an der Autobahn A5 zwei große Windrädern bauen, die jeweils 13 Millionen Kilowatt Strom erzeugen. Andere Unternehmen wie eine große Brauerei oder ein Unternehmen aus dem Sanitär- und Armaturenbranche stehen noch in den Boxen, scharren aber mit den Hufen.
Große Hürde in der Bevölkerung: Akzeptanz
Eine große Hürde für viele Windkraftprojekte in Deutschland sei noch immer die Akzeptanz in der Bevölkerung. Zwischen Carl Zeiss und den Kommunen läuft die Kommunikation offenbar gut. „Wir wollen diese Transformation mit der Bevölkerung machen und nicht gegen sie“, sagt Felix Neuschwander, Geschäftsführer der Carl Zeiss Energie GmbH und verantwortlich für die Umsetzung des Windkraftprojekts. Die Genehmigungsverfahren sollen auch laut Projektierer, der Uhl Windkraft, auf einem guten Weg sein und erheblich reibungsloser und kürzer laufen als bei vielen anderen Projekten in Deutschland.
Im Jahr 2028 sollen die Rotorblätter der 179 Meter großen Windräder in Oberkochen laufen. Nun sei zu hoffen, dass das Beispiel „Schule macht“, sagt Julia Wolf, Landesvorsitzende des BWE in Baden-Württemberg. Tausend Windkraftanlagen seien aktuell in Baden-Württemberg in Planung – sie könnten bis 2030 rund 7000 Megawatt grünen Strom liefern.