„Er hat seine Klatsche bekommen“: Kreistag vergibt Landrat

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Landrat Robert Niedergesäß (CSU) war am Montag zeitweise nur Zuhörer im Kreistag, als es um seine kostspieligen Alleingänge ging. Die Sitzung leitete dann sein Stellvertreter und Parteifreund Walter Brilmayer. Am Ende wurden Niedergesäß´ Entscheidungen, für die der Steuerzahler aufkommen muss, nachträglich durchgewunken. © Rossmann

Die Alleingänge von Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß, die den Steuerzahler viel Geld gekostet haben, sind „geheilt“. Der Kreistag hat sie nachträglich mehrheitlich durchgewunken.

Ebersberg – Selten war eine Kreistagssitzung so gut besucht. Die Zuschauerplätze am Montag, 28 Juli: gefüllt. Die Ratssitze ebenso, fast lückenlos. Walentina Dahms, Bürgermeisterin von Markt Schwaben und CSU-Kreisrätin, hatte für die Sitzung ihren Italien-Urlaub unterbrochen. SPD-Rätin Elisabeth Platzer widmete ihren Geburtstag der Abstimmung. Es galt, die Fraktionsreihen zu schließen, alles verfügbare Stimmgewicht zu mobilisieren. Es ging um viel. Am Ende stand Vergebung für Landrat Robert Niedergesäß (CSU), wenn auch nicht von allen – und ein einstimmiges Votum für einen Umbau der Machtstrukturen im Landratsamt.

Der Nachmittag war für die CSU-Fraktion im Kreistag so bescheiden wie das Wetter. Für sie galt es, ihrem angeschlagenen Landrat den Rücken zu stärken.
Der Nachmittag war für die CSU-Fraktion im Kreistag so bescheiden wie das Wetter. Für sie galt es, ihrem angeschlagenen Landrat den Rücken zu stärken. © Rossmann

Grüne und SPD machten ihrem Ärger Luft, über die eigenmächtigen Landrats-Entscheidungen rund um den Rechtsstreit ums Gymnasium Kirchseeon (PPP-Modell) und die umstrittene Personalentwicklungssoftware fürs Landratsamt sdp. Gesamtkosten: rund 1,8 Millionen Euro. Wie viel davon ein wirklicher Schaden war – darüber schieden sich die Geister, zumindest an der Coaching-Software für 1,4 Millionen Euro. Diese sei schließlich erst Jahre später in die Kritik geraten, so etwa CSU und FDP. Einhellig dagegen der Ärger über den verlorenen PPP-Rechtsstreit, von dem rund 350 000 Euro beim Landkreis hängen blieben.

CSU/FDP und Freie Wähler üben sich in Verteidigung des Landrats

Die CSU/FDP-Fraktion übte sich in Verteidigung, flankiert von den Freien Wählern. „Hier hat sich keiner strafbar gemacht oder bereichert“, warb FW-Fraktionssprecher Günter Scherzl für eine nachträgliche Genehmigung der entsprechenden Rechtsgeschäfte. „Nur so bekommen wir das Ganze wieder in den Griff“, stimmte FDP-Mann Alexander Müller zu und sagte über Landrat Niedergesäß und die zurückliegende Debatte: „Er hat seine Klatsche bekommen.“ So sah es auch die CSU.

Den Grünen reichte das nicht. Die ehrenamtlichen Kreisräte seien in ihrer Kontrollfunktion bewusst ausgebremst, unvollständig oder fehlinformiert worden, kritisierte Reinhard Oellerer: „Das entzieht diesem demokratischen Prozess die Grundlage.“ SPD-Fraktionschef Ulrich Proske sprach von einem öffentlichen Vertrauensverlust und einer „Misere der kompletten Landkreispolitik“. Entsprechend verweigerten die beiden Fraktionen sowie die AfD und Linken-Rätin Marlene Ottinger dem Landrat die Entlastung.

Machtstrukturen im Ebersberger Landratsamt werden verändert

Die Abstimmung des knapp 60-köpfigen Gremiums ging mit gut einem Dutzend Stimmenmehrheit für eine Entlastung des Landrates aus. Für Niedergesäß ist damit auch eine potenzielle Privathaftung vom Tisch. Die ÖDP hatte ihre Zustimmung an eine Reform der Entscheidungsprozesse im Landratsamt geknüpft.

Die gibt es auch, nicht nur, was künftige Entscheidungsprozesse und die Einbindung des Kreistags angeht. Einstimmig votierte das Gremium dafür, die Abteilung Zentrales und Bildung in Teilen zu zerschlagen, etwa das Personal- und Bürgerbüro unter andere Leitung zu stellen und einen unabhängigen Compliance-Beauftragten zu installieren. Das, so verlautet es auch aus CSU-Kreisen, ist als gezielte Teilentmachtung von Abteilungsleiterin und Finanzmanagerin Brigitte Keller zu verstehen. Sie gilt vielen in Politik und Behörde als graue Eminenz im Landratsamt.

„Er hat seine Klatsche bekommen.“

Keller hatte zuvor sichtlich angefasst in einem emotionalen Statement eingeräumt, wie schwer sie von der aktuellen Krise getroffen sei, da sie seit 46 Jahren mit aller Kraft fürs Landratsamt arbeite: „Mir sind Fehler unterlaufen.“ Für diese übernehme sie auf Verwaltungsseite die Verantwortung.

Politisch trägt diese der Landrat, das betonte Niedergesäß gegenüber dem Gremium einmal mehr, indem auch er sich persönlich erklärte und nochmals entschuldigte: „Sie dürfen versichert sein, dass es gerade auch mir deutlich lieber gewesen wäre, dass diese unnötigen Fehler gar nicht passiert wären.“ Der Landrat gab zudem zu bedenken, dass dieselbe Verwaltung unter seiner Leitung 109 Millionen Euro bei den geplanten Schulneubauten in Grafing und Kirchseeon einsparen werde. Diesen Betrag könne man „rechtlich und vielleicht auch redlich“ mit den Kosten aus PPP und sdp zwar nicht vergleichen. „Aber bemerkenswert ist es schon, welchen politischen Raum und welche öffentliche Wahrnehmung diese beiden Beträge im Verhältnis zueinander einnehmen.“

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