Bei einer Bürgerversammlung, dem sogenannten „Hochwasserforum“, suchte die Stadt Memmingen den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, die vom Hochwasser Anfang Juni betroffen waren.
Memmingen – Beim diesjährigen Juni-Hochwasser war auch der Memminger Osten stark von den Wasserfluten betroffen. Im Rahmen des sogenannten Hochwasserforums versuchte die Stadtverwaltung am Samstag der Vorwoche Antworten auf Fragen der geschädigten Bürger zu finden.
Warum kam das Wasser gerade im Memminger Osten so stark? Wo genau ist Handlungsbedarf, um für zukünftige Starkregenereignisse gerüstet zu sein? Während Oberbürgermeister Jan Rothenbacher mit seinen Referatsleitern, dem Technischen Hilfswerk (THW), der Feuerwehr und den Stadtwerken die Fakten zu dem katastrophalen Wochenende Anfang Juni zusammentrugen, mussten viele der Zuhörerinnen und Zuhörer „Dampf ablassen“ und ihrem Ärger Luft machen. Die überwiegende Mehrheit der etwa 80 anwesenden Betroffenen äußerten teils heftige Kritik gegenüber dem Katastrophenmanagement von Stadt und Hilfsdiensten.
Emotionales Hochwasserforum: Außergewöhnliche Wetterkonstellation
Thomas Schuhmaier, Referatsleiter des Amtes für öffentliche Ordnung und Sicherheit und Tiefbauamtsleiter Urs Keil informierten zunächst über die Sachlage am Hochwasser-Wochenende.
Eine außergewöhnliche Wetterkonstellation, eine sogenannte „5B-Wetterlage“ habe ein Tiefdruckgebiet mit enormen Wassermassen aus dem stark erhitzten Mittelmeer gebracht. Der Deutschen Wetterdienst habe bereits zu Beginn der damaligen Woche Warnungen hierzu rausgeschickt. Die im Laufe der Flutwoche immer eindringlich werdenden Unwetterwarnungen setzten Feuerwehr, THW und DLRG in Alarmbereitschaft.
In der Nacht zum Samstag (31. Mai auf 1. Juni) hatte der Dauerregen mit seinen enormen Wassermengen zuerst die Freudenthalstraße überschwemmt. Es folgten die nahe gelegenen anderen Straßenzüge sowie die Stadtwerke, die Justizvollzugsanstalt (JVA) und die Kombibad-Baustelle. Überall hieß es: „Land unter!“
Obwohl reihenweise Keller unter Wasser gesetzt wurden und auch die JVA evakuiert werden musste, sei Memmingen im Vergleich zu den umliegenden Ortschaften im Landkreis Unterallgäu noch glimpflich davongekommen. Es habe weder Personenschäden noch unbewohnbare Häuser gegeben. Der Katastrophenfall musste – anders als im Unterallgäu – nicht ausgerufen werden.
Emotionales Hochwasserforum: Präventionsmaßnahmen wurden getroffen
Tiefbauamtsleiter Urs Keil zeigte auch die verschiedenen Hochwasser-Präventionsmaßnahmen, die bereits vor der Flut ergriffen wurden, auf. Er erläuterte auch das Stadtklimakonzept und die Gefahrenkarte von Memmingen. Dort werden beispielsweise die tiefergelegenen Stadtteile wie der Memminger Osten markiert.
Meine news
Die Anpassung der Infrastruktur des Hochwasserschutzes sollte bis Ende nächsten Jahres in Absprache mit dem Wasserwirtschaftsamt Kempten erfolgen. Auch wenn das jetzige „Jahrhundert-Hochwasser“ schneller war als die städtischen Bemühungen, leistete das im Aufbau befindliche Katastrophenschutzlager bereits gute Logistikdienste.
Freiwillige Feuerwehr, THW sowie DLRG hätten mit viel Engagement und Einsatzwillen Schlimmeres verhindern können. Insgesamt 203 Einsätze der Feuerwehr wurden von Freitag bis Sonntag gezählt. Gleichwohl sei auch künftig, aufgrund des Klimawandels und der starken Erd- und Meereserwärmung, vermehrt mit solchen Ereignissen zu rechnen.
Eine Dauerwarnung der Bevölkerung im Vorfeld sei weder leistbar noch sinnvoll, weil die Betroffenen erfahrungsgemäß „eher abstumpften als sich mit geeigneten Maßnahmen vorzubereiten“.
Emotionales Hochwasserforum: Betroffene kritisieren „späte“ Alarmierung
Genau dort setzte die Kritik der Anwohner an. Sie seien nicht rechtzeitig informiert worden, damit sie ihre Keller hätten leerräumen können. Das hätte zum Beispiel durch Megafon-Durchsagen in den betroffenen Straßen gemacht werden können. Unter großem Applaus der vom Hochwasser Betroffenen lautete ein Wortmeldung, dass der Katastrophenschutz der Stadt und der Rettungsdienste „zu 100 Prozent versagt“ hätte. Alle wären auf sich selbst gestellt gewesen, lautete hier der Vorwurf der Betroffenen.
Weitere Forderungen an die Stadt waren beispielsweise, besondere Hochwasserwände zu bauen oder Wasser aus dem Benninger Ried umzuleiten. Einige wenige besonnenere Wortmeldungen räumten jedoch auch ein, dass die großflächige Versiegelung des Memminger Ostens, wo früher nur feuchte Wiesen waren, ein grundsätzliches Problem sei. Ein Lob für den Einsatz der Rettungsdienste war ebenso zu hören.
OB Jan Rothenbacher musste sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, wonach die Stadt den Memminger Osten geopfert habe, um die Altstadt zu retten. Die Gemeinde Benningen, so ein weiterer Kritikpunkt, habe das Riedgewässer zu Lasten von Memmingen umgeleitet. Es solle sich doch lieber zuerst um den Memminger Osten gekümmert werden, bevor man sich an die vorsorgliche Entlastung von Heimertingen mache.
Rothenbacher und THW-Einsatzleiter Klaus Liepert wiesen die Anschuldigungen zurück. Gemessen an der Realität dessen, was an diesem schlimmen Wochenende geleistet worden sei, seien die Vorwürfe völlig unhaltbar. Rothenbacher wies außerdem darauf hin, dass ein solches „Jahrhundert-Hochwasser“ bereits vor 22 Jahren die Region heimsuchte und auch in Zukunft vermutlich noch öfter erlebt werden muss. Er wolle auch keine schnellen Zusagen bezüglich möglicher Baumaßnahmen zum vermeintlichen Hochwasserschutz machen, nur um Aktivität vorzutäuschen.
Den Kritikern hielt er entgegen, dass es bei Informationen und Warnungen eine Hol- und Bringschuld in Sachen Hochwasserschutz gebe. Am Ende blieb größtenteils die Ohnmacht spürbar – und das ausgerechnet im Versammlungsraum der DLRG-Wasserrettung.
Mit dem Kurier-Newsletter täglich zum Feierabend und mit der neuen „Kurier“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert sein. Besuchen Sie den Memminger KURIER auch auf Facebook!