„Ich hätte es mir schlimmer vorgestellt“: Senior soll Ehefrau erwürgt haben – und macht beklemmende Aussage

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Der Angeklagte (re.) im Gespräch mit seinem Verteidiger. © Sigi Jantz

Nach 60 Ehejahren soll ein demenzkranker Hohenlindener seine Frau im Ehebett erwürgt haben. Der Prozess vor dem Landgericht dreht sich nun um den Umgang mit der Tat.

Hohenlinden/München – Eine Stunde lang berichtet Alfred S. (Name geändert) am Mittwoch aus seinem Leben. Als er acht war, sei er mit seiner Familie „vor den Russen geflüchtet“. Später habe er eine Ausbildung zum Tankwart gemacht. „’53 ist das ein Beruf geworden“, erinnert er sich. Gut erinnern kann er sich an einen Faschingsball im Münchner Mathäser, bei dem er seine spätere Frau kennengelernt hat. 19 oder 20 Jahre sei er damals alt gewesen. Weniger gut kann er sich daran erinnern, wann er geheiratet hat und seine Kinder auf die Welt gekommen sind. „Aber Sie wissen’s bestimmt“, wendet sich der 86-Jährige an den Vorsitzenden Richter Thomas Bott. Der kann aushelfen: 60 Jahre hat die Ehe gehalten – bis zum frühen Morgen des 18. Juli vergangenen Jahres.

Vor Gericht schweigt der Angeklagte zur Tat - Doch er schilderte sie den Gutachtern

Dazu, was sich in jener Nacht ereignet hat, wolle sich sein Mandant nicht äußern, erklärt Verteidiger Matthias Bohn. So befragt Richter Bott eine Psychologin und einen Psychiater, die Alfred S. im Vorfeld des Prozesses untersucht haben. Dabei habe er angegeben, bis Mitternacht die Hand seiner gleichaltrigen Frau gehalten zu haben – wie sonst auch. „Dann habe ich es gemacht“, hat er nach Angaben des Psychiaters die Tat gestanden. Dazu, wie er sie umgebracht hat, habe er allerdings nichts sagen wollen. Nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen ist der Rentner ums Bett gegangen und hat seine schlafende Ehefrau am Hals gepackt. Als sie aufwachte, soll er sie mehrere Minuten lang gewürgt und ihr anschließend ein Kissen aufs Gesicht gedrückt haben. Wie die Psychologin berichtet, hat Alfred S. ihr gegenüber angegeben: Seine Frau habe weniger Widerstand geleistet als erwartet. Und weiter: „Es war gar nicht so tragisch. Ich hätte es mir schlimmer vorgestellt.“

Staatsanwaltschaft geht von Schuldunfähigkeit aus

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Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Rentner an Demenz mit wahnhaften Symptomen leidet und zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war. Deshalb hat sie ihn nicht wegen heimtückischen Mordes angeklagt, sondern seine Unterbringung in der Psychiatrie beantragt. Laut Antragsschrift hat sich der 86-Jährige nach der Tat neben seine tote Frau ins Bett gelegt. Nachdem er am Morgen gefrühstückt und Zeitung gelesen hat, ruft er seinen Sohn an: Seine Mutter habe sich selbst getötet, erzählt er ihm und kündigt an, dasselbe zu tun. Als ein vom Sohn alarmiertes Nachbarehepaar in der Wohnung eintrifft, hat sich Alfred S. tatsächlich die Pulsadern aufgeschnitten. „Ich hab’ gar nicht gewusst, wie schwer es ist, sich selbst umzubringen“, soll er gesagt haben.

Nach der Tat wirkte der Beschuldigte ruhig und gefasst, sagen die Nachbarn

Obwohl er sofort zugegeben habe, seiner Frau „die Gurgel abgedreht“ zu haben, habe Alfred S. „ruhig und gefasst“ gewirkt, berichten die Nachbarn – aber nicht verwirrt. Und im Vorfeld? Ihnen sei aufgefallen, dass der 86-Jährige „geistig abgebaut hat“. Ob sie konkrete Anzeichen benennen können, will Richter Bott wissen: S. habe Wochentage verwechselt und zunehmend von früher, insbesondere von der Flucht nach dem Krieg erzählt.

Die Kinder des nicht vorbestraften Beschuldigten beteiligen sich als Nebenkläger an dem Verfahren. Ihnen gehe es nicht darum, dass ihr Vater dauerhaft in die Psychiatrie eingewiesen wird, betont ihre Anwältin Claudia Enghofer am Rande der Verhandlung. Sie möchten wissen, wie ihre Mutter gestorben ist – und vor allem warum. Einen ersten Anhaltspunkt gibt es: Nach Angaben des Psychiaters hat Alfred S. ihm gegenüber behauptet, seine Frau habe mit einem seiner früheren Arbeitskollegen „seit langer Zeit ein sexuelles Verhältnis“ gehabt. Das Gericht hat vier Verhandlungstage bis Mitte Juni angesetzt.

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