Versagen in der K-Frage: SPD-Basis watscht Parteichefs ab – Klingbeil zeigt Reue

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Die SPD-Kanzlerkandidatur wird zum Polit-Drama: Pistorius‘ Verzicht hinterlässt tiefe Spuren in der Partei und wirft Fragen über die Führung auf.

Berlin – Letztendlich war es der Verteidigungsminister, der das selbstzerstörerische Drama zum Stillstand brachte: Boris Pistorius (SPD) teilte in einer Videobotschaft mit, dass er gegenüber dem Parteivorstand und der Fraktionsführung klargestellt hat, dass er als Kanzlerkandidat nicht zur Verfügung steht. Erst dann war eine Dauerdebatte um die K-Frage beendet.

Streit um Kanzlerkandidatur: Klingbeil und Esken geraten in die Kritik

Doch die Turbulenzen in der K-Frage der letzten Tage haben Spuren bei der Partei und ihren Mitgliedern hinterlassen: Olaf Scholz ist als Kanzlerkandidat angeschlagen. Kein optimistischer Aufbruch, eher betretene Stimmung bis hin zu öffentlicher Kritik aus den eigenen Reihen. Die SPD stolpert nun auf die Bundestagswahl zu. Und die Verantwortung dafür wird von vielen in der Partei hauptsächlich bei der Parteiführung um Saskia Esken und Lars Klingbeil gesehen.

K-Frage bei der SPD: Boris Pistorius im Gespräch mit Olaf Scholz.
K-Frage bei der SPD: Boris Pistorius im Gespräch mit Olaf Scholz. © JOHN MACDOUGALL/AFP

Scholz gegen Pistorius: SPD rechnete wohl nicht mit Kandidatendebatte

Doch warum geschah das Drama um die K-Frage? Laut Informationen des Magazins Spiegel lag dies unter anderem daran, dass man innerhalb der SPD – und insbesondere in der SPD-Führung – nach dem Bruch der Koalition nicht mit einer Kandidatendebatte zwischen Scholz und Pistorius gerechnet hätte. Diese wird noch am 11. November von zwei SPD-Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft angestoßen. Sie posten in sozialen Netzwerken: „Mit Boris Pistorius als unserem Kanzlerkandidaten sind unsere Chancen, stärkste Partei zu werden oder jedenfalls deutlich besser abzuschneiden, sehr viel größer.“

Am 12. November versammeln sich dann Mitglieder des Seeheimer Kreises, einer konservativen Fraktion innerhalb der SPD, zum gemeinsamen Mittagessen in der Parlamentarischen Vertretung. Etwa 50 Abgeordnete nehmen an diesem Treffen teil. Eine zentrale Frage beschäftigt sie: Sollte die Partei Scholz durch Pistorius ersetzen?

Nach dem Treffen berichten Teilnehmer laut Spiegel, dass viele Anwesende ernsthafte Bedenken haben, ob die SPD mit Scholz ein respektables Ergebnis erzielen kann. Der Wechsel zu Pistorius müsse kommen, so etwa Joe Weingarten, SPD-Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz. Weingarten betonte, dass diese Ansicht bis in die kleinsten Ortsvereine hinein verbreitet ist und sich auch nicht mehr ändern wird, so der Spiegel.

Führungsmangel während der Debatte um K-Frage der SPD

Immer mehr Parteimitglieder beginnen schließlich, öffentlich den Kanzler in Frage zu stellen. Die Parteiführung stellt sich hinter Scholz, nominiert ihn aber nicht offiziell, will ihn aber auch nicht zum Rückzug überreden. Je länger die Unsicherheit anhält, desto mehr Unmut richtet sich gegen Esken und Klingbeil. Axel Schäfer, SPD-Abgeordneter, äußert sich dazu: Führung bedeute nicht nur, auf die Partei zu hören. Parteivorsitzende müssten kluge Richtlinien setzen, die eine Mehrheit finden können. Dies gelte für Gremien, Parteitage und die allgemeine Bevölkerung.

Die Parteispitze würde keine Führung zu zeigen, indem sie eine Hintertür offen lässt, wirft SPD-Abgeordneter Ralf Stegner Esken und Klingbeil vor. Er betont die Notwendigkeit von Orientierung. Esken und Klingbeil jedoch scheinen genau diese Orientierung nicht zu bieten, während ihre Partei sich in Streitigkeiten über die Kandidatur verwickelt. 

Harsche Kritik aus den eigenen Reihen: „Shit Show“ bei der K-Frage

Mit scharfer Kritik an der Parteiführung haben die Jusos auf die zähe und kontroverse Debatte über die SPD-Kanzlerkandidatur reagiert. Zum Auftakt des Bundeskongresses des Jugendverbands in Halle an der Saale sprach Juso-Chef Philipp Türmer den Parteivorsitzenden Esken und Klingbeil die Führungsfähigkeit ab. „So geht‘s nicht weiter. Was war das eigentlich für eine Shit Show in den letzten Wochen“, sagte er unter Applaus der 300 Delegierten an die Adresse der SPD-Führung. 

Diskussionen seien zwar wichtig, aber sie müssten „ordentlich moderiert und angeleitet“ werden. „Und liebe Saskia, lieber Lars: Leider hatte ich zu keinem Zeitpunkt in den letzten Wochen den Eindruck, dass ihr die Herrschaft über diesen Prozess oder die Diskursherrschaft über die Partei oder gar einen klaren Plan hattet.“ 

Kritik an SPD-Parteichefs: Klingbeil und Esken geben sich reumütig

Das Führungsduo reagierte umgehend auf die Kritik – und zeigte Reue: „Mein Führungsanspruch ist schon, dass man in die Partei reinhorcht, dass man Debatten führt, dass man in unterschiedlichen Szenarien auch denkt“, verteidigte sich Klingbeil im Deutschlandfunk. Diese Zeit habe man sich nehmen wollen. Er räumte aber ein, dass er sich die Diskussion anders vorgestellt hätte. Alle in der SPD wüssten, „dass man das hätte anders machen müssen“ Er frage sich auch selbst, was er als Vorsitzender anders hätte machen können.

Esken äußert beim Juso-Bundeskongress schließlich erstmals Selbstkritik. „Nein, wir haben kein wirkliches gutes Bild abgegeben bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten“, sagte sie auf und erntete dafür lang anhaltenden Applaus. 

Esken machte aber auch deutlich, dass ihrer Ansicht nach der Partei kein Schaden entstanden ist. „Wir gehen aus dieser Debatte nicht beschädigt, sondern auch gestärkt hervor, weil wir eben große Einigkeit jetzt erzielt haben“, sagte sie vor Journalisten. „So eine geschlossene Partei, die sich jetzt auch hinter dem Spitzenpersonal versammelt und gemeinsam losläuft, ist die Stärke der SPD. So werden wir die Wahl gewinnen.“

Scholz wird am Montag von der SPD-Führung vorgeschlagen

Nach dem Verzicht von Pistorius will die SPD-Führung am Montag Scholz als Kanzlerkandidat nominieren. Lars Klingbeil und Saskia Esken werden am Montag dem Parteivorstand und dem Präsidium vorschlagen, mit Scholz in den Wahlkampf um die Bundestagswahl zu ziehen. Stimmen die Parteigremien zu, ist Scholz offiziell nominiert und soll dann am 11. Januar auf einem Parteitag bestätigt werden. (sot mit dpa/afp)

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