Zukunft des Iran ist unklar wie selten - kann sich Anführer Chamenei halten?

Der Krieg zwischen Israel und dem Iran hat tiefe Spuren hinterlassen – militärisch, politisch und symbolisch. Mehr als 20 hochrangige iranische Kommandeure wurden getötet, die USA haben in koordinierter Aktion zentrale Atomanlagen angegriffen

Während Washington von einem strategischen Erfolg spricht, ist das Ausmaß der Zerstörung bislang unklar. Ebenso unklar ist der Zustand des iranischen Staates. Tagelang war es still geworden um den obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei. 

Rätseln um den Religionsführer

Erst zwei Tage nach dem überraschenden Kriegsende, das US-Präsident Donald Trump am Dienstag verkündete, meldete sich Chamenei mit einer Fernsehansprache zurück. Darin gratulierte er dem iranischen Volk und warnte zugleich die USA und Israel: Angriffe auf die Islamische Republik hätten „erhebliche Konsequenzen“, eine Kapitulation werde es „niemals“ geben.

In einem Staat, der auf symbolische Präsenz und religiöse Autorität baut, wog Chameneis Abwesenheit in der vergangenen Woche schwer. Die „New York Times“ berichtete zuletzt, der 86-Jährige halte sich in einem Bunker auf, meide elektronische Kommunikationsmittel und kommuniziere mit seinen Kommandeuren über einen vertrauten Assistenten. 

Sein Aufenthaltsort ist nach wie vor unklar. Im Krieg hatte Israels Verteidigungsminister Israel Katz Chamenei offen gedroht: Dieser könne „nicht weiter existieren“.

Katz
Libanon, Beirut: Israels Verteidigungsminister Israel Katz (l) bei einem Truppenbesuch im Südlibanon. dpa

Insider in Teheran gibt Einblicke

Chamenei verkörpert als Staatsoberhaupt die zentrale politische, religiöse und militärische Autorität. Ihm untergeordnet sind Präsident und Regierung, die zwar gewählt werden, aber ohne Rückendeckung des Machtzentrums wenig Handlungsspielraum haben. 

Eine Schlüsselrolle spielen zudem die Revolutionsgarden – ein militärischer und wirtschaftlicher Machtapparat, der direkt dem obersten Führer untersteht und maßgeblich die Außen- und Sicherheitspolitik bestimmt.

Im Krieg wurden mehr als 20 hochrangige Kommandeure und Generäle der Revolutionsgarden gezielt getötet. Dennoch sieht ein Experte in Teheran den Machtapparat dadurch nicht automatisch gefährdet. „Wer nun getötet wurde und wer nicht, halte ich für weniger wichtig als die Frage, ob das Ganze ideologische Folgen hat“, sagt der Insider. Israel habe auch die Schwächen des iranischen Staates offenbart. „Was zählt, sind nicht Widerstand und Glaube, sondern gute Geheimdienstarbeit und moderne Waffen – das ist jetzt auch im Gehirn des Regimes angekommen.“

Im Jahr 2019 feierte die Iranische Revolutionsgarde ihren 40. Jahrestag
Mitglieder der Iranische Revolutionsgarde (Archivbild) Vahid Salemi/dpa/picture alliance

Experte: Weiter keine Kritik an Chamenei geduldet

„Kurzfristig ist nicht davon auszugehen, dass die iranische Führung entscheidend geschwächt ist“, sagt der Nahost-Experte Simon Fuchs. Es gebe harte öffentliche Debatten zwischen moderateren Kräften um Präsident Massud Peseschkian und Hardlinern über die Sinnhaftigkeit von Verhandlungen mit dem Westen, sagt der Professor für Islamwissenschaft an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Kritik an Chamenei sei aber weiter tabu.

Die iranische Führung versuche bewusst, Normalität zu proklamieren und das Gefühl der nationalen Einheit und Solidarität, die die israelischen und amerikanischen Angriffe erzeugt haben, für sich zu nutzen. „Gleichzeitig zeigt das massive Vorgehen gegen vermeintliche israelische Spionagenetzwerke, samt mehrerer Hinrichtungen, wie nervös man ist und wie wichtig es dem Regime ist, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren“, sagt Fuchs. 

Neuer Machtkampf könnte ausbrechen

Laut der "Washington Post" könnte gar ein neuer Machtkampf zwischen Pragmatikern, die auf Diplomatie setzen, und der mächtigen Islamischen Revolutionsgarde, die Chameneis Konfrontationskurs unterstützt, bevorstehen. Im Iran bleiben offene Diskussionen über die Nachfolge des hochbetagten Chamenei tabu, doch die "Washington Post" berichtet von Anzeichen für Unzufriedenheit innerhalb der Regierung. Namen wie Chameneis Sohn Modschtaba, der im Hintergrund großen Einfluss hat, oder Ex-Staatspräsident Hassan Rohani, werden als mögliche Nachfolger gehandelt. 

Generaldebatte der UN-Vollversammlung
Angela Merkel mit Hassan Rohani Kay Nietfeld/dpa

Die Zukunft des Iran könnte sich erheblich ändern, je nachdem, wie ein eskalierender Machtkampf gelöst wird und wer schließlich das Erbe Chameneis antreten wird.