Tauwetter dank Tusk – Frühling zwischen Deutschland und Polen?
Donald Tusk trifft mit Verspätung in Paris und Berlin ein. Erste Annäherungsversuche Polens sollen die Beziehungen wieder stärken.
Berlin – Für einen Besucher, dessen Ankunft so sehnlichst erwartet wurde, hat sich Donald Tusk ganz schön viel Zeit gelassen. Fast auf den Tag genau zwei Monate nach seiner Vereidigung reist Polens Ministerpräsident heute zu seinen beiden wichtigsten Partnern in der EU. Zunächst wird er in Paris erwartet, am Nachmittag steht der Termin in Berlin an. Als Tusk Mitte Dezember sein Amt antrat, hoffte Olaf Scholz noch, den Regierungschef „in den kommenden Wochen“ empfangen zu können. Das war zu optimistisch gedacht. Bisher haben die vielen innenpolitischen Baustellen, von der personellen Neugestaltung der öffentlich-rechtlichen Medien bis zum Wiederaufbau des Rechtsstaats, Tusk fast vollständig beansprucht.
Tusk will Polens Beziehungen zu Deutschland und Frankreich verbessern
Lediglich in Brüssel und Kiew stellte er sich persönlich vor. Anders als sein nationalkonservativer Vorgänger Mateusz Morawiecki und der ewige Strippenzieher Jaroslaw Kaczynski von der PiS-Partei, der sich Donald Trump verbunden fühlte, aber viele andere Partner verprellte, ist der liberale Premier ein Freund des Westens. Tusk, der fünf Jahre lang EU-Ratspräsident war, will das schwer lädierte Verhältnis Polens speziell zu Frankreich und Deutschland zügig reparieren. Zu forsch kann er dabei aber nicht agieren, denn in der Heimat wartet der politische Gegner nur auf eine Gelegenheit, ihm übertriebene Nähe zum großen Nachbarn vorzuwerfen. Dass Kaczynski Tusk nach dessen Ernennung zum Ministerpräsidenten einen „deutschen Agenten“ nannte, war so deplatziert wie erwartbar. Das Spiel mit antideutschen Ressentiments, bis hin zum Ruf nach Reparationszahlungen, gehört zum Standardrepertoire der PiS.
Polens Ministerpräsident Tusk als „Geisel der PiS Rhetorik“
Tusks Bemühen, wieder rechtsstaatliche Prinzipien einzuführen und Parteigänger Kaczynskis schnellstmöglich von den Schalthebeln der Macht zu entfernen, verglich der mit den Methoden Adolf Hitlers. Mit solchen Attacken hat die PiS die politische Debatte in Polen derart vergiftet, dass Tusk bei seiner Wiederannäherung immer damit rechnen muss, der Unterwerfung gegenüber Berlin beschuldigt zu werden. Die Vizepräsidentin des Deutschen Polen-Instituts, Agnieszka Lada-Konefal, nannte Tusk bei der Deutschen Welle zuletzt „eine Art Geisel der PiS-Rhetorik“. Entspannung ist nicht in Sicht. Die ersten zwei Monate im Amt hat Tusk vor allem damit verbracht, den acht Jahre lang wuchernden Einfluss der PiS auf die nationalen Institutionen zu stutzen. Unmittelbar nach seiner Vereidigung entließ er nicht nur die gesamte Führung der öffentlich-rechtlichen Medien, denen er die Verbreitung von Parteipropaganda vorwarf.
Tusk zeigt Kante: „Polens Grenze wird dicht sein“
Er stellte auch In- und Auslandsgeheimdienst sowie die Antikorruptionsbehörde personell neu auf. Auch ihnen attestiert Tusks Regierungsbündnis, im Auftrag der PiS politische Gegner diskreditiert zu haben. Bei aller Nähe, die zwischen Warschau und Berlin nun wieder möglich ist, wird das Verhältnis aber nicht frei von Kontroversen sein. Beim Thema Migration etwa will Donald Tusk selbstbewusst auftreten. Er betont zwar, wie unerlässlich ein menschlicher Umgang mit Flüchtlingen sei, sagt aber: „Polens Grenze wird dicht sein.“
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Auch dem deutschen Wunsch, das Prinzip der Einstimmigkeit bei EU-Entscheidungen aufzuheben, widerspricht er: „Keine Manöver, keine Spielereien.“ Die Vorfreude auf das heutige Treffen ist dennoch groß, auf beiden Seiten. Tusk weiß um den Wert eines stabilen Verhältnisses zu Berlin. Selbst den nicht enden wollenden Attacken Kaczynskis kann er deshalb etwas Gutes abgewinnen. Es könne gar keinen besseren Beweis dafür geben, „dass es sich gelohnt hat, das Böse zu vertreiben“. (Marc Beyer)