Kempten: Freie Schulwahl für einige Schüler aus dem nördlichen Oberallgäu bald passé?
Die steigenden Schülerzahlen und knappe Kassen stellen die Stadt Kempten vor Herausforderungen. Im Schulausschuss wurde die Dringlichkeit klar.
Kempten/Oberallgäu – Es muss schnell eine Lösung mit dem Landkreis her. Oberbürgermeister Thomas Kiechle sagte es im Ausschuss für Schule und Sport ganz deutlich, als es um die Entwicklung der Schülerzahlen an Gymnasien und Realschulen ging. Von den Gesprächen hängt ab, wie umfangreich die Erweiterung des Carl-von-Linde-Gymnasiums ausfällt und ob künftig weniger Jugendliche aus dem Oberallgäu die Schulbank in Kempten drücken. Die Uhr tickt, weil die Frist für Förderanträge im September abläuft.
Die Schülerzahlen steigen und die Raumkapazitäten sind bis 2025/2026 erschöpft, erklärte Schulreferent Thomas Baier-Regnery. Die Zuwächse kommen vor allem aus dem Landkreis Oberallgäu. Schon seit einiger Zeit möchte man das Oberallgäu über die Gastschulbeiträge hinaus an der Finanzierung beteiligen, gerade auch im Hinblick auf die Sanierung und Erweiterung des Carl-von-Linde-Gymnasiums (CvL). Hinzu kommt: Schulbauten sind teuer, die Kassen klamm. „Wir sind nicht mehr in der Lage, es aus eigener Kraft zu schultern“, so Oberbürgermeister Thomas Kiechle.
Kemptener Gymnasien und Realschulen: Dort stammt die Schülerschar her
Baier-Regnery warf eine Reihe von Tabellen an die Wand: Bis zum Jahr 2038 wachsen die Kemptener Gymnasien und Realschulen um 1.200 Schülerinnen und Schüler. Für die Realschulen wird ein Plus von 20 Prozent errechnet (2023: 1.870/ 2038: 2.257), für die Gymnasien sogar eine Zunahme von 30 Prozent (2023: 2.640 /2038: 3.460). Aber bereits die Zahlen des aktuellen Schuljahres seien höher als vom Institut für selbiges vorhergesagt. Stolze 84 Prozent der an den Realschulen hinzukommenden Schüler sollen laut Analyse aus dem Landkreis stammen. An den Gymnasien sind es 75 Prozent.
Die ab 2025/26 fehlenden 15 Klassenzimmer an den Realschulen könnte man nach Baier-Regnerys Worten anmieten. Dann würden sich die Räume einer Schule auf zwei Orte aufteilen.
Um dem Raummangel an den Gymnasien Herr zu werden, seien „Raummodule“ aus Holz am Allgäu- und am Hildegardis-Gymnasium ein Teil der Lösung.
Außerdem sollte man das Carl-von-Linde-Gymnasium jetzt schon mit dem vierstöckigen Erweiterungsbau und den darin vorgesehenen sechs zusätzlichen Klassenzimmern vergrößern. Derzeit unterliegt die Sanierung und Erweiterung einer sogenannten Haushaltssperre. Die inklusive angenommener Preisteuerungen auf 60 Millionen Euro gekletterten Baukosten hatten den Stadträten in den Haushaltsverhandlungen Bauchschmerzen verursacht. Welcher Zeitverzug und welche Umplanungen die Sperre nun auslöst, könne man noch nicht absehen. Bereits jetzt sei ein Jahr verloren, so Baier-Regnery.
Der Haupt- und Finanzausschuss, dem die Entscheidung über das weitere Vorgehen obliegt, möchte noch eine Expertenrunde darüber hören, ob am CvL nicht doch billiger gebaut werden könnte und ein zusätzlicher Schulstandort günstiger wäre. Lediglich kleinere Einsparpotentiale seien möglich, skizzierte der Referent das laut OB einhellige Zwischenergebnis. Allerdings müsse man prüfen, ob diese Einsparungen langfristig sinnvoll sind, zum Beispiel was die Energie betrifft.
Neuer gymnasialer Schulstandort? – „Keine Option“
„Ein Neubau ist keine Option“, sagte Baier-Regnery. In so kurzer Zeit könne ein neuer Schulstandort nicht errichtet werden. Außerdem sind für einen solchen dauerhaft 650 Schüler nötig, das gäben die Zahlen nicht her.
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Die Konsequenz: Sofern sich mit dem Landkreis nun eine gemeinsame Finanzierungslösung finde, entstehen die fraglichen sechs Zimmer. Wenn nicht, falle der Erweiterungsbau nur dreistöckig aus.
Die Zeit drängt. Um Förderungen aus dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (FAG) für die Module und das CvL zu erhalten, müssen die Anträge bis September abgeschickt sein. „Wir brauchen bis zum Sommer Klarheit, ober der Landkreis einen Bedarf sieht zur Versorgung seiner Schülerinnen und Schüler im Stadtgebiet Kempten oder an andere Lösungen denkt“, so Baier-Regnery. Komme es zu keinem Deal mit dem Oberallgäu, würde man ab etwa 2025/26 zunehmend weniger Gastschüler von dort aufnehmen. Gegebenenfalls seien dann Zuweisungen durch die MB-Dienststelle an andere Gymnasien erforderlich.
Alternativen für das Bauprojekt am CvL: Ideen der Experten nicht kreativ genug?
Ein Worst-Case-Szenario mit „gesprengten“ Familien malte sich Barbara Haggenmüller (Grüne) aus, wenn bereits Kinder in der Stadt die Schule besuchen und ihre Geschwister dann im Oberallgäu unterrichtet werden müssten. „Das ist eine Szene, die wollen wir auf gar keinen Fall!“, sagte sie.
Prof. Dr. Robert Schmidt (CSU) fehlt an den Überlegungen ein „Denken out oft the box“. Er habe etwa eine Modulbauweise vorgeschlagen, den Bau mit einem Generalunternehmer oder Finanzierungskonzepte über Mietkauf, Sponsoren oder Investorenmodelle. „Es ist möglich, dass das nicht geht, aber das müsste man einfach mal prüfen“, sagte er.
Die jetzigen Pläne über den Haufen zu werfen und solche Ideen beim aktuellen Baufortschritt noch umzusetzen, dafür sei es nun zu spät, sagte Katharina Schrader (SPD), die selbst an den Gesprächen beteiligt ist. „Jede Umplanung würde jetzt Folgekosten auslösen, sodass am Ende ein Nullsummenspiel herauskommt.“ Baier-Regnery, der OB und Schrader waren der Meinung, dass Schmidts Überlegungen bei künftigen Bauprojekten eine Rolle spielen sollten. Aber „die Fördersystematik des Freistaats verhindert zum Beispiel, mit einem Generalunternehmer zusammenzuarbeiten“, schränkte sie ein.
Kempten ist Schulstadt
Barbara Haggenmüllers Idee, beim Freistaat andere Förderrichtlinien einzufordern, werde bereits im Städtetag diskutiert, so der OB. Er zeigte sich „sehr sicher“, dass man rechtzeitig einen gemeinsamen Weg mit dem Landkreis finden werde. „Es geht um das Wohl der Schüler“, sagte Kiechle. Mit Bustransfers zu arbeiten, sei nur kurzfristig möglich.
Auf die Frage von Julius Bernhardt (FFK), wie es aktuell um die Verhandlungen mit dem Landkreis steht, ließ der Oberbürgermeister sich lediglich entlocken: „Es sind gute Gespräche.“
Auch Oberallgäuer Kreisräte wohnten der Sitzung bei. „Wenn ein Expertengremium sagt, man muss vierstöckig bauen, dann sollte man das so machen. Jetzt ist der Landkreis gefragt, schnell gute Gespräche zu führen. Aber man muss auch den Freistaat in die Pflicht nehmen“, tat Christina Mader (Grüne) anschließend dem Kreisboten ihre Meinung kund.
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