Trügerische Sicherheit: Vorsicht vor der TÜV-Falle beim Gebrauchtwagenkauf
Früher war die Sache einfach. Jedes Jahr TÜV entsprach einem Tausender beim Gebrauchtwagenverkauf. Zumindest bei älteren Autos, die unter Studenten oder Auszubildenden den Besitzer wechselten. Dieser Jungmenschen-Arithmetik folgend, bedeutet „TÜV neu“ also zweitausend Euro.
"TÜV neu" - was heißt das eigentlich?
Auch heute noch findet man bei der Suche nach Gebrauchtwagen häufig den Zusatz „TÜV neu“. Der Käufer wähnt sich damit auf der sicheren Seite. Wenn eine Prüforganisation das Fahrzeug unter die Lupe genommen und die Plakette erteilt hat, ist doch alles in Ordnung. Klingt gut, ist aber nicht immer der Fall.
Rein rechtlich gesehen ist das beliebte Siegel „TÜV neu“ nicht nur ein Verkaufsargument, sondern eine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung, die sich auf diesen Punkt bezieht. Das bedeutet, dass sich das Fahrzeug bei der Übergabe in einem verkehrssicheren Zustand befinden muss, der den Anforderungen der Hauptuntersuchung nach Paragraf 29 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) entspricht. So weit, so gut. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen gewerblichen und privaten Verkäufen. „Die Beschaffenheitsvereinbarung ‚TÜV neu‘ gilt vor allem für den Handel“, erklärt Helge Trapp, Leiter der TÜV Nord Station Hannover-Anderten.
Unterschied zwischen privaten Verkäufern und Händlern
Anders sieht es aus, wenn man ein Fahrzeug von einer Privatperson kauft. Dann ist mehr Vorsicht geboten. Auch wenn die Klausel „gekauft wie gesehen“ seit 2022 unwirksam ist, schließen private Verkäufer die Sachmängelhaftung im Vertrag explizit aus. In vielen Musterverträgen für private Autoverkäufer, die man sich im Internet herunterladen kann, findet sich ein Passus wie „Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Haftung für Sach- und Rechtsmängel verkauft.“ Dann muss der Käufer im Zweifel nachweisen, dass der Mangel schon bei der Übergabe bestand und der Verkäufer davon wusste, diesen aber verschwiegen hat. Kein einfaches Unterfangen.

TÜV-Mann Helge Trapp weist auf einen wichtigen Punkt hin: „Nicht jeder Mangel im HU-Bericht macht ein Fahrzeug unsicher – und eine bestandene Hauptuntersuchung garantiert nicht in jedem Fall zwei Jahre sorgenfreies Fahren, da es sich bei der Hauptuntersuchung immer um eine Ist-Zustandsbewertung handelt.“ Deswegen empfiehlt es sich bei einem Kauf von privat, den Prüfbericht genau zu studieren.
TÜV-Prüfbericht genau anschauen
Liegt dieser nicht vor, ist Vorsicht geboten. Dann sollte man im Zweifel selbst aktiv werden und mit dem Auto einen weiteren Check durchführen lassen. Diesen bieten oft die gleichen Prüforganisationen an, die auch die Hauptuntersuchung durchführen. Eine HU-Plakette bedeutet nicht, dass das Auto zu hundert Prozent in Ordnung ist. Ein Blick auf das Verdikt des Prüfers illustriert das.
Der TÜV Nord unterscheidet folgende Befunde:
• OM = Ohne Mängel: Das Fahrzeug ist verkehrssicher, die Prüfplakette wird erteilt.
• HW = Hinweise: Kein Mangel, aber zukünftiger Verschleiß droht (z. B. beginnende Korrosion). Die Plakette wird erteilt.
• GM = Geringer Mangel: StVZO-relevante, aber nicht sicherheitskritische Mängel (z. B. wenn eine von zwei Kennzeichenbeleuchtungen defekt ist). Die Plakette kann nur zugeteilt werden, wenn eine unverzügliche Beseitigung zu erwarten ist.
• EM = Erheblicher Mangel: Ein oder mehrere sicherheitsrelevante Defekte (z. B. stark abgefahrene Bremsbeläge, defekte Lenkung). Die Plakette wird nicht erteilt, eine Nachprüfung innerhalb eines Monats ist erforderlich.
• VM = Gefährlicher Mangel: Akute Verkehrsgefährdung (z. B. stark beschädigte Aufhängung). Die Plakette wird nicht erteilt, das Fahrzeug sollte nicht mehr gefahren werden.
• VU = Verkehrsunsicher: Das Kfz darf nicht mehr auf öffentlichen Straßen fahren. Die Prüfplakette wird entfernt, die Zulassungsstelle informiert. Der Weg zur Werkstatt darf nur auf einem Anhänger oder Abschleppwagen erfolgen.

Diese Auflistung zeigt einmal mehr, dass eine HU-Plakette kein Persilschein für zwei Jahre sorgenfreies Autofahren darstellt. Die Mitarbeiter der Prüforganisation sind auch nur Menschen, die nicht jeden kleinen Fehler sofort entdecken. Letztendlich ist die Hauptuntersuchung nur eine Momentaufnahme. „Selbst erfahrene Prüferinnen und Prüfer können keine Prognose zur Langlebigkeit einzelner Bauteile treffen“, stellt Trapp klar.
Auch Rost kann normaler Verschleiß sein
Die Zusicherung „TÜV neu“ ist keine Haltbarkeits- oder Verschleißgarantie. „Ein durchgerosteter Auspuff bei einem fast zehn Jahre alten Fahrzeug ist laut Rechtsprechung kein Rücktrittsgrund, da es sich um normalen Verschleiß ohne sicherheitsrelevante Beeinträchtigung handelt“, erklärt der Experte. Einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen und das Auto nochmals unter die Lupe nehmen lassen, spart Geld und Ärger.
Die zuverlässigsten Gebrauchtwagen
TÜV, DEKRA und GTÜ überprüfen alljährlich mit neuen Statistiken die Mängelquote von Gebrauchtwagen. Beim ADAC werden Statistiken zu den häufigsten Pannen geführt. Mit diesen Daten kann man die Zuverlässigkeit eines Modells besser einschätzen. FOCUS Online wertet für Sie alle verfügbaren Reports aus. Hier finden Sie jeweils die aktuellsten Übersichten seit 2016.
- TÜV Report 2025 - Gewinner und Mängelriesen aller Klassen
- TÜV-Report 2024 - die Sieger und Verlierer
- ADAC Pannenstatistik 2023 - Starterbatterien sind das Hauptproblem
- Elektroautos im TÜV-Report 2023: Auweia, Tesla!
- TÜV Report 2022: Heimspiel für Mercedes
- TÜV Report 2021: Die besten und schlechtesten Modelle
- ADAC Pannenstatistik 2020: Die zuverlässigsten Autos
- TÜV Report 2019: Die Mängelzwerge
- TÜV-Report 2019: Die Mängelriesen
- TÜV Tops und Flops 2018: 2- bis 3-jährige Gebrauchte
- TÜV Tops und Flops 2018: 4- bis 5-jährige Gebrauchte
- TÜV Tops und Flops 2018: 6- bis 7-jährige Gebrauchte
- TÜV Tops und Flops 2018: 8- bis 9-jährige Gebrauchte
- TÜV Tops und Flops 2018: 10- bis 11-jährige Gebrauchte
- DEKRA Gebrauchtwagenreport 2017
- GTÜ Gebrauchtwagenreport 2017
- DEKRA Gebrauchtwagenreport 2016