Ultraleicht-Helikopter made in Schongau: Musterzulassung in Reichweite
„Unser Ultraleicht-Heli㈠kopter ist fertig entwickelt, gebaut und fliegt“, sagt Paul Ressle aus Schongau. Er hofft, der zweitgrößte Hersteller Deutschlands zu werden. Die finale Musterzulassung sei in Reichweite. Eine Serienfertigung wünscht sich Ressle in seiner Heimatstadt.
„Da steht es, das Baby.“ Mit ein paar Handgriffen ist der Helikopter aus der Prototypen-Werkstatt gerollt. Nun glänzt das Fluggerät im Sonnenlicht – mitten im Gewerbegebiet an der Dießener Straße in Schongau. Ein edles Alfa-Romeo-Dunkelrot, darauf in Weiß die Aufschrift der Schongauer Firma: Evocopter. Den Namen „ClassiX“ hat Paul Ressle für seinen Ultraleicht-Helikopter ausgewählt.
Die Entwicklung des UL-Prototyps sei beendet, nur die Musterzulassung fehle noch. Alle Tests, die noch zu absolvieren sind, will Ressle selbst fliegen. Er ist sich sicher, dass nicht mehr viel im Weg steht, nur das Finetuning komme noch. „Eine Zulassung nach nur knapp vier Jahren Entwicklung wäre einsamer Weltrekord.“
„Sicherster Ultraleicht-Helikopter“
Das gesamte Projekt dürfte noch Schlagzeilen machen. Ressle ist sich sicher, mit seinem Team den sichersten Ultraleicht-Helikopter entwickelt zu haben, nicht nur deutschlandweit. Ein Blick ins Cockpit: Am Overheadpanel ist alles dran wie bei den Großen von Airbus. Was diese Entwicklung so besonders macht, ist die Reduzierung des Eigengewichts. Maximal 600 Kilogramm darf das Fluggerät auf die Waage bringen, und zwar bei Abflug. Abzüglich Gewicht für den Pilot und seinen Co-Piloten plus Sprit bleiben weniger als 380 Kilogramm übrig. Eine Herausforderung.
Der Berufshubschrauberpilot hat im Alter von zehn Jahren begonnen, sich intensiv mit der Fliegerei zu beschäftigen. Zunächst waren es Modellflieger, mit 16 Jahren wollte er Drachenfliegen, was er in Ermangelung der elterlichen Erlaubnis aufschieben musste. Am Tag des 18. Geburtstags ging es an den Tegelberg, und die Leidenschaft, in den Lüften gleiten zu können, sollte ihn nicht mehr loslassen.
Erste Flugschule gegründet
Es folgte der Pilotenschein. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften verbrachte der Diplom-Kaufmann und ehemaliger Spediteur seine Tage in einer Cessna: „300 Menschen habe ich das Kunstfliegen beigebracht.“ Dem Privatpilotenschein folgte der Schein des Berufspiloten. 2018 gründete der Schongauer die erste Ultraleicht-Helikopter-Flugschule Deutschlands in Tannheim. „Der Hubschrauber ist die Königsdisziplin.“
Aber er erinnert sich: Mit dem damals einzigen am Markt verfügbaren Ultraleichthubschrauber, ein Koaxialhelikopter, sei er auch der König der Notlandungen gewesen – trotz der großen Flugerfahrung, heute rund 3000 Flugstunden im Flugzeug, 2500 im Hubschrauber. „Mir war klar, irgendwann ist meine Glückssträhne zu Ende.“

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Die Entscheidung, einen eigenen Hubschrauber zu bauen, war gefallen. Ressle nutzte die Corona-Zwangspause seiner Flugschule und holte sich ausgewählte Fachleute an Bord, um seinen Traum zu verwirklichen. Korbinian Kulot aus Altenstadt ist als junger Luft- und Raumfahrtingenieur „ein Mann der ersten Stunde mit Bestnoten“, wie ihn Ressle nennt. Fürs Design zeichne Dave Robb verantwortlich, ehemaliger Chef-Designer bei BMW Motorrad. Den Namen des Chefmechanikers will er derzeit lieber nicht verraten, „die Firmen werben ihn mir sonst sofort ab“.

Bisher verlief die Entwicklung fast unter dem Radar der Öffentlichkeit – bis auf einen Zwischenfall mit Prototyp Nummer eins. Der Testflug schaffte es bis in den Polizeibericht, Paul Ressle blieb unverletzt. Danach erfolgte mit Typ zwei die Entwicklung des Leichtbaus mit Materialien, die auch in der Formel 1 verwendet werden.
Ressle spricht nur in Superlativen von seinem „ClassiX“: Der Aluminiumkern sei ummantelt in einer speziellen Carbon-Wickeltechnik, quasi „unkaputtbar“. Verwendet worden seien nur die hochwertigsten Komponenten. Alle 25 notwendigen Tests habe der Prototyp mit Bravour bestanden. „Seit dieser Zeit schlafe ich besser“, verrät Ressle. Der Prototyp habe nicht eine einzige Beule abbekommen. „Das ist ein Panzer in Leichtbau.“

Serienbau gerne in Schongau
Jetzt fehle nur noch die finalen Flugerprobung, den letzten Stempel erhofft sich Ressle bis Ende des Jahres. Und betont noch einmal: „Wir sind kein Start-up, sondern haben einen flugfähigen Helikopter.“ Geht es nach dem Firmenchef, will er den Serienbau in seiner Heimatstadt umsetzen. „Ich möchte die Wertschöpfung gerne in Schongau lassen.“
Grund für den Bau von Hallen habe er im Industriegebiet genug: 27 000 Quadratmeter stünden zur Verfügung. Als die Merbeler Betonfabrik in Schongau pleite ging, habe er sich Flächen gesichert angrenzend an seine Spedition in der Peitnachstraße. Diese habe er 2008 verkauft.
Der 62-Jährige hofft auf rasche Umsetzung, auch mit Blick auf sein eigenes Alter. Gespräche mit Stadt und Behörden sollen nun anlaufen. Seine Kaufinteressenten sieht er weltweit. Der Helikopter sei einsetzbar für Grenzkontrollen wie auch Beobachtungsflüge. Bei der Frage nach einem vergleichbaren Modell, nennt er den Hubschrauber R22 eines US-amerikanischen Herstellers, „sonst fallen mir nicht viele ein“. Der Schongauer Leichtbau solle kostengünstiger sein, in der Einzelstückphase unter 300 000 Euro netto.
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