Harter Asyl-Kurs: Finnland plant Notfall-Gesetz für Russlands Grenze

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Finnland fürchtet „instrumentalisierte“ Migration aus Putins Russland. Ein Gesetz und sogenannte Pushbacks sollen helfen – das UNHCR ist alarmiert.

Helsiniki/Joensuu – Finnland hält seine Grenzübergänge zu Russland geschlossen – aus Angst vor einem zielgerichteten Zustrom von Migrantinnen und Migranten. Die Regierung samt der hart rechten „Wahren Finnen“ hat nun ein Gesetz als Gegenmaßnahme ersonnen: Es soll Pushbacks erlauben; die pauschale Abschiebung in Grenznähe ohne Prüfung von Asylanträgen. Finnlands neuer Präsident Alexander Stubb verteidigt die Pläne, das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR übt Kritik.

„Manchmal gibt es Situationen, in denen man gezwungen ist, Maßnahmen zu ergreifen, bei denen die Sicherheit an erster Stelle steht“, sagte Stubb nun laut einem Bericht des Senders YLE. Er hatte am Mittwoch (28. März) die geschlossene finnisch-russische Grenze in Niirala besucht.

Finnland will Pushbacks an der Grenze zu Russland legalisieren – Expertin sieht Land auf Putins Niveau sinken

Gelten soll das neue Gesetz nach jüngsten Berichten nur bei „Bedrohungen für Finnlands Souveränität oder nationale Sicherheit“ – und auf Beschluss des Präsidenten oder des Kabinetts für jeweils maximal einen Monat. Lediglich in begründeten Einzelfällen oder bei klaren Anzeichen für drohende Todesstrafe, Folter oder Verstößen gegen die Menschenwürde soll es Ausnahmen geben. Der Entwurf kommt aus dem Haus der „Wahre Finnen“-Innenministerin Mari Rantanen.

Völkerrechtsexperten hatten das Ansinnen der finnischen Regierung zuvor kritisiert. Asylsuchenden keine Prüfung ihres Anliegens zu gewähren, verstoße gegen mehrere internationale Abkommen. Der Verweis auf die „nationale Sicherheit“ erlaube mitnichten Ausnahmen. Zwar passieren Pushbacks an den EU-Außengrenzen immer wieder – ein legalisierendes Gesetz wäre aber ein überraschender Schritt.

Finnlands Polizei hat den Vorstoß bereits begrüßt. Die Völkerrechtlerin Elina Pirjatanniemi sah Finnland mit dem geplanten Gesetz hingegen auf eine Schwelle mit Russland sinken: „Menschen ohne rechtmäßiges Verfahrene zurück über die Grenze zu schieben bedeutet, diese Menschen auch als Mittel zu betrachten, statt als Menschen mit Menschenwürde“, rügte sie YLE zufolge in einem schriftlichen Statement.

Auch die regionale Abteilung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR übte zusammen mit Finnlands Rotem Kreuz, Flüchtlingsrat und finnischen UN-Verband Kritik. Die Institutionen und Verbände warnten einem Bruch mit internationalem und europäischem Recht. „Im schlimmsten Fall“ könne das Vorgehen zu einer „humanitären Krise“ führen, teilten sie am Mittwoch (27. März) mit. Auch ein gefährlicher Präzedenzfall sei denkbar.

Asylrecht als Relikt einer anderen Zeit? Finnlands Präsident will „mit der Zeit gehen“

Stubb sieht das geltende Asylrecht hingegen offenbar schlicht als überholt an: Es stamme aus einer Zeit, in der Migranten noch nicht als hybrides Druckmittel eingesetzt worden seien, zitierte ihn YLE: „Wir müssen mit der Zeit gehen. Wenn Russland Migranten instrumentalisiert und sie als Waffe einsetzt, müssen wir über Werkzeuge verfügen, das zu unterbinden“. Das neue Gesetz sei ein Instrument, das eine Öffnung der Grenze erlaube.

„Ich glaube daran, dass sich eine neue Tür öffnet, wenn sich eine schließt“, sagte Stubb weiter. „Wenn die Grenze geschlossen wird, oder Schranken gebaut werden, eröffnen sich immer auch neue Möglichkeiten.“ Das gelte auch für die Folgen der „aktuellen sicherheitspolitischen Lage“, fügte Finnlands Präsident mit Blick auf die Situation in Ostfinnland hinzu.

Großangelegte Pushbacks gab es auch infolge der Krise an der Grenze zwischen Belarus und Polen, Lettland und Litauen. Der Europäische Menschengerichtshof behandelt deshalb mehrere Verfahren. Ob Finnlands neues Gesetz tatsächlich kommt, ist allerdings noch unklar. Nötig wäre wohl eine Fünf-Siebtel-Mehrheit im Parlament – und damit auch die Unterstützung der Opposition. Auch der Grundrechtsausschuss soll sich noch äußern. (fn)

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