Nach drohender Abwanderung: Bayern geht ins Risiko um deutsche Firma in der Region zu halten

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Auch der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat seine Teilnahme am Festgottedienst zugesagt, meldet die Pressestelle des Erzbistums.(Archivbild) © Sven Hoppe/dpa

Steilkurve bei den Flugtaxis: Bayern geht jetzt doch mit Staatsgeld ins Risiko, um Hersteller in der Region München zu halten. Eigentlich hatte Wirtschaftsminister Aiwanger da große Vorbehalte.

Oberpfaffenhofen - Dem eher bodenständigen Wirtschaftsminister waren die neuen Fluggeräte nicht geheuer. Zwar hat sich Hubert Aiwanger vor einem halben Jahr nahe München Flugtaxis eines Herstellers angeschaut und erklären lassen. Bilder vom Termin wollte er aber nicht veröffentlichen. Und als wenig später die politische Entscheidung anstand, für das Unternehmen eine staatliche Bürgschaft auszugeben, legte Aiwanger spektakulär sein Veto ein. Zu riskant für den Steuerzahler, befand er.

Bayern unterstützt Lilium jetzt doch: 50 Millionen Euro als Absicherung

Die CSU, die der Firma mit 50 bayerischen Millionen helfen wollte, reagierte sauer. Damals ging es um Volocopter und um die Chance, 650 Arbeitsplätze aus Baden-Württemberg nach Bayern zu holen. Weil kein offizieller Beschluss gefasst wurde, also auch kein bayerisches Nein fiel, ist das Thema nicht ganz vom Tisch. Und nun gibt es eine spektakuläre Wende beim zweiten großen Hoffnungsträger der Branche – und diesmal kein Veto von Aiwanger.

Die Staatsregierung hat am Dienstag (10. September) beschlossen, der Firma Lilium in Oberpfaffenhofen Starthilfe zu geben. Zu einem vom Unternehmen erbetenen 100 Millionen Euro schweren Wandeldarlehen steuert Bayern 50 Millionen Euro als Absicherung bei. Der Deal soll über die Förderbank KfW laufen, wie es auch bei Volocopter geplant war.

Das Elektro-Flugtaxi des Herstellers Lilium beim morgendlichen Flug über Inseln.
Das Elektro-Flugtaxi des Herstellers Lilium beim morgendlichen Flug über Inseln. © Handout/dpa

Riskant ist das Projekt allemal, das sagen auch die Befürworter. Lilium hat den bemannten Erstflug seines vollelektrischen, senkrecht startenden und landenden Flugtaxis gerade auf Anfang 2025 verschoben, die ersten Maschinen sollen 2026 an Kunden ausgeliefert werden. Die Entwicklung – unter anderem mit 500 Luftfahrtingenieuren unter den über 1000 Mitarbeitern – kostet hunderte Millionen Euro. Bisher wird das an der US-Börse Nasdaq gelistete Start-up-Unternehmen von rund 70 Investoren finanziert.

Bayern signalisiert an die Branche: Hightech ist willkommen

Die bayerische Staats-Entscheidung ist nun auch ein Signal: Wir glauben an euch. Im Wissen, dass auch ein Totalverlust möglich ist, und dann den beteiligten Politikern öffentlich Ungemach droht. Aiwanger hatte für sein striktes Nein öffentlich scharfe Kritik der CSU kassiert. Er kümmere sich viel ums Jagdwesen, aber nicht um innovative Firmen, hieß es etwa. „Ehrlicherweise würde ich einen Wirtschaftsminister in Bayern erwarten, der sagt, er wolle alles dafür tun, dass dieses Unternehmen am Standort ist“, schimpfte etwa CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek. So werde die Technologie abwandern, zum Beispiel nach China oder in die USA, wo mit Staatsförderung offensiver umgegangen wird.

In der Staatsregierung heißt es nun spöttisch, man habe den Minister „zum Jagen getragen“. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nimmt für sich in Anspruch, er habe die Lilium Entscheidung getroffen, das Kabinett habe sich „einstimmig“ angeschlossen. „Wir glauben an Hightech aus Bayern“, sagte Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) am Dienstag vor Journalisten. Er sieht den Beschluss (vorausgesetzt, der Bund zieht wie geplant mit) als Schlusspunkt der Debatte, ob Lilium aus Oberbayern wegzieht.

Lilium hatte mit Abwanderung aus Deutschland gedroht

„Endlich ist der Weg frei für eine dauerhafte Heimat in Bayern.“ Das Handelsblatt hatte berichtet, die Firma sondiere einen Umzug nach Frankreich, wo ebenfalls Subventionen und Kreditbürgschaften winkten. Herrmann bemüht sogar die Airbus-Entscheidungen unter Franz Josef Strauß als Referenz. „Wir knüpfen an diese Zeit an.“

Der frühere Airbus-Chef Tom Enders ist übrigens Lilium-Aufsichtsratschef. Er hatte jüngst, als es noch um Volocopter-Millionen ging, unserer Zeitung gesagt: „Zögern und Zaudern hat zu wirtschaftlichem Erfolg noch nie beigetragen. So läuft man Gefahr, eine ganze Branche aufs Spiel zusetzen.“ Tatsächlich geht es bei Lilium (und Volocopter) nicht nur um das Schlagwort vom Flugtaxi, was arg nach Millionärskutsche klingt. Anwendungen für Senkrechtstarter könnten auch im Warentransport und bei Medizin- und Rettungsflügen liegen.

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