Putin-Freund vorne, prekäre Wahl am Sonntag: Wackelt das Nato-Land Rumänien im Ukraine-Krieg?

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Aus scheinbar heiterem Himmel droht in Rumänien ein prorussischer Rutsch. Dabei ist das Land für die Nato im Ukraine-Krieg äußerst wichtig.

Bukarest/München – Rumänien ist seit 2004 Mitglied der Nato. Und vermutlich war der Staat für das Bündnis nie so wichtig wie seit Beginn des Ukraine-Kriegs: Die Grenze zum von Russland angegriffenen Land ist 650 Kilometer lang – und sie umfasst auch das Donaudelta. Die Mündung ist wichtig für den Getreide-Handel der Ukraine und war auch schon Schauplatz von Angriffen. Aktuell entsteht in Rumänien die größte Nato-Basis Europas. In Constanța, 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt.

Wenig deutete bislang darauf hin, dass der Verbündete wackeln könnte. Doch dann kam die erste Runde der Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag (24. November). Völlig unerwartet gewann der parteilose rechtsradikale und prorussische Calin Georgescu. „Wir reden in Rumänien von einem politischen Erdbeben, das es so nie gegeben hat“, sagt Raimar Wagner, Projektbüroleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung in Bukarest, IPPEN.MEDIA. Viel kommt nun auf die Stichwahl an. Und auf die Parlamentswahl an diesem Sonntag (1. Dezember).

Putin-Beben in Rumänien: Muss die Nato im Ukraine-Krieg zittern?

Binnen einer guten Woche wird sich Rumäniens politische Führung komplett neu sortieren; schon am 8. Dezember folgt die Präsidenten-Stichwahl. Der Ausgang scheint offen. Zwar lagen in den Umfragen zur Parlamentswahl die Sozialdemokraten weit vorne. Doch auch vor Georgescus Erstrundensieg galt der sozialdemokratische Noch-Ministerpräsident Marcel Ciolacu als Favorit – und wurde doch nur Dritter. Rumäniens Demoskopen und Soziologen gehen davon aus, dass die Präsidentschaftswahl auch das Ergebnis der Parlamentswahl stark beeinflussen wird.

Archivbild zeigt Panzer der US-Armee in rumänien. Mark Rutte Nato Wladimir Putin Russland.
Das Archivbild zeigt Panzer der US-Armee in Ostrumänien. Das Land hat indirekt die Wahl zwischen Mark Ruttes (li.) Nato und Wladimir Putins Russland. © Montage: picture alliance/Andreea Alexandru/AP/dpa/AFP/Aris Messinis/Pool Sputnik Kremlin/Mikhail Sinitsyn

Was kann – aus Sicht der Nato und der EU – schlimmstenfalls passieren? Wagner beschwichtigt zunächst einmal. „Ein Präsident in Rumänien kann nicht so agieren wie etwa Lukaschenko in Belarus. Es gibt hier immer noch eine Gewaltenteilung.“ Stark sei Rumäniens Staatsoberhaupt vor allem mit einer Parlamentsmehrheit im Rücken. Die scheint für Georgescu unwahrscheinlich. Auch wenn die rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Parteien AUR und S.O.S. Romania stark zulegen dürften. Der AUR war Georgescu einst zu radikal, etwa mit der Verherrlichung faschistischer Führer. Nun unterstützt die Partei ihn wieder.

Präsidentschaftsstichwahl-Kandidat in Rumänien preist Putin – keine Belege für Verdacht gegen Russland

So oder so ist Rumäniens Präsident auch Oberbefehlshaber des Militärs und Vorsitzender des Verteidigungsrates. Georgescus Äußerungen geben Anlass zur Sorge. „Er sagt offen, dass die Unterstützung für die Ukraine zurückgefahren werden muss, weil Rumänien dort nichts verloren habe“, erläutert Wagner IPPEN.MEDIA. Auch Lobpreis für Wladimir Putin hat Georgescu verteilt. Einen Vertreter „russischer Weisheit“ und wahren „Anführer“ nannte er den Autokraten im Kreml 2018 – vor Beginn des Ukraine-Kriegs.

Ähnlich viel Sorge dürften Generalsekretär Mark Rutte Georgescus Haltungen zur Nato bereiten. „Schwach“ nannte der das Bündnis. Die Nato-Raketenabwehrbasis in Deveselu geißelte er als „Schande der Diplomatie“. All das lässt zwar noch Interpretationsspielraum. Dennoch betrachtet Russland die Entwicklung mit Wohlwollen. Den Erstrundensieg habe der Kreml begrüßt, betont Wagner. Und dann gibt es noch den bislang unbelegten Verdacht, dass Russland mithalf. Georgescu hatte vor allem auf TikTok Erfolg – nach eigenen Angaben ohne Einsatz von Geld. Analyst Milan Nič hält russische Unterstützung aber für „wahrscheinlich“, wie er Politico sagte. Das Nachbarland Moldau erlebte jüngst Stimmenkauf und Desinformation.

Rumänien wählt im Ukraine-Krieg neues Parlament: „Schauen mit Besorgnis“

Wagner bleibt zunächst optimistisch – jedenfalls in der Gesamtschau. „Ich kann mir vorstellen, dass sich in einem furchtbaren Szenario mit Georgescu als Präsident eine demokratische Regierung bildet, die ihn dann in seiner Macht und Vertretung beschneidet“, sagt er. Die Macht liege letztlich ohnehin beim Parlament. „Aber wir schauen schon mit Besorgnis, wie das Ergebnis im Parlament ausfallen wird.“

Möglich ist aber auch, dass in Abgeordnetenkammer und Senat der große Knall ausbleibt und die liberal-konservative und pro-europäische Gegenkandidatin Elena Lasconi das Präsidentschaftsrennen macht. Rumänien werde nun eine „geopolitische“ Wahl erleben, meint Wagner. Generell seien die Rumänen mehrheitlich Nato und EU positiv gesonnen.

Bleibt die Frage, wie es überhaupt zu dem Wahlergebnis kommen konnte. Und was das für die beiden bevorstehenden Urnengänge bedeutet. Experte Wagner sieht vor allem Überdruss mit den seit Jahrzehnten regierenden Sozialdemokraten und Konservativen und deren gefühlte Selbstbedienungsmentalität als Ursache – es habe sich um eine „Protestwahl“ gehandelt. Womöglich gibt es aber auch Nachholbedarf in der Kommunikation zum Ukraine-Krieg. Niemand habe erläutert, was genau Rumänien tut, um der Ukraine zu helfen, und warum das Land daran interessiert ist, dass die Ukraine Russlands Aggression widersteht, sagte der Bukarester Politologe Armand Gosu der Welt. (fn)

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