Das Hormus-Szenario: Der Krieg im Nahen Osten wird auch für China zur Gefahr
Die Volksrepublik China hat eine Militärbasis außerhalb Asiens. Sie befindet sich am Horn von Afrika in Dschibuti. Sie wurde 2017 eröffnet und beherbergt derzeit 2000 Soldaten. Das Camp mit einer Maximalkapazität von 10.000 Soldaten wurde errichtet, um gegen Piraten im Arabischen Meer vorgehen zu können. Peking hat damit die zentrale Bedeutung dieses Ortes auf der Landkarte für seine Geopolitik unterstrichen. Der Güterverkehr, der dort entlangläuft, soll mit allen Mitteln verteidigt werden.
Nun ist die Straße von Hormus, die an das Arabische Meer anschließt, in den Mittelpunkt des Krieges Israels gegen den Iran geraten. Für China ist das heikel: Ein erheblicher Teil des chinesischen Seehandels, darunter ein Großteil der Energieimporte und -exporte nach Europa, läuft über das Arabische Meer. Rund 60 Prozent der chinesischen Güter, die nach Europa verschifft werden, passieren den Suezkanal, der mit dem Arabischen Meer verbunden ist.
Hormus-Blockade wegen Iran-Krieg würde Chinas Ölhandel treffen
China importiert täglich rund 1,8 Millionen Barrel Öl aus dem Iran, was einem erheblichen Anteil an den gesamten Rohölimporten Chinas entspricht. Nun mehren sich Berichte über Öltanker, deren Navigation gestört wird und deren Besatzung Kollisionen mit anderen Tankern befürchtet. Das könnte sowohl ein Fiasko für die Umwelt bedeuten, sollte bei einem Zusammenstoß Öl austreten, als auch eine totale Blockade der wichtigen Seestraße.

Zur Erinnerung: Im März 2021 war der Suezkanal sechs Tage lang gesperrt, nachdem das Containerschiff Ever Given dort auf Grund gelaufen war. Dieser Vorfall führte zu erheblichen Störungen des Welthandels. Während eines Krieges würde eine solche Sperrung sicher länger anhalten.
Über 900 Schiffe vom Kurs abgekommen
Laut einem Bericht von "Bloomberg" hat es am Wochenende Fälle von "extremer Störung" bei Signalen gegeben, die vom iranischen Hafen Bandar Abbas ausgegangen sein sollen. Mehr als 900 Schiffe seien deshalb vom Kurs abgekommen, einige seien Zickzack gefahren und hätten sich gefährlich nah an der Küste bewegt.
Am Dienstag sei es schließlich zu einer ersten Kollision zweier Tanker gekommen. Auf der Plattform X wurden Fotos zweier brennender Tanker verbreitet. Die Preise für die Frachtfahrt durch die Straße von Hormus sind seitdem um zwölf Prozent gestiegen.
Auch wenn es im Moment danach aussieht, als gingen die Störsignale vom Iran aus, ist es fraglich, was das Mullah-Regime vom Tumult in der Straße von Hormus hätte. Zwar könnten die Preise für das Barrel Öl signifikant steigen, allerdings hätte eine Sperrung der Meerenge nach einem Tankerunglück Folgen für die Einnahmen des Iran.
Für China wäre ein Ausfall der Lieferungen nicht tragbar
Und der Iran braucht dieses Geld für seine Kriegsführung, genauso wie Russlands Wirtschaft seit dem Start der Ukraine-Invasion vor über drei Jahren von den Erlösen aus seinem Gasverkauf über Wasser gehalten wird.
Für die Volksrepublik China als größter Abnehmer iranischen Öls wären ein Ausfall der Lieferungen aus dem Iran oder signifikante Preissteigerungen nicht tragbar. Der Iran, China und Nordkorea sind auch Verbündete, die Kreml-Diktator Wladimir Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine beistehen.
Im Februar 2023 empfing Chinas Machthaber Xi Jinping den iranischen Präsidenten Ibrahim Raisi in Peking, es folgten mindestens zwei offizielle Begegnungen zwischen den Führungen beider Staaten am Rande von internationalen Konferenzen.
Xi wird Ausfall iranischer Öllieferungen nicht dulden
Die Achse Peking–Pjöngjang–Moskau–Teheran eint der Hass auf die Vereinigten Staaten und die freie, demokratische Weltordnung. Es steht daher zu erwarten, dass Xi Jinping Teheran klarmachen wird, dass die Volksrepublik, die elementar auf Energieimporte aus dem Ausland angewiesen ist, einen Ausfall der iranischen Öl-Importe nicht dulden wird.
Da die beiden Regime verbündet sind, fragen sich Analysten, ob es tatsächlich der Iran ist, der für die Störmeldungen der Öl-Tanker sorgt. Einige Beobachter meinen, es könnte auch daran liegen, dass die USA ihr GPS-System absichtlich unscharf stellen, um so den israelischen Kampfjets Hilfestellung zu geben.
China hat guten Ruf in der Region
Die Volksrepublik wird allen Einfluss nutzen, um nicht vom Krieg im Nahen Osten in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Peking hat erst relativ spät, im Jahr 1992, diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen und ist seit Jahrzehnten ein Unterstützer der Palästinenser. Peking hat deshalb einen guten Ruf in der Region.
Sollte wirklich der Iran selbst hinter den Störungen des Schiffsverkehrs stecken, wird Xi dafür sorgen, dass Teheran damit aufhört. Zu viel hängt für ihn vom reibungslosen internationalen Schiffsverkehr ab.
Über den Gastautor
Alexander Görlach unterrichtet Demokratietheorie und -praxis an der New York University. Zuvor hatte er verschiedene Positionen an der Harvard Universität und dem Carnegie Council for Ethics in International Affairs inne. Nach einer Zeit als Gastprofessor in Taiwan und Hongkong hat er sich auf den Aufstieg Chinas konzentriert und was dieser für die Demokratien in Ostasien im Besonderen bedeutet. Von 2009 bis 2015 war Alexander Görlach der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins The European. Er lebt in New York und Berlin.