Naturphänomen „Himmelsweiher“: Als vor Thomas Müllers Haus ein See auftauchte

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Pfingsten 1999 war der Weiher vor dem Hof der Müllers so groß, dass man mit dem Kanu darauf paddeln konnte. © Agnes Müller

Früher hatten Thomas und Agnes Müller aus Wildsteig immer wieder einen See vor ihrer Haustüre. Das Gewässer kam und verschwand wie von Geisterhand. Inzwischen ist es aber lange her, dass sich ein „Himmelsweiher“ bei ihnen gebildet hat.

Wildsteig – Als Thomas Müller aus Wildsteig noch ein Bub war, konnte er es nach der Schule oft kaum erwarten, heimzukommen. Denn im Frühjahr war er fast immer da: der See vor seiner Haustür. Das Wasser, das bei viel Regen wie von Geisterhand aus dem Boden kam und einige Zeit auf der Weide seiner Familie stand, reichte oft bis an den Hof. Der ideale Spielplatz.

„Wir sind mit dem Motorboot oder dem Floß über den See gefahren“, erinnert sich Müller an seine Kindheit in den frühen 60er-Jahren zurück. Dem großen Teich, der laut Müller fast so groß war wie der Schwaigsee, verdankt der Wildsteiger Ortsteil auch seinen Namen: „See“.

Wenn man heute über die hügelige Wiese schaut, auf der die Müllers ihre Kühe weiden lassen, ist von einem See nichts mehr zu sehen. „Wir hatten schon lange kein Hochwasser mehr“, sagt Agnes Müller, die 1983 auf den landwirtschaftlichen Hof ihres Mannes gezogen ist und sich noch gern an den Weiher zurückerinnert. Gekommen ist der nämlich schon lange nicht mehr.

Laut Agnes Müller hat sich zuletzt Ende der 90er-Jahre ein „richtiger See“ gebildet; beim Pfingsthochwasser 1999, als das Wasser fast bis an die Garage reichte und die Kinder mit dem Kanu über die Wiese paddelten. 2006 und 2010 stand die Wiese ebenfalls unter Wasser, allerdings in einem geringeren Ausmaß.

Heute ist auf der Wiese keine Spur von einem See zu sehen. Das letzte Hochwasser liegt schon viele Jahre zurück.
Keine Spur von einem See ist heute auf der Wiese zu sehen. Das letzte Hochwasser liegt schon viele Jahre zurück. © Theresa Kuchler

Unter Fachleuten bezeichnet man Gewässer wie das in Wildsteig als „Himmelsweiher“. Sie entstehen, obwohl sie keinen natürlichen Zu- oder Abfluss haben. Ihr Wasser beziehen sie durch Niederschläge und über das Grundwasser. „Damit sich der Weiher ausbilden kann, muss mehr Wasser in den Weiher hineingelangen als durch Verdunstung und Versickerung verloren geht“, erklärt Bernhard Müller vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim dieses Naturphänomen.

Laut ihm wird der Wildsteiger „Himmelsweiher“ neben Niederschlag auch durch unterirdisch zuströmendes Wasser gespeist, das von den umliegenden Hängen kommt. Damit es zur See-Bildung kommt, müssten außerdem verschiedene Punkte zusammenpassen: Es brauche eine „hohe Vorsättigung in den Böden und ergiebige Niederschläge in kurzer Zeit“.

Keine verlässlichen Messdaten

Da dem Wasserwirtschaftsamt generell wenig über „Himmelsweiher“ in der Region bekannt sei, wie es auf Nachfrage heißt, sei auch unklar, warum sich in Wildsteig schon lange keiner mehr gebildet hat. Agnes Müller zufolge kam es nicht einmal im vergangenen, niederschlagsreichen Jahr zur Bildung eines Teichs. Sie vermutet, dass das mit der zunehmenden Trockenheit der Böden zusammenhängt.

Bernhard Müller gibt derweil an, dass sich „ohne verlässliche Messdaten schwer sagen“ lasse, ob sich die Gegebenheiten für das Entstehen von „Himmelsweihern“ klimabedingt geändert haben, oder ob sie „im Zusammentreffen einfach immer selten waren“.

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Die Müllers jedenfalls würden sich freuen, wenn sich wieder einmal ein „Himmelsweiher“ auf ihrer Wiese bildet. „Das war schon immer etwas Besonderes.“ Agnes Müller vermisse nicht nur den Seeblick vor dem Haus, sondern auch die Begleiter, die mit dem Wasser in die Nachbarschaft kamen: „Mit dem See hatten wir immer ein tolles Froschkonzert. Das geht uns schon ab.“

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