Auch Grünen-Minister Habeck für Abschiebungen: „Wie das im Detail geht, prüft die Innenministerin“

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Es klingt nach einer Zeitenwende in der Flüchtlingspolitik: Auch der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht sich für Abschiebungen aus. Die Umsetzung ist noch unklar.

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte im Oktober vergangenen Jahres in einem Spiegel-Interview „Abschiebungen im großen Stil“ gefordert. Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim kündigte Scholz nun an, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen. Auch der Ton bei den Grünen wird schärfer: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprach sich am Mittwoch ebenfalls für die Abschiebung von Terroristen und islamistischen Gefährdern aus.

Habeck spricht sich für Abschiebungen von Menschen aus, „die Ordnung des Landes mit Füßen treten“

Vizekanzler Habeck betonte am Mittwoch in Berlin, Terroristen, Gefährder und auch Mörder könnten sich nicht auf den Schutz des Landes berufen, dessen Ordnung sie mit Füßen träten. „Das heißt also im Klartext, dass ich denke, dass jemand wie der Täter des Polizistenmordes verurteilt werden muss, seine Strafe verbüßen muss und dann abgeschoben werden kann und abgeschoben werden sollte“, sagte Habeck mit Bezug auf die Gewalttat von Mannheim. „Wie das im Detail geht, das prüft die Innenministerin und das ist gut, dass sie es prüft.“

Entsprechende Forderungen kamen bereits von Union, FDP, SPD und der AfD. Die Innenminister der Länder plädieren ebenfalls für Abschiebungen von Schwerkriminellen und islamistischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien. Bei der Innenministerkonferenz am Mittwoch (19. Juni) wird es insbesondere um dieses Thema gehen – unklar ist noch die praktische Umsetzung. Es soll auch über die umstrittene Auslagerung von Asylverfahren beraten werden. Die CDU etwa fordert die Möglichkeit, Asylverfahren in Transit- oder Herkunftsländern abzuwickeln. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) nennt die Idee der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten eine „Auslagerung der Schutzverpflichtungen“.

Dr. Robert Habeck, Vizekanzler Bundesminister Wirtschaft Klimaschutz, Deutschland, Berlin, Bundeskanzleramt,
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am 12. Juni 2024 im deutschen Bundeskanzleramt. © IMAGO / Metodi Popow

Kritik an Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren: „Auslagerung von Schutzverpflichtungen“

Die Linke hält eine Abschiebung nach Afghanistan und Syrien nicht mit dem Grundgesetz und Völkerrecht vereinbar, da den Menschen dort Menschenrechtsverletzungen drohen. Auch Flüchtlingsorganisationen äußern sich kritisch. Mehr als 300 Organisationen hatten sich am Mittwoch in einem offenen Brief an Bundeskanzler Scholz und die Länderchefs gewandt, die am Donnerstag auf der Ministerpräsidentenkonferenz zusammenkommen. „Wir, 309 Organisationen und Initiativen, möchten Teil einer Gesellschaft sein, die geflüchtete Menschen menschenwürdig aufnimmt“, heißt es in dem Brief.

Wer Schutz in Deutschland suche, solle ihn auch hier bekommen. „Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht“, so der Brief weiter. Die Kritik der Organisationen richtet sich insbesondere gegen den Plan der Auslagerung von Asylverfahren. „Pläne, Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, funktionieren hingegen in der Praxis nicht, sind extrem teuer und stellen eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar“, so das Schreiben, das auch Organisationen wie Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen unterzeichneten.

Kritik an Scholz‘ Ankündigungen von Abschiebungen kam auch von der SPD-Nachwuchsorganisation: „Wir dürfen uns nicht mehr von rechts treiben lassen oder in das Lied der Konservativen einstimmen“, warnte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer im Portal watson.

Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien – ist das möglich?

Wer Straftäter ist, muss seine Haftstrafe zunächst in Deutschland absitzen und kann grundsätzlich erst danach abgeschoben werden. Allerdings nur in sichere Herkunftsländer. Damit sind laut Bundesamt für Migration Länder gemeint, in denen die Abgeschobenen keine staatliche Verfolgung zu befürchten haben und der Staat sie vor nichtstaatlicher Verfolgung schützen kann. Im Jahr 2021 zogen die USA ihre letzten Truppen aus Afghanistan ab, kurz darauf übernahmen die radikal-islamistischen Taliban wieder die Macht.

Seit August 2021 schiebt Deutschland daher keine Menschen mehr nach Afghanistan ab, das wie Syrien nicht als sicherer Herkunftsstaat gilt. Hier soll nun eine neue Lösung her: „Wir verhandeln vertraulich mit verschiedenen Staaten, um Wege zu eröffnen, über die Abschiebungen nach Afghanistan wieder möglich werden“, bekräftigte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Man wolle Gewalttäter konsequent abschieben, wenn sie nach einer Haftstrafe in Deutschland wieder freikämen. „Und wir wollen islamistische Gefährder konsequent ausweisen und abschieben.“

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