In der Wüste von Namibia droht jetzt der deutsche Wasserstoff-Traum zu platzen

Im vorigen Jahr hatte RWE noch zehn Milliarden US-Dollar in das Hyphen-Green-Ammoniak-Projekt in dem südwestafrikanischen Land investiert. Heutzutage bestätigte das Unternehmen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters nun, dass RWE „derzeit keine weiteren Projekte in Namibia verfolgt“. Der Grund: „Die Nachfrage nach Wasserstoff sowie nach Wasserstoff-Derivaten wie Ammoniak entwickelt sich in Europa langsamer als erwartet“, sagte ein RWE-Sprecher.

Für Namibia ist der Ausstieg von RWE aus dem Wasserstoffprojekt ein Rückschlag für die Ambitionen des Landes, ein bedeutendes Zentrum für grünen Wasserstoff zu werden. Das südwestafrikanische  Land verspricht sich von Wasserstoff Wohlstand und wirtschaftlichen Aufstieg. 

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Wasserstoff in der Wüstensonne

Namibia ist mit 824.000 Quadratkilometern mehr als doppelt so groß wie Deutschland und gleichzeitig mit nur 3,1 Millionen Einwohnern das nach der Mongolei am dünnsten besiedelte Land der Welt. Nur die Hälfte der Menschen ist an Strom angeschlossen. 

Die endlosen Flächen und die klimatischen Bedingungen sind in Zeiten der Energiewende und des weltweiten Energiehungers Namibias großer Reichtum: An der südatlantischen Küste herrscht viel Wind und an 300 Tagen im Jahr scheint die Sonne, damit gehört Namibia zu den sonnenreichsten Ländern der Welt. Ideale Bedingungen, um Wasserstoff zu produzieren. 

Im Tsau/Khaeb-Nationalpark im Süden des Landes will die namibische Regierung auf zunächst 2000 Quadratkilometern einen riesigen Wasserstoffpark bauen. Insgesamt 350.000 Tonnen grüner Wasserstoff sollen pro Jahr erzeugt werden, langfristig ist eine jährliche Produktion von zwei Millionen Tonnen geplant. 

„Fast 20 Prozent der Steuereinnahmen“

Den Zuschlag für das Projekt gab die Regierung in Windhuk dem Konsortium Hyphen Hydrogen Energy mit Sitz im namibischen Lüderitz. Hyphen ist ein Joint Venture zwischen der deutschen Enertrag SE und der südafrikanischen Nicholas Holdings Africa Limited. Die namibische Regierung ist mit 24 Prozent an dem Vorhaben beteiligt. Der scheidende Wasserstoff-Sonderbeauftragte der namibischen Regierung, James Mnyupe, rechnete damit, „dass dieses spezielle Projekt fast 20 Prozent der heutigen Steuereinnahmen des Staates einbringen könnte“, sagte er der Deutschen Welle

Der Essener Energiekonzern RWE sagte 2022 zu, ab 2027 jährlich bis zu 350.000 Tonnen des Wasserstoffderivats Ammoniak abzukaufen. Für die Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff und die Weiterverarbeitung zu Ammoniak wollte Hyphen nach eigenen Angaben 700 Windrädern und 50 Hektar Solarpanele bauen, die rund 7000 Megawatt Strom liefern. Zum Vergleich: Der höchste jemals gemessene Stromverbrauch in Namibia (die sogenannte Spitzenlast) liegt verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen 600 und 700 Megawatt. 

Von Namibia nach Schleswig-Holstein

Auch sonst sind die logistischen Bedingungen nicht eben anspruchslos: Entsalztes Meerwasser soll durch Pipelines in die namibische Wüste fließen und mit Hilfe von Sonne und Strom in Elektrolyseuren in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden. Danach wird es zurück an die Küste gepumpt und in einer Fabrik zu Ammoniak verarbeitet. Ammoniak lässt sich als Energieträger leichter transportieren als Wasserstoff. Es verflüssigt sich bereits bei minus 33 Grad Celsius, während Wasserstoff auf extrem tiefe Temperaturen von minus 253 Grad abgekühlt werden muss, um verflüssigt und transportiert werden zu können. 

In Deutschland ließe sich das Ammoniak dann wieder in Wasserstoff umwandeln. RWE wollte bis 2026 eigens ein Terminal für grünes Ammoniak im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel bauen, das damit als Zielhafen für namibisches Ammoniak dienen sollte.

Vermeintlicher Jahrhundert-Deal

Namibia freute sich über den vermeintlichen Jahrhundert-Deal. Der Vorsitzende des namibischen Regierungsgremiums für grünen Wasserstoff, Obeth Kandjoze, war sich sicher: „Namibia ist Vorreiter bei der Gestaltung dieser Industrie.“ Namibia müsse seinen „rechtmäßigen Platz als Drehscheibe für saubere Energie in Afrika einnehmen“, so Kandjoze bei der Unterzeichnung der „Machbarkeits- und Umsetzungsvereinbarung“ mit Hyphen und RWE. 

Ulf Kerstin, Chief Commercial Officer von RWE Supply & Trading, sah in Namibia einen wichtigen Baustein der Wasserstoffversorgung für Deutschland: „Langfristig wird Deutschland seinen Bedarf an grünen Molekülen vor allem über Importe decken müssen.“

„Deutschland hinkt deutlich hinterher“

Lange stand Wasserstoff im Schatten von Photovoltaik und Windkraft, doch inzwischen gilt er als zentraler Baustein der Energiewende und als „Meilenstein“ auf dem Weg zur geplanten Klimaneutralität 2045. Gemäß der Nationalen Wasserstoffstrategie will Deutschland in fünf Jahren in Elektrolyseanlagen jährlich zehn Gigawatt Wasserstoff produzieren können, um Busse, Lkws, Schiffe und Flugzeuge zu versorgen. Die derzeitige Kapazität laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW): 0,12 Gigawatt – etwas mehr als ein Hundertstel. 

„Deutschland hinkt seinen Plänen deutlich hinterher“, heißt es in einer Studie der Unternehmensberatung PwC. In den anderen europäischen Ländern sieht es nicht besser aus. Während Europa bei den Plänen auf Platz Eins rangiere, seien China, Südkorea und Japan bei der Umsetzung Spitzenreiter. Das asiatische Trio hat laut PwC „bereits jetzt doppelt so viel Produktionskapazität in Betrieb, finanziert oder in Bau wie Europa“. 

Das „Henne-Ei-Problem“

Auch im Inland waren zuletzt große Wasserstoff-Projekte weggebrochen, die gesamte Branche befindet sich in der Krise. Beobachter sprechen vom „Henne-Ei-Problem“: Die Nachfrage nach Wasserstoff seitens deutscher Unternehmen ist noch gering, wodurch nur zaghaft in Infrastruktur und Produktionskapazitäten investiert wird – was wiederum potenzielle Investoren abschreckt.  

Ein Problem, das die Politik lösen will: Die vergangene Ampel-Regierung hatte den Aufbau des sogenannten „Wasserstoff-Kernnetzes“ initiiert, am Mittwoch voriger Woche hatte das Kabinett aus Union und SPD ein Wasserstoff-Beschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht. Die Wasserstoffproduktion liege im „überragenden öffentlichen Interesse“, heißt es. Umso wichtiger sind da Projekte wie die Zusammenarbeit mit Namibia – sollte man meinen. Immerhin hätte Namibia im besten Fall zwölf Prozent der Importe decken können, die Deutschland für seine ehrgeizigen Ziele braucht. 

Politik setzt auf ein anderes Vorgehen

Im Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) scheint man dem Projekt jedoch nicht hinterherzutrauern. Das Projekt sei von Seiten der Bundesregierung nicht gefördert worden, heißt es aus dem Ministerium auf Anfrage von FOCUS online Earth. Man setze stattdessen „auf ein stufenweises Vorgehen, in enger Abstimmung mit Maßnahmen und Entwicklungen auf der Nachfrageseite.“ Die RWE-Entscheidung habe daher keine Konsequenzen für die nationale Wasserstoffstrategie.

Tatsächlich hatte die Ampel-Regierung unter Wirtschaftsminister Robert Habeck das Projekt im letzten Jahr noch als „strategisches Auslandsprojekt“ eingestuft, passiert war danach aber nichts mehr. Wie es jetzt mit den Namibia-Plänen weitergeht, ist noch unklar.