Das Parklet in Ebersberg ist eine Internet-Berühmtheit. 600 000 Menschen lasen einen EZ-Beitrag über den Mini-Park am Marienplatz. In 2074 Kommentaren ergoss sich vor allem Spott und Häme über das Projekt. Nun ist das Wetter schön, und wir haben uns draufgesetzt. Das Ergebnis: Eigentlich recht griabig.
Ebersberg – In seiner farbbefleckten Malerhose streckt Matthias Hofmann die Beine durch, lehnt sich zurück, nippt an seinem Kaffee und blinzelt in die Sonne. „Es läuft so viel schief bei uns im Land“, sagt der 61-jährige Handwerker. „Da ist es doch mal interessant, wenn neue Ideen in die Öffentlichkeit kommen.“ Der Kolbermoorer ist, ohne dass er es vorher gewusst hätte, ein Parklet-Pionier: Als einer der ersten verbringt er seine Mittagspause auf dem neuen, hölzernen Mini-Stadtpark in Ebersberg.
Dieses „Pärklein“, so könnte man Parklet übersetzen, hat die Ebersberger Agenda 21 gemeinsam mit der Stadt und hiesigen Vereinen am Marienplatz aufgestellt. „Menschen statt Maschinen“ heißt das Schlagwort, unter dem ein Autoparkplatz der Holzkonstruktion weichen musste.
Hitzige Diskussion im Netz geht viral: Einen Parkplatz opfern? Wie kann man nur...
Darüber diskutierte sich das Netz die Köpfe heiß: das arme Auto, das an der Stelle nicht mehr parken darf. Die armen Geschäfte, denen die kraftfahrzeuggestützte Kundschaft wegbleibt. Und die unerträgliche Parklet-Atmosphäre, wie im Zoo, zwischen Autotürenknallen und Motorenlärm.
In über 2000 Kommentaren auf Facebook zu dem EZ-Beitrag, den 600 000 Menschen lesen, erntet das Ebersberger Parklet bundesweit vor allem Spott und Häme. „Ich würde mich dort niemals hinsetzen“, so bringt sich etwa Monika Goy aus Brandenburg von fern in die Debatte ein und heimst hunderte emporgereckte Daumen ein. Uwe Fischer, auch aus Brandenburg, bekommt Beifall für ein kundiges: „Die ansässigen Händler werden es zu spüren bekommen. Das ist ein absoluter Irrweg. (...) Weniger Menschen wird das Endresultat sein. Fakt.“
Das ist ein gutes Zeichen für einen völlig falsch genutzten Marktplatz.
Brandenburg scheint an diesem Tag noch weiter weg von Ebersberg als sonst. Zum kaffeetrinkenden Maler und dem brotzeitmachenden EZ-Reporter hat sich am Freitag, in der ersten sonnengetränkten Mittagspause nach der Aprilwinterkälte, Björn Hartung gesellt, der Chef der Buchhandlung Otter. Sein Laden liegt direkt am Parklet. Der 36-Jährige sagt: „Ich wurde vorher gefragt und habe es bejaht. Das ist ein gutes Zeichen für einen völlig falsch genutzten Marktplatz.“
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Parkplätze gebe es fußläufig genug. Er habe sich gefreut, trotz des kalten Wetters schon einige Parklet-Besucher gesichtet zu haben. Auch Barbara Maierbacher, Mitarbeiterin im Versicherungsbüros nebenan, steckt kurz den Kopf aus der Tür und erzählt, dass die Holzkonstruktion mit den zwei Sitzbänken und den Pflanzkübeln wahlweise als Ruhezone oder für gesellige Ratsch-Runden gut angenommen werde. „Die Leute freuen sich“, sagt sie. Parklet statt Parkplatz: Die Facebook-Spötter finden das geschäftsschädigend. „Eher im Gegenteil“, beobachtet die Ortsansässige.
Parklet in Ebersberg stößt auf Wohlwollen bei Passanten
Der Reporter, die Wutbürgersensoren geschärft, wird an diesem Tag nicht mit schimpfenden Passanten und nörgelnden Autofahrern konfrontiert. Angesichts des Online-Tenors und eines Riesenstreits um eine vergleichbare Einrichtung im nahen Unterhaching – zur eigenen Überraschung. „Das ist mal ein vernünftiger Parkplatz“, sagt ein älterer Herr, der stehen geblieben ist, um das Schild am Parklet zu lesen: „Wir wollen es doch alle schön haben“, steht da. „Es gibt schönere Plätze“, sagt eine Seniorin im Vorbeigehen und fügt an: „Aber es ist doch schön hier. Schöner jedenfalls als die Autos.“
Der Straßenlärm, den an dem Tag auch auch die Café-, Wirtshaus- und Eisdielenbesucher aushalten, hält den Maler Hofmann und den Buchhändler Hartung nicht vom Ratschen ab. Einen Buchtipp für jemanden Mitte 30? „Na logisch“, sagt Hartung, eilt in den Laden und kommt mit dem Roman „Nicht wie ihr“ von Tonio Schachinger zurück. Der Handwerker drückt ihm das Geld bar in die Hand, bevor er nickt und schmunzelnd sagt: „So kommt man ins Gespräch und ins Geschäft.“ Bevor er seine Mittagspause beendet und zurück zur Baustelle am Finanzamt marschiert, blickt er sich mit leerem Einweg-Kaffeebecher suchend um: „Nur der Mülleimer fehlt!“
Das ist die Ebersberger Arche.
Gebaut hat das Parklet übrigens die Ebersberger Zimmerei Schuder. Er schreibe niemandem eine Rechnung für das Teil, sagt der Chef, Georg Schuder, auch Vorstand vom Verschönerungsverein, der EZ am Telefon. „Mich freut es, wenn es gut angenommen wird und unser Ebersberg ein bisschen lebenswerter macht“, ergänzt er. „Das ist die Ebersberger Arche“, scherzt er, und verweist auf eine angedeutete Schiffs- oder Floßform der Holzkonstruktion.
Im Aprilsonnenschein segelt es sich damit recht gediegen über das Asphalt- und Pflastermeer am Ebersberger Marktplatz. Sicher vor den Autos, die wie brummende Haie den Marktplatz umkreisen. „Ich könnte mich dran gewöhnen“, sagt Buchhändler Hartung, bevor er wieder in den Laden muss. Auch der Reporter geht nach einer runden Stunde von Bord. Sonst droht ein Sonnenbrand.