Raketenkorvette schützt Putins Schattentanker – Briten provoziert

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Klarer Kurs: Konfrontation: Die russische Korvette Boykiy mit Schiffsabwehrraketen vom Typ Kh-35 Uran ist jetzt wieder im Ärmelkanal als Eskorte von sanktionierten Tankern gesichtet worden. © IMAGO/Vitaly Nevar/TASS

Kriegsschiffe eskortieren russische Schattentanker: Auf Hoher See zeichnet sich ein riskanter Trend ab, so Experten. Der Weg zum Seekrieg wird kürzer.

London – „Es wird eine militärische Eskorte und die Anwesenheit von Streitkräften beobachtet. Das ist etwas völlig Neues“, sagte Antti Häkkänen. Newsweek hatte den finnischen Verteidigungsminister zitiert, angesichts der möglichen Eskalation der Schiffsbewegungen von Wladimir Putins Schattenflotte in der Ostsee und anderen Meeren. Nachdem Putins Militärschiffe seine Tanker durch den finnischen Meerbusen bewacht hatte, ist jetzt auch ein russisches Kriegsschiff im Ärmelkanal aufgetaucht. Dies sei das erste Mal, dass die russische Marine die „Schattenflotte“ offen mit militärischer Gewalt verteidige, sagt Mark Douglas im Magazin The Insider. Die Nato ist seit Ausbruch des Ukraine-Krieges ohnehin besorgt; Schweden droht jetzt mit Eskalation der Situation.

Wie das Magazin Defense Express berichtet, seien Tanker von der Raketenkorvette Boykiy bewacht worden, einem Kriegsschiff der Steregushchiy-Klasse des Projekts 20380, das als mit Schiffsabwehrraketen vom Typ Kh-35 Uran bewaffnet gilt. Wie der Insider den Analysten des Schiffs-Tracking-Unternehmens Starboard Maritime Intelligence aus Neuseeland zitiert, sei nun klar, „dass Russland nach den Inspektionen durch Estland und der verstärkten Kontrolle durch die EU-Länder tatsächlich dazu übergegangen sei, die ,Schattenflotte‘ offen militärisch zu schützen“.

Putins Matrosen aktiv: „Beobachter werteten diese Haltung als Abweichung von früheren Kanalpassagen“

Dadurch scheint sich eine Eskalation anzubahnen, denn dem Magazin Army Recognition zufolge seien die eskortierten Schiffe die unter britischen Sanktionen stehende Selvia sowie die gleichermaßen von den Briten sowie der EU sanktionierten Sierra. Das heißt, die Schiffe könnten aufgebracht und an der Weiterfahrt gehindert werden. Die Briten kennen die Boykiy, wie die BBC berichtet hat: Die Korvette sei eines von mehreren russischen Schiffen, die in den letzten Monaten in der Nähe der britischen Küste verfolgt worden seien, wie der Sender bereits Ende März gemeldet hatte.

„Solche Aktionen führen traditionell zu Krieg.“

Wie Defence Express berichtet, sei das Schiff neben anderem mit acht Kh-35 Uran-Schiffsabwehrraketen bestückt. Die könnten ihren fast 150 Kilogramm schweren Sprengkopf fast 230 Kilometer weit tragen und damit Schiffe von der Größe einer Korvette versenken, so das Magazin. Damit hätte eine Kh-35 Uran eine ähnliche Wirkung wie die Hyperschallrakete Zircon. Army Recognition merkt an, dass das Schiff während einer jüngeren Fahrt als Eskorte gesichtet worden sein soll „mit verstärkten Truppenschutzmaßnahmen, darunter sichtbares bewaffnetes Personal und bemannte Stationen“, so das Magazin. „Beobachter werteten diese Haltung als Abweichung von früheren Kanalpassagen, was auf eine erhöhte russische Einsatzbereitschaft beziehungsweise ein Risikobewusstsein hindeutet“, schreibt das Magazin.

Ärmelkanal: Durchfahrt für Putin gestattet

„Der Ärmelkanal, eine wichtige internationale Schifffahrtsstraße, unterliegt den Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS), das Kriegsschiffen aller Staaten das Recht auf friedliche Durchfahrt zuspricht. Dieses Recht ist jedoch an die Einhaltung von Beschränkungen geknüpft, wie etwa der Vermeidung von Militärübungen, Überwachung oder jeglichem Verhalten, das als schädlich für den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenstaates angesehen wird. Russische Marineschiffe durchfahren den Kanal seit 2022 regelmäßig, in der Regel unter Beobachtung durch Schiffe der Royal Navy und Seeaufklärungsflugzeuge der Nato.“

Quelle: Army Recognition

Den Grund für die militärische Präsenz Russlands sehen Beobachter in einem konsequenteren Auftreten der Ostsee-Anrainer gegen Russlands Schattenflotte – die Duldung von Russlands Präsenz ist Geschichte: Am 21. März hat Deutschland den unter panamaischer Flagge fahrenden Tanker Eventin beschlagnahmt und seine Ladung von 100.000 Tonnen Rohöl im Wert von rund 40 Millionen Euro in eigenen Besitz gebracht, wie die Naval News schreibt; ebenso berichtet das Magazin davon, dass Estlands Marine am 11. April den russischen Öltanker Kiwala aufgebracht hatte, ihn aber nach Beseitigung von mehreren Mängeln am 26. April wieder in Richtung des Hafens Ust-Luga hat ziehen lassen.

Putins Präsenz auf See: Brennglas der angespannten Beziehungen zwischen der Nato und Russland

André Uzulis urteilt, Moskau versuche seine verschlechterte strategische Position durch zunehmende Aggressivität auszugleichen, wie er im Bundeswehr-Reservistenmagazin loyal ausbreitet. Die Ostsee bildet inzwischen die Nahtstelle zwischen einer deutlich verstärkten Nato sowie eines Russlands unter Putins Herrschaft, der durch die Verstärkung der Verteidigungs-Allianz durch Schweden und Finnland die erste krachende strategische Niederlage im Zuge des Ukraine-Krieges hat erleiden müssen. „Die Ostsee wirkt bereits seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine im Jahr 2014 wie ein Brennglas der angespannten Beziehungen zwischen der Nato und der Russischen Föderation“, zitiert loyal den Politikwissenschaftler Julian Pawlak vom Bundeswehr-Thinktank GIDS in Hamburg. Ähnlich gefährlich ist das Aufeinandertreffen im Ärmelkanal.

Mitte April hatte Russland mittels eines Teils der Baltischen Flotte erstmals deutlich Flagge gezeigt in der Ostsee. Zweck des damaligen Manövers seien die Eskorte und der Schutz ziviler Schiffe sowie deren Verteidigung gegen Angriffe durch unbemannte Luftfahrzeuge, unbemannte Überwasserfahrzeuge, konventionelle Überwasserkriegsschiffe und U-Boote gewesen, wie das Magazin Naval News berichtet hat. Nach Angaben der baltischen Flotte seien 20 Kriegs- und Versorgungsschiffe sowie 5.000 Soldaten an der Übung beteiligt gewesen.

Nato ist alarmiert: „Wir wissen, was Sie tun, und wir werden nicht zögern, robust zu handeln“

Wir wissen, was Sie tun, und wir werden nicht zögern, robust zu handeln, um Britannien zu schützen“, zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) Anfang des Jahres den britischen Verteidigungsminister John Healey. Die Briten reagieren mittlerweile ähnlich allergisch auf russische Schiffe vor ihren Küsten wie die Skandinavier. Russische Schiffe werden nämlich verdächtigt, neben dem Transport von Energie die zu Europa gehörende Unterwasser-Infrastruktur zu identifizieren und zu kartieren. Die kreuzende Schattenflotte und die ankernden Forschungsschiffe der Russen zusammen würden die Meere rund um Nato-Gebiet zum Kochen bringen, schreibt Erik Brown aktuell für den US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace.

Nicht zuletzt aufgrund der Aussage von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, der öffentlich klargestellt hat, dass Russland seine Schiffe „mit allen verfügbaren Mitteln“ schützen würde. Was Brown veranlasst zu fordern, die westliche Welt hätte so kreativ wie proaktiv zu handeln. Seine erste Forderung besteht in einer eigenen engeren Eskorte passierender Schiffe – die könne sowohl durch Überwasserschiffe erfolgen als auch durch Drohnen. Ein weiterer Schritt wäre, dass in Fällen des Verdachts der Spionage die Anrainerstaaten auf eine Überprüfung auf dem Schiff drängen sollten – auch wenn das die Spannungen zwischen Russland und der Nato erhöhen sollte. Brown stellt die These auf, dass verstärkte militärische Präsenz rund um „Schattenflotten“-Schiffe zur neuen Normalität werden könnte – wobei er ebenfalls betont, dass Spannungen unvermeidlich werden würden, die aber nie in eine Eskalation zwischen der Nato und Russland ausarten dürften.

Russland attackiert: Schweden glaubt, die russische Marine sei mittlerweile nur ein Schatten ihrer Selbst

Wie das Magazin Responsible Statecraft unter Berufung auf die Euromaidan Press berichtet, wolle Schweden vom 1. Juli an alle verdächtigen Schiffe in seiner ausschließlichen Wirtschaftszone anhalten, inspizieren und gegebenenfalls beschlagnahmen; das bedeutete, Russland vom gesamten Handel durch die Ostsee faktisch abzuschneiden und Russlands Wirtschaft zu knebeln. Um die Ernsthaftigkeit dieser Drohung zu unterstreichen, hielte der jüngste Nato-Partner als Verstärkung seiner Marine 100 Gripen-Kampfjets in Alarmbereitschaft, wie die Euromaidan Press schreibt. Sollte sich Polen einreihen, könnte auch die Enklave St. Petersburg vom Seeweg nach Russland abgeschnitten werden.

National Statecraft-Autor Anatol Lieven betrachtet diese Ankündigung mit Sorge. Ihm zufolge glaube Schweden offenbar, dass sowohl die russische Marine als auch dessen Luftwaffe mittlerweile nur noch ein Schatten ihrer Selbst seien und sie Russland in der Ostsee zur Räson bringen könnten. Weit gefehlt, urteile Lieven: „Solche Aktionen führen traditionell zu Krieg.“

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