Bahnhof Steinhöring: Endstation für Rollstuhlfahrer

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Ohne Hilfe haben Rollstuhlfahrer am Bahnhof in Steinhöring keine Chance, in den Zug zu gelangen. Nirgendwo im Landkreis leben so viele Menschen mit Beeinträchtigungen wie in Steinhöring. Ein für sie untragbarer Zustand – seit Jahren. © stefan rossmann

Behinderte Menschen mahnen Barrierefreiheit in Steinhöring an. Sie haben Vertretern der Bahn vor Ort ihre Not demonstriert – und immerhin eine leise Hoffnung in Aussicht gestellt bekommen.

Steinhöring - Das Hupen des „Filzis“ ist in weiter Ferne zu hören, der Ton schallt über die Felder von Oberndorf herüber. Normalerweise ist um diese Zeit am Steinhöringer Bahnhof nicht viel anderes zu hören. Einmal pro Stunde treffen sich hier die Diesel-Züge des Filzenexpress‘ zwischen München und Wasserburg. Dann kommt Leben am schmalen Bahnsteig auf. Danach gähnende Leere. Normalerweise. Doch an diesem Nachmittag ist nicht normalerweise. Rund 35 Personen drücken sich auf die Plattform, 14 davon in Rollstühlen sitzend. Großer Bahnhof am kleinen Bahnhof.

EVS-Bewohner: „Wir können gar nichts machen, nirgends hinfahren, das ist frustrierend.“

Einmal mehr machten die Bewohner des Einrichtungsverbunds Steinhöring (EVS) auf ihre Not aufmerksam, weil sie den „Filzi“ nicht nutzen können. Für sie ist bereits der Bahnhof Endstation. Zwar ist der Steig selbst seit Jahren barrierefrei, aber in den Diesel-Zug hineinrollen können sie nicht. Zu groß der Höhenunterschied. Eine Rampe, die angeschafft wurde, darf entgegen aller Hoffnungen nur von im Voraus angeforderten Bahnmitarbeitern betätigt werden. Entschied das Eisenbahnbundesamt.

„Das macht mich und meine Mitmenschen hier sehr traurig. Wir können gar nichts machen, nirgends einfach hinfahren, das ist frustrierend“, sagte David Kruzolka, Sprecher der EVS-Bewohner. Nach langer Suche hätte er einen Arbeitsplatz in Edling gehabt, erzählte Kruzolka. Bei einer Maschinenbaufirma. Er musste den Job schweren Herzens absagen. Dem „Filzi“ sei Dank.

Nirgends im Landkreis leben so viele Menschen mit Beeinträchtigung wie in Steinhöring

Nirgends im Landkreis leben so viele Menschen mit Beeinträchtigung wie in Steinhöring. Nirgends also wäre ein barrierefreier Zug notwendiger. Das meint auch SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher. Sie hatte zum Ortstermin eingeladen. Und sie kamen alle. Nicht nur Bewohner und Betreuer des EVS und Bürgermeisterin Martina Lietsch. Auch Heiko Büttner (Konzernbevollmächtigter Deutsche Bahn), Matthias Krause (Südostbayernbahn) und Sebastian Aumeier (Bayerische Eisenbahngesellschaft). „Das zeigt, dass Sie die Problematik wichtig nehmen“, dankte Rauscher.

Bahnvertreter: Elektrifizierung der Strecke voraussichtlich 2030

Die geplante Elektrifizierung der Strecke und damit die Barrierefreiheit verzögerte sich in den vergangenen Jahren immer wieder. Unter anderem in Reitmehring brütende Kiebitz-Paare sorgten jüngst für Aufschub. Dies habe sich aber mittlerweile geklärt, die Vögel seien weitergeflogen, sagte Büttner und ließ sich zu einer vorsichtigen Schätzung hinreißen: 2030 sei ein realistisches Ziel, stellte er in Aussicht. Bis dahin wären 13 Jahre seit der barrierefreien Umgestaltung des Steinhöringer Bahnhofs ins Land gezogen.

„Wir brauchen eine vernünftige Übergangslösung!“, forderte Werner Retzlaff vom EVS. Damit sei man gut beraten, sollte das Projekt erneut stocken: „Es ist wie beim Marathon, da geht ab Kilometer 35 allen Läufern die Luft aus“. Einen besseren Mobilitätsservice oder einen Bus als Alternative schlugen die Anwesenden vor. Die größte Hoffnung aber setzen sie in die Umrüstung auf Diesel-Züge in passender Höhe. Alles in allem würde das zwar auch drei Jahre dauern, sagte Krause. Aber drei Jahre sind immerhin nicht fünf – oder mehr. „Wir schauen mal in unsere Fahrzeugbörse“, versprach Büttner.

„Es ist wirklich schlimm“, gab Kruzolka den Bahnern mit auf den Weg. „Wir werden nicht aufgeben.“ Es gehe schließlich um ihrer aller Selbstständigkeit.

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