„Ein Häufchen Elend auf vier Pfoten“: Beim Aufziehen von Igeln kann man viel falsch machen
22 geschwächte Igel haben den Winter in einer Notstation in Gaißach verbracht. Jetzt werden sie ausgewildert. Doch bei Igel „Rudine“ wurde ein schwerer Fehler begangen.
Gaißach – Die Igel erwachen dieser Tage aus dem Winterschlaf. Für Editha Schneider und Georg Osterhuber, die in Gaißach privat eine „Igelnotstation“ betreiben, heißt das, dass sie die stacheligen Tiere, die sich in ihrer Obhut befinden, wieder auswildern. Doch mit einer speziellen Kandidatin, Igelmädchen „Rudine“, hat das Paar dabei so seine Probleme. „Wenn man Igel von Hand aufzieht, kann man viel falsch machen“, warnt Expertin Editha Schneider. Und sie hat noch einen dringenden Appell an Gartenbesitzer: Vorsicht beim Einsatz von Mährobotern!
Igelstation in Gaißach kümmert sich um geschwächte Tiere
Es war am 22. März, als Passanten in Benediktbeuern einen geschwächten Igel auflasen und zu Editha Schneider und Georg Osterhuber nach Gaißach brachten. In der Region hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass das Paar Igel aufnimmt und liebevoll aufpäppelt. „Der Finder dachte, es wäre ein Männchen, und wollten, dass es Rudi heißt“, berichtet Schneider. „Bei genauerem Hinsehen haben wir festgestellt dass es eine Rudine ist.“ Der Igel sei zunächst „ein Häufchen Elend auf vier Pfoten“ gewesen, von Darmparasiten befallen, mit verklebten Augen und verrotzter Nase. Diese Leiden des offenbar im Herbst geborenen Jungtiers hatten die Kümmerer von der Igelstation schnell im Griff.
Dann aber stellten sie ein anderes Manko fest: „Rudine ist viel zu zutraulich“, sagt Editha Schneider. Entgegen der natürlichen Verhaltensweise von Igeln sei dieses Tier öfters tagsüber aktiv, und zum Schlafen verstecke es sich nicht. Als eine Bekannte zu Besuch war, „da hat der Igel ihren Finger liebevoll angeknabbert“, schildert die Gaißacherin. „Normalerweise beißt ein Igel zu, weil er Fleisch herunterreißen will.“ Bei der Tierärztin habe sich „Rudine“ behaglich auf den Behandlungstisch gelegt und voller Vertrauen alle Viere von sich gestreckt. Doch ein Igel, der sich nicht einrollt, sei in der Natur ein gefundenes Fressen für Fuchs, Wiesel oder Uhu.
Beim Aufziehen von Igelbabys kann man viel falsch machen
Editha Schneider hat nur eine Erklärung: „Rudine war scheinbar schon einmal in menschlicher Hand.“ Ihr Verhalten lasse darauf schließen, dass sie von Hand aufgezogen worden sei. „Leider wurde sie dabei fehlgeprägt“, so Editha Schneider. „Sie sieht Menschen als ihre Spielgefährten an.“
Auch Schneider und ihr Partner ziehen nicht überlebensfähige Igel mit der Hand auf. Sie geben ihnen in der ersten Zeit Katzenmilch aus der Pipette. „Und solange sie ganz klein sind, darf man sie schon ein bisschen betüdeln.“ Doch wenn die Jungtiere nach zwei bis drei Wochen die ersten Zähnchen bekämen, müsse man ihnen auch Fleisch zu fressen geben. „Und als Mensch muss ich mich dann zurückziehen.“
Schwierige Auswilderung von Igel Rudine
Damit „Rudine“ möglichst doch noch zurück in ein eigenständiges Leben in der Natur findet, versucht Schneider nun, das Tier in Auswilderungsgehegen entsprechend zu trainieren. Bleibt der Igel dennoch zu vertrauensselig, möchte die Gaißacherin einen Brief an den Zoologischen Stadtgarten in Karlsruhe schreiben – mit der Bitte, „Rudine“ aufzunehmen und zum Beispiel als „Igel-Botschafterin“ einzusetzen. Man könne das zahme Tier Schulklassen vorführen. Immerhin, so führt Editha Schneider ins Feld, habe die Deutsche Wildtier Stiftung den Igel zum Tier des Jahres 2024 gekürt.
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„Rudine“ ist freilich längst nicht das einzige Exemplar, das sich in der Obhut der Gaißacher Tierfreunde befindet. 22 Igel, die es alleine nicht geschafft hätten – etwa weil sie als Babys von der Mutter zurückgelassen wurden –, haben hier überwintert.
Igel haben Winterschlaf früher als sonst beendet
Normalerweise würden sie Mitte Mai den Winterschlaf beenden, heuer seien sie aber wegen der warmen Witterung schon deutlich früher dran. Im Prinzip sei das kein Problem, meint Schneider. Denn auch die Insekten kämen bei diesem Wetter früher aus dem Boden. Die Igel fänden also Nahrung. Wer den kleinen Stacheltieren helfen wolle, könne ihnen zusätzlich draußen etwas Trockenfutter für Katzen bereitstellen, das weder Getreide noch Gemüse enthalte.
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Ganz wichtig ist es Schneider, auf die Gefährdung der Igel durch Mähroboter hinzuweisen. Sie und ihr Partner mussten schon etliche Igel aufnehmen, bei denen diese Geräte Beine oder Nase abgetrennt hatten. Nicht immer können die schwer verletzten Tiere gerettet werden. An alle, die einen Mähroboter einsetzen, appelliert Schneider deswegen, die Maschine nicht unbeaufsichtigt zu lassen und zu schauen, dass der Roboter nicht in Gebüschbereiche fährt, wo sich die Igel gerne verstecken.