Freisings Schul- und Kitareferentin: „Kinderbetreuung hat absoluten Vorrang“ – Kritik an Elterninitiative

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Hinter den Kulissen sei deutlich zu spüren, mit wie viel Engagement sich alle Beteiligten in der Verwaltung für die Sache einsetzen, sagt Monika Riesch. © Lehmann

Die Schul- und Kita-Referentin der Stadt Freising hat nicht den einfachsten Job. Dennoch hat Monika Riesch (FSM) die Freude daran nicht verloren. Sie würde sich in der aktuellen Lage ein Umdenken mancher Eltern wünschen. Den Ernst der Lage verkennt sie dabei nicht.

Freising – Für betroffene Eltern sei die Situation „sehr dramatisch“, sagt Freisings Schul- und Kita-Referentin Monika Riesch im FT-Gespräch. Sie ordnet die Lage ein, indem sie die Kita-Krise aus allen Blickwinkeln betrachtet. Und sie räumt mit Gerüchten auf, will das Bild in der Öffentlichkeit wieder geraderücken. So sei es schlichtweg eine Falschinformation, dass etwa in der Stadt Erding die Lage ganz entspannt sei. Und auch, dass Freising ein unattraktiver Arbeitgeber sei, würde das Kita-Personal nicht bestätigen.

Frau Riesch, Sie sind als Schulreferentin auch für die Kindertagesstätten zuständig. Macht das in der aktuellen Situation überhaupt noch Freude?

Die Freude und das Interesse an der Thematik und dem Fachbereich Kindertagesstätten und Schulen ist ungebrochen. Die Themengebiete sind so vielschichtig – sei es, Neubauten begleiten zu dürfen oder in der Kita-Krise mit am Tisch zu sitzen und weitere Schritte mitzuüberlegen. Das alles bereitet mir sehr viel Spaß und Freude. Auch wenn es durch die aktuelle finanzielle Situation und den immensen Fachkräftemangel oft nicht einfach ist, manche Dinge wie gewollt umzusetzen, so werden immer wieder neue Wege gefunden, um das Optimale für alle Beteiligten herauszuholen und das Beste aus so mancher Situation zu machen. Leider ist das Bild in der Öffentlichkeit oft ein anderes. Aber wenn man den Blick hinter die Kulissen hat, merkt man, mit wie viel Engagement und Herzblut sich alle Beteiligten in der Verwaltung für die Sache einsetzen.

Trotz allen Engagements gibt es große Demos vor dem Rathaus, bei der die Elterninitiative für Freisings Kinder eine sofortige politische Lösung fordert. Einige Eltern beschreiten bereits den Klageweg. Wie dramatisch ist die Kita-Krise aus Ihrer Sicht?

Die Situation an sich ist für die betroffenen Eltern und Kinder sehr dramatisch und kann existenziell sein. Ich denke aber, dass für alle, die sich in ihrer Not an die Stadt gewandt haben, nach der bestmöglichen Lösung gesucht wurde. Wenn die Eltern, die die Demonstrationen organisieren und vorantreiben, ebenso engagiert bei Lösungsfindungen und deren Umsetzung mit dabei wären, dann wäre allen sehr geholfen. Ich habe leider oft das Gefühl, manchen geht es darum, laut zu sein und Stimmung zu machen. Und mir tut sich da die Frage auf: Wollen manche Akteure eher Teil des Problems oder Teil der Lösung sein?

Dann ist also der immerwährende Vorwurf einiger Eltern, Freising würde sich hinter den bundesweiten Zahlen verstecken, obwohl die Zahlen hier überdurchschnittlich hoch seien, so auch nicht richtig?

Die Zahlen in Freising sind hoch, und es gibt nichts schönzureden. Trotzdem ist für den Fachbereich Kindertageseinrichtungen im Landkreis und in der Stadt nicht ersichtlich, warum Freising „einen traurigen ersten Platz im bayernweiten Vergleich“ belegen soll. In beiden Ämtern ist ein solcher Vergleich nicht bekannt. Wenn man die Zahlen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus 2022 nimmt, die die U3-Plätze (unter Dreijährige) betrachtet, dann wären bei einer Berechnung der deutschlandweit fehlenden Betreuungsplätze umgerechnet auf die Einwohnerzahl von Freising 261 Plätze im Krippenbereich zu wenig. Tatsächlich aber stehen bei uns 220 Kinder auf der Warteliste, von denen 139 sofort einen Platz bekommen könnten, wenn das Personal vorhanden wäre. Ebenso zeigt der Ausbau unserer Kindertagesstätten rückblickend über die letzten zehn Jahre, dass die Versorgungsquote in Freising durch Neubauten jeweils um rund zehn Prozent gesteigert wurde und somit im oberen Drittel des Betreuungsausbaus im Landkreis Freising liegt.

Liegt es dann daran – und auch das klingt immer wieder bei Eltern durch –, dass die Stadt Freising als Arbeitgeberin unattraktiv ist? Hat man sich denn bereits auf Ursachenforschung begeben? Nehmen Sie uns doch mal mit hinter die von Ihnen erwähnten Kulissen.

Dass Freising als Arbeitgeber unattraktiv ist, kann ich nicht bestätigen. Es wird sehr viel Wert darauf gelegt, sich mit den Kita-Mitarbeitenden auszutauschen, sie zu unterstützen, und es gibt sogar auch eine pädagogische Fachkraft in der Verwaltung. Eine interne Umfrage im Kita-Bereich hat ebenfalls ergeben, dass alle Angestellten mit der Stadt als Arbeitgeberin sehr zufrieden sind. Leider wird gerade von der Elterninitiative für Freisings Kinder die Unattraktivität immer wieder gebetsmühlenartig kommuniziert, aber diverse Fakten und Gespräche mit den Angestellten sprechen für sich: Es gibt viele Extras wie die Freising-Zulage, diverse Sonderleistungen im Freizeitbereich und eine Übernahme der öffentlichen Fahrtkosten bis zur Höhe des Deutschland-Tickets, die sehr geschätzt werden. Alle administrativen Tätigkeiten werden vom Fachbereich Kindertagesstätten übernommen, um eine Entlastung für die Kindergartenleitungen zu bekommen. Und ebenso wird auf Wünsche zu flexiblen Arbeitszeiten eingegangen, wo es nur möglich ist. Momentan sind im Bereich der Kindertagesstätten alle 30 Ausbildungsstellen besetzt, und es gibt eine sehr geringe Fluktuation.

Also ist auch die Zahl der Beschäftigten, die eine Freisinger Kita verlassen, nicht über die Maßen hoch?

Wenn jemand in den Kita-Einrichtungen der Stadt kündigt, dann hat dies meist einen Wohnortwechsel, Familienzuwachs oder eine komplette berufliche Umorientierung als Grund. Was auch viele nicht wissen: Die Stadt Freising betreibt im Stadtgebiet 15 Einrichtungen und ist für diese personell und baulich verantwortlich. Insgesamt gibt es aber 44 Kindertagesstätten und drei Großtagespflegestellen, für die jeweils andere, unterschiedliche Träger zuständig sind. Diese Verantwortlichen haben genau dieselben Probleme und Nöte wie die Stadt als Arbeitgeberin, das wird leider oft in der Diskussion vergessen.

Aktuell wären die fehlenden Plätze im Kindergarten- und Hortbereich sofort mit vorhandenem Personal anzubieten, die Räume dafür gibt es bereits.

Gibt es Kontakt beispielsweise zur Großen Kreisstadt Erding? Dort soll die Lage ja sehr entspannt sein.

Auf Nachfrage in der Stadtverwaltung Erding sind die dort Zuständigen selbst verwundert, warum diese Aussage so in den Medien stand – sie selbst wurden dazu gar nicht befragt. Es gibt im Nachbarlandkreis die gleichen Probleme wie bei uns: Passendes Fachpersonal zu finden, ist ein überregionales Problem, und der Markt für pädagogische Fachkräfte ist wie bei uns leergefegt. In Erding wird nun ebenfalls angedacht, das Ausbildungsmodell „Beschäftigungsbegleitende Qualifizierung zur externen Prüfung zur staatlich geprüften Kinderpflegerin, BbQU EK“ – das frühere Assistenzkraft-Modell – zu etablieren, um selbst Fachkräfte auszubilden. Bei uns in Freising läuft dies seit einigen Jahren sehr erfolgreich, und allein in diesem Bereich haben wir aktuell sechs Ausbildungsplätze belegt. Die Stadt Erding hat auch im Vergleich zu uns keine eigenen Kindertagesstätten, diese sind komplett an fremde Träger vergeben. Vielleicht kam deshalb die Aussage auf, dass in Erding kein Personal fehlt – es wird schlichtweg direkt in der Verwaltung kein Mitarbeitender für die Kindertagesstätten benötigt.

Sozialreferentin Charlotte Reitsam hat kürzlich einige Ideen präsentiert, wie die Situation zu entschärfen wäre. Was sagen Sie dazu?

Die Ideen von Frau Reitsam sind sehr wertvoll und eine absolute Bereicherung für Freising. Sie ist mit einer bemerkenswerten Energie an dem Thema dran, was ich sehr zu schätzen weiß. Wir tauschen uns auch regelmäßig aus, und ich versuche, sie zu unterstützen, wo es nur geht. Das Wunsch-Oma-und-Opa-Konzept wird sehr gut angenommen und ist ein Projekt mit Zukunft, wie der gelungene Start zeigt. Es werden Generationen zusammengeführt, und das ist gerade in der heutigen Zeit von unschätzbarem Wert. Mit dem Spielezimmer wird ein weiterer Baustein in unkomplizierter, niederschwelliger und familienübergreifender Betreuungsmöglichkeit gelegt. Es gibt bereits drei Großtagespflegestellen in der Stadt Freising, und des Öfteren kommen Anfragen für neue Räumlichkeiten, die leider baurechtlich nicht immer umzusetzen waren. Was mir leider an diversen Treffen von Frau Reitsam unter Einladung der Betroffenen bis jetzt gefehlt hat, ist die Anwesenheit der Elterninitiative für Freisings Kinder.

Bei einem Diskussionsabend zur Kita-Krise hat SPD-Stadtrat Norbert Gmeiner zudem Dienstwohnungen auf neuen Kita-Gebäuden vorgeschlagen. Hat man diese Chance in der neuen Kita in den Seilerbrücklwiesen verpasst?

Nein, da wurde nichts verpasst. Bei den Seilerbrücklwiesen ist der bebaubare Raum für die Kita schon so weit ausgereizt, dass selbst bei einer angedachten Planung einer Dienstwohnung kein Platz mehr dafür vorhanden wäre. Dafür müsste die Kita in den Gruppenstärken verkleinert werden – dies will definitiv keiner. 

Es gibt im Nachbarlandkreis die gleichen Probleme wie bei uns: Passendes Fachpersonal zu finden, ist ein überregionales Problem.

Und wie sieht es grundsätzlich mit Dienstwohnungen aus?

In der Stadt Freising ist ein Pool an städtischen Wohnungen vorhanden, die, bevor sie auf den freien Wohnungsmarkt kommen, zuerst den eigenen Mitarbeitenden angeboten werden. Es gibt also immer wieder die Möglichkeit für Dienstwohnungen, und es ist der Verwaltung kein Fall bekannt, wo das Nicht-Vorhandensein oder ein mangelndes Wohnungsangebot ein Grund gewesen wäre, eine Stelle nicht anzutreten, oder für vorhandenes Personal aktuell Bedarf an Wohnraum besteht. Ich bin der Meinung, dass eine Dienstwohnung für Personal über der Arbeitsstätte auch nicht erstrebenswert ist und lieber unabhängig davon angeboten werden sollte, wie es ja bereits der Fall ist.

Wie eng sind Kita- und Finanzkrise miteinander verwoben? Könnte man mit mehr finanziellem Spielraum Personal einfacher anlocken und halten?

Da die Kinderbetreuung zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehört, ist sie meiner Meinung nach unabhängig von der aktuellen finanziellen Situation zu betrachten und hat absoluten Vorrang. Sicherlich könnte man durch höhere Bezahlung mehr Bewerbungen bekommen, dies ist leider aber schon durch den tarifrechtlichen Rahmen nicht möglich. Es gab in Freising den Fall, dass die Arbeit von ambitionierten, langjährigen Kinderpflegekräften durch eine etwas höhere Einstufung honoriert wurde, dies aber vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband (BKPV) untersagt wurde und leider wieder eingestellt werden musste. Ebenso wäre ein großes Problem bei höherer Bezahlung die Abwerbung von Angestellten anderer Arbeitgebenden. Im Endeffekt wäre damit niemandem geholfen. Es würde sich eine Preisspirale immer weiter nach oben schrauben, und dadurch gäbe es auch nicht mehr Fachkräfte auf dem Markt. Interne Umfragen in städtischen Einrichtungen ergaben, dass die Angestellten sehr zufrieden mit der Bezahlung und der Stadt als Arbeitgeberin sind. Kündigungen liegen nicht an mangelnder Bezahlung, sondern meist – wie bereits erwähnt – an privaten, nachvollziehbaren Gründen.

Rund 450 Familien stehen noch auf den Wartelisten. Aber nur rund 200 Plätze sind wegen Personalmangels faktisch vorhanden, aber nicht besetzt? Wer nachrechnet, sieht, dass es nicht nur an Personal fehlt. Ist da mittelfristig etwas geplant?

Es liegt definitiv ausschließlich am Personalmangel, was die aktuellen Zahlen wieder belegen. Aber es wird selbstverständlich mit jedem Wohngebiet-Neubau – siehe Seilerbrücklwiesen – proportional passend für ausreichend zusätzliche Kita-Plätze gesorgt. Wie schon erwähnt, ist der kontinuierliche Ausbau von Betreuungsplätzen in der Stadt Freising rückblickend auf die letzten zehn Jahre im oberen Drittel im Landkreis. Aktuell wären die fehlenden Plätze im Kindergarten- und Hortbereich sofort mit vorhandenem Personal anzubieten, die Räume dafür gibt es bereits.

Wieso ist die Zahl auf der Warteliste dann aber höher als die vorhandenen Räumlichkeiten?

Das ist die Warteliste für die Krippen: Da fehlen momentan 81 Plätze, was etwa sieben Gruppen entspricht. Dafür bräuchte man zusätzliches Personal von gut 20 Fachkräften. Zwei dieser Gruppen entstehen bereits baulich bis Ende nächsten Jahres in den Seilerbrücklwiesen. Wäre für alle offenen Betreuungsplätze Personal vorhanden, dann wäre es binnen kürzester Zeit machbar, mit Übergangslösungen, zum Beispiel Containerbauten, darauf zu reagieren.

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