Täter suchte sich ein Zufallsopfer: 19-Jährige wird am S-Bahnhof Hallbergmoos stundenlang vergewaltigt
Am S-Bahnhof in Hallbergmoos hat sich ein furchtbares Verbrechen ereignet: Ein 25-Jähriger überfiel eine 19-Jährige und vergewaltigte sie stundenlang. Was im Ort ein Einzelfall ist, hat gesamtgesellschaftlich eine gewaltige Dimension.
Hallbergmoos – Es ist eine Szene wie aus einem Horrorfilm: Eine junge Frau kommt nachts mit der S-Bahn an. Sie steigt aus, nach ihr verlässt auch ein fremder Mann den Zug. Und nur wenige Augenblicke später überfällt er sie, zerrt sie ins Gebüsch und vergewaltigt sie über mehrere Stunden.
Frau wurde Zufallsopfer
Dieses Verbrechen hat sich am Montag in den frühen Morgenstunden in Hallbergmoos ereignet. Die 19 Jahre alte Freisingerin verließ die S-Bahn um 2 Uhr früh. Kurz darauf wurde sie von einem 25-Jährigen aus dem Kreis Fürstenfeldbruck „überfallartig vergewaltigt“, berichtet ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord. Der Mann folgte der jungen Frau zu Fuß und griff sie noch im Bereich des Bahnhofs an. Unter Androhung von körperlicher Gewalt zog er die 19-Jährige ins Gebüsch und vergewaltigte sie.
Die Polizei geht davon aus, dass keine Vorbeziehung zwischen den beiden bestand, sondern sich der 25-Jährige sein späteres Opfer spontan aussuchte, heißt es auf FT-Nachfrage. Hallbergmoos war offenbar gar nicht sein ursprüngliches Fahrtziel gewesen, er stieg nur aus, weil es auch die 19-Jährige tat. „Der aktuelle Ermittlungsstand legt nahe, dass die Frau über mehrere Stunden vergewaltigt wurde – von kurz nach 2 Uhr, als der Täter sein Opfer aus der S-Bahn verfolgte, bis um 5.30 Uhr, als Passanten – vermutlich Berufspendler – auf die Hilfeschreie der jungen Frau aufmerksam wurden“, so der Sprecher weiter.
Passanten verfolgen Täter
Daraufhin versuchte der Täter zu flüchten. Die Passanten verfolgten ihn und ermöglichten es so der wenige Minuten später eintreffenden Streifenpolizisten, den Mann in unmittelbarer Nähe zum Tatort festzunehmen. Die Frau kam ins Krankenhaus, der Täter sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Die Kripo Erding ermittelt die genaueren Umstände. Eventuelle weitere Zeugen werden gebeten, sich unter Tel. (0 81 22) 96 80 zu melden.
Anders als in anderen Kommunen liegt der S-Bahnhof in Hallbergmoos nicht im Zentrum, sondern außerhalb, im Südwesten der Gemeinde. Vermutlich deshalb dauerte es so lange, bis die Hilferufe der Frau Gehör fanden.
Mehr Licht, weniger Vegetation
Am Mittwochvormittag fand am Bahnhof eine Ortsbegehung statt, an der die Polizei Neufahrn, in deren Zuständigkeitsbereich Hallbergmoos liegt, und eine Vertreterin des gemeindlichen Ordnungsamts teilnahmen. „ Dort haben wir uns angeschaut, was sich noch verbessern lässt, um die Sicherheit vor Ort zu erhöhen“, berichtet Neufahrns PI-Chef Michael Ertl. Demnach plane man, die Beleuchtung zu intensivieren und die Vegetation an manchen Stellen offener zu gestalten, sprich besser einsehbar zu machen.
Meine news
Bis jetzt habe man derlei Maßnahmen noch nicht unternommen, da es gar keine Notwendigkeit gegeben habe. „Es ist die erste Vergewaltigung am Bahnhof in Hallbergmoos, die meinen Kollegen bekannt ist“, sagt Ertl, der die PI seit 2021 leitet. „Ich lehne mich jetzt weit aus dem Fenster, aber es ist womöglich auch die erste Vergewaltigung dort seit Bestehen des Bahnhofs.“
Fast jeden Tag ein Femizid
Grundsätzlich erklärt Ertl, dass Hallbergmoos von allen drei Bahnhöfen im Dienstbereich am meisten bestreift werde. Denn anders als in Neufahrn und Eching hält dort mit der S8 die Flughafen-S-Bahn, die rund um die Uhr fährt. „Bahnhöfe sind für die Polizei immer Brennpunkte“, sagt Ertl. Aber was Delikte angeht, sei der Hallbergmooser Bahnhof nicht negativ auffällig. Im Gegenteil: Ertl habe die Statistik zwar nicht im Einzelnen ausgewertet, „aber von der subjektiven Einschätzung her gibt es in den Gemeinden Eching und Neufahrn mehr Körperverletzungsdelikte und Ähnliches als in Hallbergmoos“.
Rathauschef Josef Niedermaier, dem in seiner Funktion als Bürgermeister auch das Ordnungsamt untergeordnet ist, möchte sich zu dem Vorfall und potenziellen Schutzmaßnahmen nicht äußern. Das Verfahren laufe, die Polizei arbeite daran, daher „kein Kommentar“, sagte er auf FT-Anfrage.
„Es braucht dringend Männer, die gegen Gewalt gegen Frauen den Mund aufmachen.“
Für Christina Mayer, die bei der Diakonie Freising den Fachbereich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt leitet, zu der die gleichnamige Fachberatungsstelle sowie das Frauenhaus des Landkreises gehören, ist die Vergewaltigung kein Einzelfall, sondern zeige ein strukturelles Problem. (Sexualisierte) Gewalt gegen Frauen nimmt laut Mayer immer mehr zu. Das offenbart auch der Blick in die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2023, die erst am Dienstag veröffentlicht wurde: Die Zahlen belegen, dass in Deutschland fast täglich ein Femizid begangen wird, also eine Frau getötet wird, weil sie eine Frau ist. Auch die Sexualstraftaten, die sich gegen Mädchen und Frauen richten, sind im Vergleich zum Jahr 2022 um 6,2 Prozent gestiegen.
Mit Blick auf die Tat in Hallbergmoos sagt Mayer: „Das hätte jeder anderen Frau auch passieren können. Diese Frau war zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war egal, wie sie aussah, was sie anhatte: Ein Mann hat seine Macht missbraucht.“ Mayer fordert, die sogenannte Istanbul-Konvention, das Internationale Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, das Deutschland bereits 2018 ratifiziert hat, endlich umzusetzen. Mit diesem Gewalthilfegesetz sei es möglich, Frauen und Kinder besser vor Gewalt zu schützen.
Ursachen bekämpfen, nicht nur Symptome
Maßnahmen wie hellere Bahnhöfe oder die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser geforderte elektronische Fußfessel für Sexualstraftäter seien für Mayer jedoch lediglich Symptombekämpfung. Man müsse auf einer viel grundlegenderen Ebene ansetzen: „Unsere Gesellschaft braucht ein gemeinsames Verständnis von Augenhöhe und Gleichberechtigung.“ Alle Menschen seien gleichberechtigt, ein Mann nicht höher gestellt als eine Frau. Vor allem Männer müssten endlich lernen, Grenzen zu akzeptieren und Macht nicht zu missbrauchen. Mayer fordert daher: „Wir brauchen Präventionsangebote und ein System, mit dem es uns gelingt, bereits in Kindergarten und Schule gewaltvolles Denken präventiv zu behandeln.“
Die Expertin fordert zudem, dass auch Männer Gewalt gegen Frauen stärker bekämpfen. Das System, das von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffene Frauen unterstützt, bestehe bisher hauptsächlich aus anderen Frauen. Christina Mayer betont daher: „Es braucht dringend Männer, die gegen Gewalt gegen Frauen den Mund aufmachen.“