Kreisjagdberater über neues Gesetz: „Jagd ist ein Handwerk, kein Hobby“

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Vor allem im Gebirge ein Problem: Wildverbiss an jungen Bäumen. © Marijan Murat/dpa/Archivbild

Wie wirken sich die Änderungen im Jagdgesetz in der Praxis aus? Darüber kann auch Kreisjagdberater Wolfgang Kuhn aktuell nur mutmaßen. Seine Forderung reicht aber weit darüber hinaus.

Landkreis – Kaum verkündet, schon wieder umstritten: Die Einigung von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber auf Änderungen im Jagdgesetz wird von den einschlägigen Verbänden höchst unterschiedlich bewertet. Welche Auswirkungen im Landkreis Miesbach zu erwarten sind und warum man sich davon nicht zu viel versprechen sollte, erklärt Kreisjagdberater Wolfgang Kuhn im Interview.

Herr Kuhn, Minister Hubert Aiwanger bezeichnet das neue Jagdgesetz als Erfolg. Nicht zuletzt, weil es mehr Eigenverantwortung für die Jäger vorsieht. Stimmen Sie zu?

In meinen Augen ist es für eine abschließende Bewertung der Reform noch viel zu früh. Vor allem, weil noch überhaupt nicht klar ist, wie die Neuerungen in der Praxis überhaupt vollzogen und ihre Umsetzung überwacht werden soll. Vieles ist für mich nicht durchschaubar, die Diskussionen werden also weitergehen.

Vor allem der BUND Naturschutz fürchtet, dass durch die teilweise Aufhebung der Abschusspläne der Verbiss im Wald stark zunehmen wird. Wie schätzen Sie die Lage im Landkreis Miesbach ein?

Unsere drei Niederwild-Hegegemeinschaften werden vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) im Verbissgutachten als grün kategorisiert, hier ist die Lage also gut im Griff. Problematischer sieht es nach dieser Einstufung in der Hochwild-Hegegemeinschaft aus, die einen roten Status hat. Wie sich die Änderungen der Abschussvorgaben in Zukunft auswirken werden, kann aber niemand sagen. Ich fürchte also, dass die Debatten eher mehr als weniger werden – und die Verunsicherung sowieso.

Wolfgang Kuhn, Kreisjagdberater aus Bad Wiessee.
Wolfgang Kuhn, Kreisjagdberater aus Bad Wiessee. © THOMAS PLETTENBERG

Klingt nicht nach einem guten Kompromiss zwischen Wald und Wild...

Na ja, ein Kompromiss hat ja den Nachteil, dass er nicht allen Vorstellungen zur Gänze gerecht werden kann. Ich persönlich bin aber ohnehin der Meinung, dass das eigentliche Problem vielschichtiger ist und nicht alleine mit der Steuerung der Abschusszahlen zu lösen ist.

Nämlich?

Neben einer ständig steigenden Nutzung des Naturraumes zu allen Tageszeiten gibt es auch zu viele Jagdscheininhaber. Dadurch werden die Reviere immer kleiner, der Jagddruck steigt. So werden die Tiere aus ihrem natürlichen Ernährungsrhythmus gedrängt. Vereinfacht gesprochen: Wenn dauerhaft hinter jedem Baum jemand wartet, der dem Wild nach dem Leben trachtet, traut es sich nicht mehr auf die freien Wiesen und Äsungsflächen hinaus. Es bleibt im Wald, wo es aus der Not heraus die Triebe der jungen Bäume frisst.

Was wiederum für die Beibehaltung fixer Abschusspläne sprechen würde?

Das allein reicht aber nicht. Es braucht auch Jäger, die fachlich zur Umsetzung in der Lage sind. Jagd ist ein Handwerk, kein Hobby. Leider kann man im Extremfall aber schon nach gut zwei Wochen den Gesellenbrief – also den Jagdschein – in den Händen halten. Im Ergebnis haben wir dann Jäger, die diese Aufgabe als Entspannung sehen – so wie Tennisspielen oder Golfen. Am Ende reichen selbst neun Monate Jagdzeit nicht aus, um die Quoten zu erfüllen, während es beispielsweise in der Schweiz in wenigen Wochen erledigt ist. Ein Zustand, den wir uns im sensiblen Verhältnis zwischen Wald und Wild eigentlich nicht leisten können.

Ihre Forderung?

Wir brauchen eine Professionalisierung der Jagd mit einer Senkung des Jagddruckes, die Schaffung von beruhigten Zonen und Äsungsflächen im Wald sowie natürlich einen diesen Verhältnissen angepassten Abschuss. Nur dann kann die im neuen Gesetz vorgesehene stärkere Eigenverantwortung ihre Wirkung entfalten.

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