Was als gemeinsames Hobby begann, entwickelte sich für die Londonerin Katrina Collier zu einer stillen Krise. Ihr Mann, einst Gelegenheitsradler, steigerte sich immer tiefer in den Sport hinein – bis jede freie Minute dem Training gehörte. Wochenenden bestanden aus Rennen, langen Ausfahrten und stundenlangen Einheiten auf dem "Turbo Trainer".
Für Collier blieb zunehmend das Gefühl zurück, nur noch Zuschauerin im eigenen Leben zu sein. Die Ehe, sagt sie gegenüber "The i Paper", sei "zweitrangig" geworden. Sie ließ sich scheiden.
Ehemann süchtig nach Fahrradfahren: Frau lässt sich scheiden
Dass intensives Training negative Folgen haben kann, belegen mehrere Studien. Forschende fanden heraus, dass rund ein Viertel aller Extremmarathonläufer ein erhöhtes Maß an Angstzuständen oder Depressionen entwickelt. Collier erkennt diese Dynamik in ihrer Ehe wieder: Das Radfahren sei längst kein gesunder Ausgleich mehr gewesen, sondern eine Art Ersatzbefriedigung für emotionale Leere.
Verzweifelt suchte Collier nach Wegen, wieder Verbindung zu schaffen. Sie kaufte ein Tandem, um gemeinsam zu fahren, doch ihr Mann verweigerte es – zu langsam, zu wenig Leistung. Selbst beim gemeinsamen Spinning fand er Ersatzbindung in Trainingsfreundschaften. "Ich saß stundenlang allein und wartete, dass er vorbeiradelte", erinnert sie sich. 2012 zog sie die Reißleine: Die Ehe war vorbei, doch der Kontakt blieb laut "The i Paper" bestehen.
Heute blickt Collier reflektiert auf die gemeinsame Zeit zurück. In Therapie lernte sie, die Ursachen für das Verhalten ihres Ex-Mannes zu verstehen. Beide hätten sie traumatische Kindheiten erlebt: Er habe seinen Schmerz im Training betäubt, sie in der Suche nach Bestätigung. Für Collier ist klar: "Sucht, egal in welcher Form, ist oft nur ein Versuch, Schmerz zu vermeiden."
Sportsucht und die Negativaspekte: Erhöhtes Risiko für Depressionen
Auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2022 zeigt, dass Personen mit einem hohen Risiko für Sportsucht deutlich häufiger unter Depressionen, Aufmerksamkeitsdefiziten (ADHS) und erlebten Kindheitstraumata leiden. In der Studie wurden 123 häufig trainierende Erwachsene befragt — rund 24 Prozent erfüllten Kriterien für ein Sucht-Verhalten gegenüber Bewegung. Bei ihnen waren die Depressionswerte signifikant höher als bei der Vergleichsgruppe.
Während Bewegung in moderatem Maße als wirksame Maßnahme gegen Depression gilt, zeigen Langzeit-Daten: Ein exzessives Verhalten kann das Gegenteil bewirken. Das belegt eine weitere Arbeit, in der 20 Studien analysiert wurden: In 65 Prozent davon zeigten Personen mit hohem Bewegungs-Verhalten erhöhte Werte von Depression, Angst oder Suchtverhalten.