Ukraine nimmt belarussischen Truppenaufmarsch an Grenze wahr – Warnung vor „tragischem Fehler“
Belarus zieht offenbar Truppen an Ukraine-Grenze zusammen – Kiew spricht von „tragischem Fehler“
Alexander Lukaschenko hat eine Ankündigung offenbar wahr gemacht und belarussische Truppen an die Grenze zur Ukraine verlegt. Kiew reagiert mit einem Statement.
Kiew – Die Rolle von Belarus im Ukraine-Krieg ist bislang noch recht undurchsichtig. Zwar unternahm das Land von Diktator Alexander Lukaschenko in diesem Jahr gemeinsame Atomwaffenübungen mit Russland. Zudem soll es den Söldnern der Wagner-Gruppe nach deren kurzzeitigem Aufstand im vergangenen Sommer Unterschlupf gewährt haben. Die Befürchtungen, dass sich Minsk aktiv in die Kämpfe in der Ukraine einmischen wird, scheinen sich aber noch nicht bestätigt zu haben.
Das allerdings könnte sich zweieinhalb Jahre nach Beginn der von Kreml-Chef Wladimir Putin befohlenen Invasion ändern. Das ukrainische Außenministerium schaut jedenfalls mit wachsender Sorge auf die gemeinsame Grenze.
Video: Russland dementiert Geheimverhandlungen um Waffenruhe im Ukraine-Krieg
Ukraine über Armee aus Belarus: „Streitkräfte unter Deckmantel von Übungen an Grenze konzentriert“
In einer Mitteilung des Hauses des seit 2020 amtierenden Außenministers Dmytro Kuleba ist zu lesen: „Laut den gesammelten Informationen ukrainischer Geheimdienste konzentrieren die Streitkräfte von Belarus eine beträchtliche Anzahl an Personal, darunter Spezialkräfte, Waffen und Militärmaterial wie Panzer, Artillerie, Mehrfachraketenwerfer, Flugabwehrsysteme und technische Ausrüstung in der Region Gomel nahe der Nordgrenze der Ukraine unter dem Deckmantel von Übungen.“
Die Nachricht erinnert an die Warnungen aus Kiew vor Beginn der russischen Invasion, als Putin über viele Monate immer mehr Militär an die Grenze zur Ukraine beorderte, was in Deutschland überwiegend als reines Säbelrasseln des Moskauer Machthabers gegen den Westen interpretiert wurde. Auch damals hatte die Regierung von Wolodymyr Selenskyj offen mit dem Schlimmsten gerechnet und letztlich recht behalten.

Ukraine warnt Armee von Lukaschenko: „Unter Druck von Moskau keine tragischen Fehler begehen“
Diesmal wird auch betont, Söldner der ehemaligen Wagner-Gruppe seien unter den Kräften an der ukrainisch-belarussischen Grenze. Zudem erwähnt das Außenministerium, schon Übungen in dem Gebiet würden wegen der unmittelbaren Nähe zum Kernkraftwerk Tschernobyl „eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine und für die globale Sicherheit im Allgemeinen“ darstellen.
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Direkt an Minsk gerichtet, heißt es weiter: „Wir warnen die belarussischen Beamten davor, unter dem Druck Moskaus tragische Fehler zu begehen, und fordern die Streitkräfte auf, unfreundliche Aktionen einzustellen und die Truppen von der Staatsgrenze der Ukraine auf eine Entfernung abzuziehen, die größer ist als die Schussreichweite der belarussischen Systeme.“
Die Ukraine werde ihrerseits „niemals unfreundliche Maßnahmen gegen das belarussische Volk“ ergreifen. Sollte Belarus die gemeinsame Grenze verletzen, werde Kiew jedoch „alle notwendigen Maßnahmen“ nutzen, um „das in der UN-Charta garantierte Recht auf Selbstverteidigung auszuüben“. Demnach würden die Truppen ebenso wie die militärischen Einrichtungen und die Versorgungswege in Belarus „zu legitimen Zielen der ukrainischen Streitkräfte“.
Lukaschenko contra Ukraine: Belarus-Diktator mahnt „aggressive Politik“ von Kiew an
Lukaschenko hatte die zuvor angekündigte Konzentration seiner Truppen an der Grenze im russischen TV-Sender Rossija erklärt. In einem Interview, aus dem die belarussische Nachrichtenagentur Belta zitiert, warf er der Ukraine vor, selbst 120.000 Militärangehörige nahe der Grenze stationiert zu haben. Dies kritisierte das seit 30 Jahren amtierende Staatsoberhaupt als „aggressive Politik“. Er sei gezwungen gewesen, ein Drittel seiner Armee dorthin zu verlegen.
Außerdem hielt Lukaschenko fest, die Ukraine habe mit Angriffsdrohnen den belarussischen Luftraum verletzt. „Einige davon fliegen 3000 bis 5000 Kilometer weit, sie flogen bis nach Tatarstan“, betonte der 69-Jährige: „Wir haben sie gewarnt. Natürlich sieht unsere Luftverteidigung dies und gibt die Information sofort an die russischen Luftabwehrkräfte weiter.“
Andrij Demtschenko, Sprecher der ukrainischen Grenztruppen, hielt Lukaschenko daraufhin vor, er greife „zu aggressiven Aussagen, die nicht der Realität entsprechen“. Wie so oft im Krieg zählen weniger die Worte, sondern vor allem die Taten. Und so wird Kiew genau darauf schauen, wie sich die Lage an der Grenze im Norden entwickelt. (mg)