Prozess wegen Totschlag: Hat Mindelheimer seine Mutter erwürgt? – Urteil gefallen

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Im Fall eines angeklagten 66-Jährigen, der im Dezember 2024 seine Mutter in Mindelheim erwürgt haben soll, sprach das Landgericht Memmingen den Mann schuldig. © Symbolfoto: Smarterpix / AntonMatyukha

Im Fall eines angeklagten 66-Jährigen, der im Dezember 2024 seine Mutter in Mindelheim erwürgt haben soll, sprach das Landgericht Memmingen am 23. Juli 2025 ein Urteil.

Memmingen/Mindelheim – Auch am vierten Verhandlungstag waren Zeugen geladen, die unter anderem Aussagen zum Charakter des Angeklagten treffen sowie die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter darstellen konnten.

Der erste Zeuge war ein Landwirt auf dessen Hof der Angeklagte über 20 Jahre beschäftigt war. Er sei immer zuverlässig gewesen und hätte die Arbeit stets zu vollster Zufriedenheit erledigt. Auf die Frage, ob dem Landwirt der Alkoholkonsum des Beschuldigten aufgefallen sei, antwortete dieser, man hätte ihn schon am Feierabend mit einem Bier in der Hand gesehen. Während der Arbeitszeit sei er nüchtern gewesen.

Prozess wegen Totschlag: Hat Mindelheimer seine Mutter erwürgt? – „Ein Mann mit zwei Gesichtern“

Die Nachbarin des Opfers schildert deren Sohn als „Mann mit zwei Gesichtern“. Er war hilfsbereit, freundlich und habe seiner Mutter viel geholfen, etwa den Rasen gemäht oder die Einkäufe erledigt. Das sei allerdings nur so gewesen, wenn er nüchtern war.

Sobald Alkohol im Spiel war, zeigte sich das „andere Gesicht“. Er habe sich viel mit seiner Mutter gestritten, das habe sie mitbekommen. Im Sommer 2024 sei es häufig laut gewesen nebenan, oft habe sie dann zu ihren Nachbarn rüber gerufen und Ruhe gefordert. Über die Themen, die den Konflikten zugrunde lagen, wisse sie nichts. Lediglich einmal habe sie erfahren, dass es wohl ums Erbe ging. Der Streit sei heftig gewesen und sie habe ihre Nachbarin zu sich geholt. Der 66-Jährige habe sich daraufhin erklären wollen. „Ich wollte es aber nicht wissen. Es ging mich nichts an, worüber sie streiten.“

Im Rausch sei er oft wütend geworden, doch auch die Mutter habe ihrem Sohn wohl unschöne Dinge an den Kopf geworfen und ihn provoziert. So solle sie im Streit immer wieder mal geschrien haben: „Dann bring mich doch um, dann bist du mich wenigstens los!“

In Rage habe der Mann wohl des Öfteren Gegenstände zerstört, etwa Blumentöpfe oder Flaschen. Dass er seine Mutter aber tätlich angreifen würde, konnte sich die Frau nicht vorstellen. Am Tattag sei ihr nichts aufgefallen, außer dass in den Abendstunden der Rettungsdienst bei ihrer Nachbarin war.

Über den Einsatz vor Ort berichtete die damals hinzugerufene Notärztin. Anfangs hätten sie und ihre Kollegen vom Rettungsdienst versucht, die 87-Jährige zu reanimieren. Obwohl die Fachkräfte keinen Puls mehr ertasten konnten, sendete das Herz noch elektrische Signale.

Bei einer sogenannten Pulslosen elektrischen Aktivität (PEA) sei eine sofortige Behandlung erforderlich, denn manchmal könne so das Leben des Patienten gerettet werden. Wie sich im Verlauf des Einsatzes herausstellte, war die betagte Frau allerdings schon verstorben.

Prozess wegen Totschlag: Hat Mindelheimer seine Mutter erwürgt? – Urteilsfindung

Der mutmaßliche Täter verhalte sich in Haft unauffällig, verlas der Vorsitzende Richter Bernhard Lang aus dem Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt. Die Beamten nähmen den Mann als ruhig, in sich gekehrt und folgsam wahr.

Mit diesen Informationen führte das Gericht die Verhandlung am Nachmittag weiter. Der psychiatrische Sachverständige Dr. Andreas Küthmann erläuterte seine Erkenntnisse über den 66-jährigen Angeklagten. Es könne ausgeschlossen werden, dass er eine Alkoholsucht habe, denn die Merkmale für eine solche Abhängigkeit fehlten. Auch könne somit keine Strafminderung erwirkt werden.

Prozess wegen Totschlag: Hat Mindelheimer seine Mutter erwürgt? – Zehn Jahre Haftstrafe gefordert

Die Staatsanwaltschaft plädierte für eine Haftstrafe von zehn Jahren. Dieser Forderung schloss sich die Nebenklägerschaft an. Auch in den von Staatsanwalt Stoschek vorgetragenen Punkten waren sich die beiden klagenden Parteien einig. Der Angeklagte habe davon ausgehen können, dass die von ihm angewandte Gewalt den Tod der Mutter herbeiführen könne. Das Ableben habe er mutwillig in Kauf genommen.

Rechtsanwältin Anja Mack, die den Angeklagten verteidigt, ging zunächst auf die Tat und die mögliche Tatentstehung ein. Ihr Mandant wisse auch nicht, was genau passiert sei am 27. Dezember 2024. Er leide unter Erinnerungslücken. Sie sprach von einer „toxischen Beziehung, in der beide nicht mit und ohneeinander konnten“. Mutter und Sohn seien voneinander abhängig gewesen. Dennoch kam es nachhaltig zu Streitigkeiten, welche durch den Alkoholkonsum ihres Mandanten verstärkt wurden und „die ihren Höhepunkt im Tod der Mutter hatten“.

Anzuzweifeln sei die Tötungsabsicht. Der Angeklagte hatte den Tod weder geplant noch beabsichtigt. Vielmehr wurde ihr Ableben billigend in Kauf genommen. Auch das Thema des letzten Streits könne nicht mehr ermittelt werden, doch schließe sie Geld und Erbe als Grund für den Tod des Opfers aus. „Vielmehr ging es um Anerkennung durch die Mutter.“

Im Statement der Großen Strafkammer ging Vorsitzender Richter Bernhard Lang auf die persönlichen Umstände des Angeklagten und den möglichen Tathergang nochmals ein. Die Tötung sei vom Angeklagten nicht geplant gewesen.

Allerdings habe der 66-Jährige gewusst, dass er seine gebrechliche Mutter mit seinen Handlungen der Lebensgefahr aussetzt. Er habe seiner Mutter nicht mehr zuhören und sie „zum Schweigen bringen“ wollen, so Lang weiter. Die Intensität und Dauer der Gewalteinwirkung sei allerdings nicht erklärbar.

Seine nachträgliche Reue sei für den Fall unerheblich, es komme auf den Moment der Tat an. Abschließend sagte Bernhard Lang: „Von den vielfach zitierten zwei Gesichtern des Angeklagten hat sich das gefährlichere davon realisiert.“

Da bei dem Mann keine psychologische Störung vorliege, sei der Mann als schuldfähig zu betrachten. Durch die „emotionale Auflastung“ in Kombination mit erheblichem Alkoholkonsum könne die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten eingeschränkt gewesen sein.

Somit kam die Große Strafkammer zum Schluss, dass der Angeklagte schuldig des Totschlages ist. Ihm wurde eine Haftstrafe von sieben Jahren und neun Monaten auferlegt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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